Herausforderungen der Jahre 2022 – 2025
Die Jahre 2024 und 2025 waren von konjunkturellen Schwierigkeiten geprägt, die sich auch in der Sozialwirtschaft niederschlugen. Angespannte Refinanzierungsbedingungen, ein zunehmender Konkurrenzdruck und steuerfinanzierte Verlustausgleichzahlungen, die kommunale Krankenhäuser deutlich besserstellen als Krankenhäuser der Freien Wohlfahrt, prägten das Tarifgeschäft der Dienstgeberseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes e.V. (DGS).
Die COVID-19-Pandemie hat darüber hinaus langfristige strukturelle Folgen für das Gesundheits- und Sozialwesen: Personalengpässe, psychische Belastungen und wirtschaftliche Unsicherheit prägten die Jahre 2022 und 2023. Der zunehmende Mangel an qualifiziertem Personal in den sozialen Berufen – insbesondere im Bereich Pflege und Erziehung – verschärfte den Wettbewerb um Fachkräfte, wovon zunehmend auch die Dienste und Einrichtungen der Caritas betroffen waren. Hier galt es Lösungen zu finden, um neues qualifiziertes Personal zu finden, Mitarbeiter länger im Berufseben zu halten und die Weichen zu stellen, um auch künftig genügend motivierte und qualifizierte Mitarbeitende zu finden.
AVR Caritas in Zeiten von Pandemie und Inflation
Nachdem in den Jahren 2020 und 2021 erstmals vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie in der Bundeskommission (BK) über eine großzügige Regelung zum Kurzarbeitergeld ohne Einigung beraten worden war und ein entsprechendes Vermittlungsverfahren ergebnislos geendet hatte, kam das Thema zu Beginn des Jahres 2022 erneut auf. Die Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes e.V. (MAS) beantragte eine Kurzarbeitergeldregelung, die dem „Tarifvertrag Covid“ im öffentlichen Dienst nachgebildet war und insbesondere eine Pflicht zur Aufstockung des Kurzarbeitergelds auf 100 Prozent vorsah. Darüber hinaus sah sie ein Verbot dienstgeberseitiger betriebsbedingter Kündigungen, bei gleichzeitigem Recht der betroffenen Beschäftigten im Fall der Kurzarbeit kurzfristig aus dem Beschäftigungsverhältnis auszuscheiden, vor. Der daraufhin angerufene Vermittlungsausschuss erarbeitete einen Regelungsvorschlag mit regelhaften Aufstockungsbeträgen von 80 Prozent bzw. 87 Prozent und flexibleren Kündigungsmöglichkeiten. Auf diese Weise gelang es, in den AVR Caritas ein System für Kurzarbeit zu implementieren (§§ 5 ff. Anlage 5 AVR Caritas), das den Interessen der betroffenen Einrichtungen genauso Rechnung trägt, wie denen der betroffenen Beschäftigten.
Ende 2022 verabschiedete die Bundeskommission Regelungen zur Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie (IAP). Danach hatten vollzeitbeschäftigte Mitarbeitende Anspruch auf eine steuer- und sozialabgabenfreie Einmalzahlung in Höhe von insgesamt 3.000 Euro, die grundsätzlich in zwei Raten von je 1.500 Euro auszuzahlen war. Auszahlungszeitpunkte waren der 30. Juni 2023 und der 30. Juni 2024. Durch Dienstvereinbarung konnten die Auszahlungszeiträume bis spätestens zum 31. Dezember 2024 nach hinten verschoben werden. Die AVR Caritas war damit noch vor dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst das zweite kollektive Regelungsinstrument in Deutschland, das eine solche Prämie vorsah. Und es war das erste, das anders als der öffentliche Dienst, den Diensten und Einrichtungen flexible Regelungsmöglichkeiten bei der Umsetzung ermöglichte.
Den Herausforderungen aufgrund der Inflation wurde nicht allein durch die Inflationsausgleichsprämie Rechnung getragen. Die Bundeskommission hat Anfang 2023 umfangreiche Entgelterhöhungen vor allem für die unteren Vergütungsgruppen beschlossen mit linearen Vergütungssteigerungen zwischen 8 Prozent und 16,5 Prozent für die Jahre 2023 und 2024.
Die Tarifeinigung 2023 war ein wichtiges Signal an unsere Mitarbeitenden. Auch wenn sie viele unserer Dienste und Einrichtungen wirtschaftlich sehr stark gefordert hat. Aber durch die Kombination aus IAP und einer linearen Tariferhöhung war sie noch tragbar. Und klar ist auch: Der Beschluss hat 2023 und 2024 Planungssicherheit gebracht.
Gabriele Stark-Angermeier
Mitglied DGS-Leitungsausschuss
Die Einführung der eAU hat in den Diensten und Einrichtungen der Caritas für erheblichen Umsetzungsaufwand gesorgt. Dieses Gesetz dürfte kein Modell für geglückte Digitalisierung sein. Die Änderungen der AVR Caritas haben zumindest arbeitsrechtlich rechtzeitig und unkompliziert für Klarheit gesorgt.
Harald Klippel
Mitglied DGS-Leitungsausschuss
Signal für den Arbeitsmarkt der Zukunft: Caritas beendet Förderung der Altersteilzeit
Vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Fach- und Arbeitskräftemangels in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft haben sich DGS und MAS im Jahr 2024 entschlossen, die Anlage 17a AVR Caritas zum 30. Juni 2024 auslaufen zu lassen. Die dort statuierten Regelungen zur Altersteilzeit erschienen im Jahr 2024 nicht mehr zeitgemäß, da privilegierende Altersteilzeitmodelle zu einem frühzeitigen Rückzug aus dem Erwerbsleben verleiteten.
Das Altersteilzeitgesetz, das die Möglichkeit schafft, über Teilzeitmodelle den Eintritt in den Ruhestand vorzubereiten, stammt aus dem Jahr 1996, einer Zeit mit hoher Erwerbslosigkeit. Mit dem demographischen Wandel werden ältere Beschäftigte für den Arbeitsmarkt zunehmend wichtiger, sodass die Rahmenbedingungen im Altersteilzeitgesetz Stück für Stück verändert werden. Die Caritas geht einen Schritt weiter und verzichtet seit Sommer 2024 bewusst auf eine gezielte Förderung der Altersteilzeit.
Neue Anreize für Fachkräfte im Sozial- und Erziehungsdienst (SuE)
In der sogenannten „SuE-Tarifrunde 2022“ versuchte die DGS, gezielt auf veränderte Anforderungen im Arbeitsfeld zu reagieren, die Attraktivität des Berufs zu steigern und die Übernahme von Verantwortung nachhaltig zu fördern. Mit der Erhöhung der Kann-Zulage für Gruppenleitungen und der Einführung einer zusätzlichen Kann-Zulage für Bereichs- und Einrichtungsleitungen wurde ein gezielter Anreiz geschaffen, Führungsaufgaben zu übernehmen. Gleichzeitig wurde mit der Absetzung der Werte der Entgeltgruppe S 9 von denen der Entgeltgruppe S 8b die Vergütungsstruktur weiterentwickelt, um fachliche Anforderungen angemessener abzubilden.
Darüber hinaus wurden beispielsweise zusätzliche Regenerationstage eingeführt, die der physischen und psychischen Erholung dienen und die langfristige Arbeitsfähigkeit sichern sollen. Die zusätzlichen freien Tage sind aber auch herausfordernd für die Dienste und Einrichtungen, da der zusätzliche Personalbedarf gedeckt werden muss. Ebenfalls neu ist die SuE-Zulage, die die besonderen Herausforderungen des Arbeitsfeldes allgemein anerkennt und die Attraktivität der Berufe stärken soll.
Für Beschäftigte mit besonderen Aufgaben wurden gezielte finanzielle Anreize geschaffen: Es wurde eine Praxisanleiterzulage für die Begleitung der Ausbildung künftiger Fachkräfte eingeführt. Außerdem wurde die Wohn- und Werkstattzulage an die veränderten Anforderungen in der Eingliederungshilfe angepasst.
Darüber hinaus wurde die Eingruppierungspraxis weiterentwickelt: Mit der Anerkennung fachpraktischer Ausbildung als einschlägige Berufserfahrung wurde der Berufseinstieg attraktiver gestaltet. Gleichzeitig wurden die Tätigkeitsmerkmale im SuE überarbeitet und ergänzt, um den veränderten Aufgabenprofilen im Berufsalltag besser gerecht zu werden.
2025 hat die BK zusätzlich eine neue Kann-Zulage für Leitungskräfte in Höhe von monatlich 180 Euro im SuE beschlossen. Die 2022 eingeführten Zulagen wurden auf die Höhe der neuen Zulage angehoben. Damit verfolgte die DGS erneut ihr zentrales Anliegen, Führungskompetenz in der Fläche zu stärken.
In den letzten Jahren ist der Sozial- und Erziehungsdienst bei der Caritas attraktiver geworden. Die vielfältigen Angebote – insbesondere in der Eingliederungs- und Jugendhilfe – sind im Wettbewerb um Fach- und Führungskräfte gut aufgestellt. Die Sondertarifrunden im Sozial- und Erziehungsdienst bedeuten aber eine besondere finanzielle Herausforderung für die Dienste und Einrichtungen der Caritas.
Werner Negwer
Mitglied DGS-Leitungsausschuss
Tarifverhandlungen: Mit Augenmaß in die Zukunft
Die Arbeit der DGS war im Frühjahr/Sommer 2025 von Tarifverhandlungen geprägt, einmal von den allgemeinen Tarifverhandlungen und daneben von den Tarifverhandlungen für die Ärztinnen und Ärzte an Caritas-Krankenhäusern.
Die MAS forderte im Frühjahr 2025, die Übernahme des Tarifabschlusses für Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Dienst mit Vergütungssteigerungen von insgesamt 8 Prozent unverändert auch für die Caritas-Krankenhäuser. Die DGS sah sich jedoch angesichts der wirtschaftlich äußerst angespannten Situation der allermeisten Krankenhäuser nicht in der Lage, dieser Forderung nachzugeben. Auf der Sommersitzung der BK wurde schließlich ein ausgewogener Kompromiss gefunden. Damit haben die Caritas-Krankenhäuser, die ihre Verluste nicht wie kommunale Krankenhäuser aus Steuermitteln ausgleichen können, die Möglichkeit, ihren Ärztinnen und Ärzten weiterhin attraktive Beschäftigungsbedingungen zu bieten und gleichzeitig im sich weiter verschärfenden Wettbewerb auf dem Krankenhausmarkt bestehen zu können.
Als Gesamtkompromiss wurde im Juni 2025 zusammen mit dem Ärzte-Tarifabschluss auch ein erster Beschluss in der Allgemeinen Tarifrunde getroffen: Die gestufte Anhebung der Tabellenentgelte in zwei Schritten im Juli 2025 und Februar 2026 begrenzt die strukturellen Belastungen der Dienste und Einrichtungen der Caritas und gibt ihnen zugleich Planungssicherheit, um gerüstet in die verschiedenen Refinanzierungsverhandlungen gehen zu können.




