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EuGH: Bericht Mündliche Verhandlung „Austritt aus der Katholischen Kirche als Kündigungsgrund“

Am 17. März 2025 wurde vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Verfahren Az. C-258/24 zum Thema „Austritt aus der Katholischen Kirche als Kündigungsgrund“ mündlich verhandelt.

Hintergrund des Vorabentscheidungsersuchens des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 1. Februar 2024 (Az. 2 AZR 196/22) ist der Kirchenaustritt einer Sozialpädagogin, die in einer katholischen Schwangerenberatungsstelle arbeitete. Die Mitarbeiterin trat während der Elternzeit aus der Katholischen Kirche aus. Als Grund dafür gab sie das besondere Kirchgeld der Diözese Limburg an. Die Geschäftsstelle hat über den Rechtsstreit berichtet: BAG: Kündigung einer in der katholischen Schwangerenberatung beschäftigten Sozialpädagogin wegen Kirchenaustritts - DGS.

In der mündlichen Verhandlung hat sich abgezeichnet, dass es sich um einen Anwendungsfall der Richtlinie 2000/78/EG (Gleichbehandlungsrichtlinie) und deren Umsetzung im deutschen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) handelt. In dem Fall wird es im Wesentlichen, wie durch die Vertreterin der Europäischen Kommission ausgeführt, um die Abwägung der widerstreitenden Grundrechte der Klägerin auf (negative) Religionsfreiheit und der institutionellen Religionsfreiheit der Beklagten und die nach Art. 17 AEUV (Garantie des Status der Kirchen und Religionsgemeinschaften) eingeräumten Wertungsspielräume der Mitgliedsstaaten zum Verhältnis Staat und Religionsgemeinschaften gehen. Dabei hat der Gerichtshof bereits angedeutet, dass er auf seine bisherige Rechtsprechung zurückgreifen wird. Die Vertreterin der Europäischen Kommission hat darauf hingewiesen, dass Art. 7 Abs. 4 der Grundordnung durch den dort vorgesehenen Ermessensspielraum Raum für eine richtlinienkonforme und angemessene Entscheidung im Einzelfall biete. 

Nach den in Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung ausgetauschten Argumenten zeichnet sich ab, dass der EuGH in vielen Punkten der Position der Europäischen Kommission folgen wird. Das bedeutet, dass der Gerichtshof die Gleichbehandlungsrichtlinie und deren Umsetzung im AGG für auf den Fall anwendbar erachten wird. Die Argumentation von Herrn Prof. Dr. Thüsing, Vertreter der beklagten Schwangerschaftsvertretung, es läge keine zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von katholischen Mitarbeitenden vor, scheint den Gerichtshof nicht zu überzeugen. Thüsing führte aus, katholische Mitarbeitende seien mit nicht-katholischen Mitarbeitenden nicht vergleichbar, da nur sie aus der Kirche austreten könnten und der Austritt und die Nichtmitgliedschaft nicht miteinander vergleichbar seien. Es zeichnet sich ab, dass sowohl die Generalanwältin als auch der Gerichtshof von einer unmittelbaren Ungleichbehandlung ausgehen. 

Der EuGH wird voraussichtlich – wie bisher in ähnlichen Entscheidungen erfolgt – in seiner Entscheidung das BAG darauf hinweisen, dass die Kündigung der Klägerin auf zwei Ebenen zu überprüfen ist. Die erste Ebene bezieht sich auf die mitgliedsstaatlichen Wertungsspielräume nach Art. 17 AEUV zum Verhältnis Kirche und Staat; in Deutschland bezieht sich dies auf den Umfang des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Die zweite Ebene beinhaltet die Überprüfung der in Ausübung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts getroffene konkrete Maßnahme; hier der Kündigung aufgrund Kirchenaustritts. Diese dürfen nicht der gerichtlichen Kontrolle entzogen werden und sind nach den Vorgaben des Art. 4 Abs. 2 der Gleichbehandlungsrichtlinie zu überprüfen. Es müsse sich um eine wesentliche berufliche Anforderung nach dem Ethos der Kirche handeln, die rechtmäßig und gerechtfertigt und zudem verhältnismäßig sei. 

Wichtiger Diskussionspunkt in der mündlichen Verhandlung waren die Begriffe „Ethos“ in Art. 4 Abs. 2 der deutschen Fassung der Gleichbehandlungsrichtlinie und „Selbstverständnis“ in § 9 AGG. Es ging zum einen um deren Definition und inwieweit diese Begriffe zueinander stünden. Hier hat die Vertreterin der Kommission unter Rückgriff auf die bisherige Rechtsprechung des EuGHs ausgeführt, dass das Verbot des Kirchenaustritts der katholischen Kirche in Deutschland unter beide Begriffe zu fassen sei und eine wesentliche berufliche Anforderung darstellen könnte. Aufgrund der Nachfragen der Richter ist davon auszugehen, dass sie diese Auffassung teilen. Die Vertreterin der Klägerin ist der Auffassung, dass der Fall nicht unter das katholische Ethos i.S.d. der Richtlinie bzw. dem Selbstverständnis nach § 9 AGG fällt, da der kirchliche Arbeitgeber mit der Schwangerenberatung eine staatliche Aufgabe als Dienstleistung übernehme und diese nach staatlichen Anforderungen und mit staatlicher Finanzierung erfülle. 

Entscheidend wird sein, welche Auffassung die Generalanwältin und der Gerichtshof zur Frage der Rechtmäßigkeit und der Rechtfertigung des Austrittsverbots sowie deren Verhältnismäßigkeit vertreten werden. Dabei wird auch von Bedeutung sein, u.a. welchen Stellenwert der (negativen) Religionsfreiheit und der Marktstellung katholischer Arbeitgeber im Gesundheits- und Sozialwesen in Deutschland beigemessen wird. 

Die Vertreterin der Europäischen Kommission hat deutlich gemacht, dass aufgrund des Art. 17 AEUV die gerichtliche Überprüfung in den Mitgliedsstaaten durch die ausgeübten Wertungsspielräume zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann. 

Die Schlussanträge der Generalanwältin werden erst am 10. Juli 2025 erfolgen. 

Rechtsprechung

Autor/-in: Laura Weber-Rehtmeyer

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