LAG Düsseldorf: Zusagen nach der Versorgungsordnung B der Anlage 8 AVR sind keine reinen Beitragszusagen
Sachverhalt
Die 1951 geborene Klägerin war zunächst mit einem zweijährigen Lehrvertrag als Arzthelferin ab 1967 bei dem Chefarzt eines katholischen Krankhauses tätig, zwei Jahre später wurde sie vom Träger übernommen und 1974 zur damaligen „Selbsthilfe“ angemeldet. Ein Dienstvertrag wurde mit dem Träger 1975 abgeschlossen. In diesem wurde die Dienstzeit ab 1967 angegeben. Die AVR wurden unter Bezug genommen. Die Möglichkeit der Versorgung über die KZVK wurde von der Klägerin abgelehnt. Dies wurde formularmäßig 1977 festgehalten und die Fortführung der Versorgung über die „Selbsthilfe“ verlangt. In einem neuerlichen Arbeitsvertrag mit dem Träger wurde 1981 erneut festgehalten, dass die Versorgung (über die KZVK) nicht erfolgt, weil weiterhin Versicherungspflicht bei der „Selbsthilfe“ bestehe.
1988 wurde das Krankenhaus von der nicht-kirchlichen Beklagten übernommen. Das Dienstverhältnis bestand im Rahmen eines Betriebsübergangs fort. Die Beklagte stellte der Klägerin frei, in der „Selbsthilfe“ zu verbleiben, was die Klägerin wahrnahm. Die Klägerin schied bei der Beklagten zum 30.09.2012 aus.
Bei der 2001 zur „Pensionskasse der Caritas VVaG“ (im folgenden „PKC“) umfirmierten „Selbsthilfe“ bestanden für die Klägerin insgesamt 5 Verträge. Sämtliche Beiträge auf diese Verträge waren arbeitgeberfinanziert.
Die PKC stellte die Altersrente ab dem 01.10.2012 mit Schreiben vom 10.09.2012 fest. Erläutert wurde der Betrag nicht. Am 09.04.2020 wurden der Klägerin von der PKC zu den einzelnen Verträgen lediglich die Summen der Beiträge und Rentenanwartschaften mitgeteilt.
2019 teilte die PKC durch Informationsschreiben mit, dass sie saniert werden müsse. Wie darin angekündigt, reduzierte die PKC auf der Basis einer entsprechenden Satzungsbestimmung die Rentenansprüche der Klägerin ab dem 01.01.2020.
Die Klägerin hat die von der PKC benannten Minderungsbeträge mit der Klage geltend gemacht. Die Beklagte ist der Auffassung, dass keine Rentenzusage im Sinne des BetrAVG vorliege und nur VersO A zur Anwendung kommen könne. Zudem sei mit der Formulierung des Grundsatzes, dass der Dienstgeber die Versorgung „zu veranlassen“ habe, zu Beginn der Anlage 8 AVR lediglich eine reine Beitragszahlung gemeint. Selbst wenn man aber von einer Einstandspflicht ausgehe, könne diese nicht greifen, weil die der AGB-Kontrolle unterliegende Satzungsbestimmung der PKC intransparent sei. Deshalb sei die Leistungskürzung der PKC nicht rechtmäßig erfolgt, so dass der Dienstgeber nicht einstehen brauche. Die Höhe des Ausfalls bestreitet die Beklagte.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.
Entscheidung
Das LAG Düsseldorf hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dazu stellt es zunächst in Anwendung der Abgrenzungskriterien des Bundearbeitsgerichts (BAG) fest, dass eine reine Beitragszusage keine künftigen Versorgungsleistungen verspricht. Zur Auslegung der Zusage weist das LAG darauf hin, dass eine Anmeldung zu einer Pensionskasse erfolgen sollte, die üblicherweise eine Betriebsrentenzusage ist. Die gesetzliche Regelung zur beitragsorientierten Leistungszusage wie auch der Durchführungsweg der Pensionskasse sind im BetrAVG verankert. Mit der Anmeldung zu einer solchen Pensionskasse bringe der Dienstgeber zum Ausdruck, dass er Versorgungsleistungen verspricht. Dabei ist unschädlich, dass lediglich der Beitrag festgelegt wird, aus dem dann die Versorgungsleistung berechnet wird. Maßgeblich sind dabei die Umstände bei der Anmeldung der Klägerin.
Deutlich macht das LAG auch noch einmal, dass es sich bei der Einstandspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG nicht um einen subsidiären Anspruch handelt. Es handelt sich um einen auf die Versorgung bezogenen Verschaffungsanspruch. Wird die Versorgung nicht vom ursprünglichen Versorgungsträger erbracht, so muss der Dienstgeber sie anderweitig verschaffen und ggf. selbst leisten. Die Einstandspflicht führt zu verschuldensunabhängigen Erfüllungs- und eben nicht zu Schadensersatzansprüchen.
Das LAG stellt zwar fest, dass die Grundsätze für die Beklagte als nicht-kirchlichen Arbeitgeber, der durch den Betriebsübergang nach § 613a BGB Vertragspartei wurde, nicht unmittelbar gelten. Von dem Eintritt in das Dienstverhältnis betroffen ist auch das Versorgungsversprechen. Hätte die Beklagte wegen des fehlenden Einflusses auf die (kirchliche) PKC eine Änderung vornehmen wollen, hätte sie die Zusage im Sinne von gleichwertigen Leistungen ändern können.
Neben der Entscheidung zur Einstandspflicht selbst hat die Entscheidung aber auch Bedeutung für die Frage, welche Anforderungen an die Anspruchsbegründung zur Höhe gegen den Dienstgeber zu stellen sind. Das LAG stellt fest, dass die vorliegenden Unterlagen eine Schätzung der Höhe durch das Gericht nicht zulassen. Auch ein herbeigezogener Sachverständiger konnte zu den Berechnungsgrundlagen der Leistung keine weiteren Auskünfte erteilen.
Da die Parteien wegen der Kosten auf eine weitere Begutachtung verzichtet hatten, hat das LAG über die Frage der Darlegungs- und Beweislast entschieden. Dazu weist das Gericht darauf hin, dass die Versorgungsempfängerin von ihrem Arbeitgeber eine nachprüfbare Rentenberechnung verlangen kann. Dies führt dazu, dass sie ihrer Darlegungspflicht nachkommt, wenn sie lediglich die vom Arbeitgeber selbst ermittelte Versorgung verlangt.
Bewertung
Mit der sorgfältigen Entscheidung des LAG Düsseldorf liegt die nunmehr zweite bekannte Rechtsprechung zu den Leistungskürzungen der PKC vor. Schon das LAG Sachsen hatte die Einstandspflicht des Dienstgebers bei einer Versorgung über die PKC bejaht (u.a. mit Urteil vom 26.11.2021 – 4 Sa 337/20). Diese Entscheidungen stehen am 14.03.2023 beim BAG zur mündlichen Verhandlung an (Az. 3 AZR 197/22; 3 AZR 176/22). Das LAG Düsseldorf befasst sich anders als das ArbG Frankfurt im Urteil vom 11.02.2022, Az. 7 Ca 5585/2 nicht mit der Frage, ob ein Garantiezins zugesagt wurde. Es geht vielmehr im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG davon aus, dass bei der beitragsorientierten Leistungszusage eine Einstandspflicht des Dienstgebers besteht (vgl. auch BAG Urteil vom 13.07.2021, Az. 3 AZR 298/20).
Bedeutsam werden die Ausführungen zur Frage der Darlegungs- und Beweislast sein. Die Aufklärungsmöglichkeiten der PKC zur Höhe der von ihr ausgewiesenen Renten werden sich seit der Entscheidung des LAG Düsseldorf nicht verbessert haben. Das heißt, dass ohne weiteren gutachterlichen Aufwand Kläger mit der Vorlage der Kürzungsbescheide durch die PKC aus dem Jahre 2019 ihrer Darlegungslast nachgekommen können. Es ist danach am Dienstgeber, diese Darlegung zu erschüttern und eine andere (zutreffendere) Höhe nachzuweisen. Zudem wird abzuwarten sein, ob der Hinweis des LAG auf die Berechnungspflicht des Dienstgebers zur Versorgungshöhe zu weiterem Aufwand bei betroffenen Dienstgebern führen wird. Jedenfalls sollten aber die durch die PKC vorgenommenen Berechnungen zunächst ausreichen.
Damit trägt aber klar der Dienstgeber das Risiko der Unaufklärbarkeit der Richtigkeit der Höhe der von der PKC mitgeteilten Rentenhöhen. Der zu entscheidende Fall wird typisch sein für die Fälle der Leistungsabsenkungen durch die PKC. Durch die langen Zeitabläufe sind die eigentlichen Tatsachen zum Zeitpunkt des etwaigen Eintritts der Einstandspflicht nicht mehr bekannt. Dies geht zu Lasten des früheren Dienstgebers.
Insoweit werden auch die Entscheidungen des BAG am 14.03.2023 abzuwarten sein.
Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf, Urteil vom 15.06.2022 - 12 Sa 569/20
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