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LAG Rheinland-Pfalz: Kein Schadensersatz für ehemalige Mitarbeiterin wegen Namensnennung in einem Flyer

Die versehentliche Benennung einer ehemaligen Mitarbeiterin in einem Werbeflyer begründet weder einen Schadensersatzanspruch der Mitarbeiterin nach Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), noch stellt sie eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung als Grundlage für einen Schadensersatzanspruch dar.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über einen Schmerzensgeldanspruch der Klägerin wegen der Verletzung von datenschutzrechtlichen Bestimmungen.

Die Klägerin hat mehrere Jahre in einer Senioreneinrichtung der Beklagten gearbeitet, zuletzt als Pflegedienst- und Bereichsleiterin. Das Arbeitsverhältnis endete 2021. Inzwischen ist die Klägerin als Leiterin in einer anderen Senioreneinrichtung beschäftigt. Während ihrer Beschäftigung bei der Beklagten hatte die Klägerin an der Erstellung eines Werbe-Flyers für ihre Senioreneinrichtung mitgewirkt. In diesem wurde sie mit Vor- und Nachnamen als Ansprechpartnerin zusammen mit ihrer dienstlichen Telefonnummer benannt.

Die Beklagte verwandte – mehr als ein Jahr nach dem Ausscheiden der Klägerin aus der Einrichtung – im März 2023 versehentlich die nicht angepasste Druckvorlage für den Flyer, um ihn einer regionalen, kostenlosen Wochenendzeitung beifügen zu lassen. Nachdem der Fehler aufgefallen war, entschuldigte sich der Personalleiter der Beklagten umgehend per E-Mail bei der Klägerin und bot ein Gespräch an. Die Klägerin erhob, ohne vorher das Gesprächsangebot wahrzunehmen, Klage auf Schmerzensgeld. Sie sei nach Verteilung der Zeitung von zahlreichen Personen kontaktiert worden und habe sich rechtfertigen müssen. Sie habe Angst, dass der Eindruck einer verbotenen Konkurrenztätigkeit entstehen könnte, die zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung durch ihren neuen Arbeitgeber führen könne. Auch befürchte sie, dass Personen die Flyer aufheben und sie in Zukunft kontaktieren könnten.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin die behauptete persönliche und psychologische Beeinträchtigung auf Grund des Datenschutzverstoßes nicht schlüssig dargelegt habe. Die von der Klägerin benannten Zeugen seien ihre Freunde und Bekannten. Die Gespräche zu dem Werbe-Flyer hätten u.a. in Cafés und bei Besuchen stattgefunden. Es handele sich also um eine temporäre Situation, die keinen tieferen, nachhaltigen Eingriff darstelle. Es bestehe kein Anlass für die Befürchtung der Klägerin, die ganze Region spräche über sie. Auch habe die Klägerin nicht aktiv das Gespräch mit ihrem jetzigen Arbeitgeber gesucht, um die Situation aufzuklären, was ihr mit der E-Mail des Personalleiters leicht möglich gewesen sei.

Das Arbeitsgericht (ArbG) Koblenz hatte in seinem Urteil vom 31. Januar 2024 (Az. 12 Ca 1487/23) der Klage teilweise stattgegeben. Nachdem das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in der Berufung die Klage abgewiesen hatte, wandte sich die Klägerin an das Bundesarbeitsgericht (BAG). Das BAG hat die Klage endgültig verworfen. Das zweitinstanzliche Urteil des LAG Rheinland-Pfalz ist damit rechtskräftig.

Entscheidung

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das LAG ist im Wesentlichen der Argumentation der Beklagten gefolgt.

Die Klägerin habe keinen (immateriellen) Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Dieser Anspruch setzte – unter Verweis auf die Rechtsprechung des BAG und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) – voraus, dass ihr wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden sei. Durch die Nennung der Klägerin im Flyer als Ansprechperson liege mangels deren Einwilligung eine unrechtmäßige Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten, nämlich ihres Vor- und Nachnamens, lange nach Ende des Arbeitsverhältnisses, vor (Art. 6 DSGVO). Dabei hat das LAG dahinstehen lassen, ab wann die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die personenbezogenen Daten der Klägerin zu löschen. Denn 2023 war sie zumindest nicht mehr berechtigt, diese ohne Einwilligung der Klägerin in der Druckvorlage zu verarbeiten. Der Klägerin ist jedoch kein (immaterieller) Schaden entstanden. Bezüglich des Schadens obliegt der Klägerin nach der Rechtsprechung von EuGH und BAG die Darlegungs- und Beweislast. Der Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat lediglich eine Ausgleichsfunktion und soll weder abschrecken noch strafen. Auch negative Gefühle („Befürchtungen“) können diesen Schadensersatzanspruch begründen. Gerichtlich sei aber zu prüfen, ob die negativen Gefühle von Betroffenen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände gemessen an einem objektiven Maßstab als begründet angesehen werden können. Hier habe für die Klägerin sowohl gegenüber ihrem Arbeitgeber als auch gegenüber ihren Freunden und Bekannten die Möglichkeit bestanden, die Situation leicht aufzuklären. Das LAG sah auch keine Gefahr, dass die Klägerin aufgrund aufgehobener Flyer in Zukunft kontaktiert würde, da in den Flyern lediglich ihre dienstliche Telefonnummer angegeben worden sei.

Es bestehe auch kein Schadensersatzanspruch wegen einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Ein Schadensersatzanspruch in Geld setze die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts voraus, die zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung führe und nicht anderweitig zu befriedigen sei. Hierzu seien alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht, der Anlass und Beweggrund des Handelns sowie der Grad des Verschuldens. Hier liege jedoch nur ein Verschulden vor, das nicht über eine mittlere Fahrlässigkeit hinausgehe. Es handele sich um ein bloßes Versehen. Die Beklagte hatte kein Interesse, eine ehemalige Mitarbeiterin als Ansprechpartnerin zu nennen. Es liege also keine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vor. Der unantastbare Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung werde nicht tangiert. Die Ehre der Klägerin, ihr guter Ruf und ihre soziale Anerkennung würden nicht beeinträchtigt. Ein Foto der Klägerin sei nicht veröffentlicht worden. Der Inhalt des Flyers ist nicht ansatzweise geeignet, dem Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit zu schaden.

Bewertung

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Das LAG schließt sich der Rechtsprechung des EuGH und des BAG an, wonach die Klägerin die Darlegungslast für den aus dem Verstoß gegen die DSGVO resultierenden Schaden trägt. „Negative Gefühle“ können zwar einen Anspruch begründen, müssen aber auch im Einzelfall begründet werden. Die Entscheidung kann daher Arbeitgeber bei einem bloßen Versehen, wie im vorliegenden Fall, vor Schadensersatzansprüchen schützen. Angesichts des Prozessrisikos und der Verfahrensdauer ist jedoch eine DSGVO-konforme Praxis der beste Schutz vor Schadensersatzforderungen, insbesondere sind personenbezogene Daten ausgeschiedener Mitarbeitender so schnell wie möglich aus Materialien, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, zu entfernen. Die Entscheidung ist auch auf Caritas-Dienstgeber und Dienstverhältnisse nach den AVR Caritas übertragbar: Das Gesetz über den Kirchlichen Datenschutz (KDG) sieht in § 50 Abs. 1 KDG ebenfalls einen Schadensersatzersatzanspruch vor, der sich nach denselben Voraussetzungen wie Art. 82 Abs. 1 DSGVO richtet.

Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. August 2024, Az. 5 SLa 66/24

Rechtsprechung

Autor/-in: Laura Weber-Rehtmeyer

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