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LAG Hamm: Fristlose Kündigung wegen heimlicher Kaffeepause

Machen Mitarbeitende heimlich Pause, ohne sich auszustempeln, kann dieses Verhalten eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

Sachverhalt

Die schwerbehinderte Klägerin war seit dem Jahr 2013 bei dem Beklagten als Raumpflegerin beschäftigt.

Mitarbeitende des Beklagten halten ihre Arbeitszeit mittels eines elektronischen Arbeitserfassungssystems fest, in das sie sich bei Beginn und am Ende ihrer Arbeitszeit sowie bei Pausen ein- und ausstempeln. Unrichtig erfasste Zeiten können von den Mitarbeitenden korrigiert werden.

Im Oktober 2021 loggte sich die Klägerin um 7:20 Uhr ein und um 11:05 Uhr wieder aus. Gegen 8:30 Uhr besuchte sie ein Café gegenüber ihrer Arbeitsstelle und trank dort für mindestens 10 Minuten mit einer anderen Person Kaffee, ohne sich auszustempeln. Arbeitskollegen erklärte sie unmittelbar davor, dass sie in den Keller gehe. Der Beklagte beobachtete die Klägerin bei ihrem Kaffeebesuch und konfrontierte sie nach ihrer Rückkehr mit seinen persönlichen Beobachtungen. Die Klägerin wies den Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs von sich und behauptete beharrlich, sich im Keller aufgehalten zu haben. Erst unter Vorhalt entsprechender Beweisfotos, räumte die Klägerin ein, ihren Arbeitsort verlassen und sich nicht ausgeloggt zu haben.

Nach Zustimmung des Integrationsamts kündigte der Beklagte der Klägerin fristlos, hilfsweise firstgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

Die Klägerin erhob dagegen Kündigungsschutzklage. Sie habe lediglich versehentlich vergessen, sich auszuloggen. Bei dem Vorfall handle es sich um ein einmaliges und nicht schwerwiegendes Vergehen, sodass eine Kündigung nicht gerechtfertigt sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Entscheidung

Die gegen das Urteil des Arbeitsgerichts eingelegte Berufung der Klägerin war ohne Erfolg, das LAG Hamm hält die außerordentliche Kündigung für wirksam.

In dem Verhalten der Klägerin liege ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB. Die Klägerin habe hier in erheblicher Weise ihre Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Beklagten verletzt, indem sie sich nicht ausgeloggt hat. Entscheidend seien dabei weder die Dauer noch die Häufigkeit des Arbeitszeitbetrugs, sondern der mit dem Vorgehen verbundene Vertrauensverlust. Die Umstände des Falls sprächen hier zudem für ein vorsätzliches und planvolles Vorgehen seitens der Klägerin. Spätestens in dem Zeitpunkt der Konfrontation mit den Beobachtungen des Beklagten, hätte sie ihr Versäumnis einräumen müssen. Mit den stattdessen erfolgten Täuschungs- und Verschleierungsversuchen habe sie den schweren Vertrauensbruch noch erheblich vertieft.

Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung sei zudem nicht zu beanstanden. Einer Abmahnung habe es hier insbesondere aufgrund des auf Heimlichkeit und Verschleierung angelegten Nachtatverhaltens nicht bedurft. Für die Klägerin sei erkennbar gewesen, dass der Beklagte dieses vorsätzliche und nachhaltige Fehlverhalten aufgrund der Schwere ihrer Pflichtverletzung und unabhängig von einer Wiederholungsgefahr nicht hinnehmen konnte. Aufgrund des schweren Vertrauensbruchs sei auch ein Abwarten der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar.

Bewertung

Die Entscheidung stößt angesichts der kurzen Dauer der (soweit gerichtlich festgestellt) einmaligen „Kaffeepause“ und der langen Betriebszugehörigkeit der Klägerin teilweise auf Kritik, überrascht in der Sache aber nicht. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 kann grundsätzlich auch dann vorliegen, wenn es sich lediglich um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat, der nur zu einem geringen wirtschaftlichen Schaden geführt hat. Denn relevant ist vielmehr, dass das Vorgehen zu einem (irreparablen) Vertrauensverlust geführt hat. Bemerkenswert ist, dass das Gericht dies hier nicht in erster Linie aufgrund des unterlassenen Ausstempelns bejahte, sondern aufgrund des Nachtatverhaltens der Klägerin. Dass sie, vom Beklagten konfrontiert, vehement leugnete, sich pflichtwidrig verhalten zu haben, fiel hier besonders schwer ins Gewicht und machte nach Ansicht des LAG Hamm sowohl eine Abmahnung entbehrlich als auch das Fortsetzen des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar.

Die fristlose Kündigung aufgrund einer Kaffeepause war hier also angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls wirksam. Da die Rechtmäßigkeit von Kündigungen stets nur unter Würdigung und Abwägung aller im Einzelfall vorliegenden Umstände und Faktoren beurteilt werden kann, ist die Entscheidung nicht ohne Weiteres auf andere Sachverhalte übertragbar. Die Kündigung bleibt weiterhin ultima ratio. Daher ist es nach wie vor ratsam, Mitarbeitende bei Arbeitszeitbetrug mit weniger gravierenden Begleitumständen zunächst abzumahnen. Dies halten Teile der Rechtsprechung im Übrigen bei einer wie vorliegend vergleichsweise kurzen Zeitspanne einer bewussten Falschdokumentation auch grundsätzlich für erforderlich.

Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm, Urteil vom 27.01.2023, Az. 13 Sa 1007/22

Rechtsprechung

Autor/-in: Yolanda Thau

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