Zum Hauptinhalt springen

LAG Baden-Württemberg: Unrechtmäßige Freistellung ungeimpfter Pflegekraft

Die Freistellung einer ungeimpften Pflegekraft war unzulässig. Trotz der bis 31.12.2022 geltenden einrichtungsbezogenen Impflicht hätte zuvor ein Tätigkeitsverbot durch das Gesundheitsamt ausgesprochen werden müssen.

Sachverhalt

Die Arbeitnehmerin ist seit 2011 in einer Pflegeeinrichtung in Kornwestheim als Pflegehelferin in der Altenpflege tätig. In der Zeit vom 15. März bis 31. Dezember 2022 galt für diese Einrichtung die einrichtungsbezogene Impflicht. Die Arbeitnehmerin hat sich trotz fehlender medizinischer Kontraindiktion nicht gegen Covid impfen lassen und war auch nicht genesen. Der Arbeitgeber stellte sie aufgrund dessen von der Arbeit frei. Das Gesundheitsamt hatte zu diesem Zeitpunkt kein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot verhängt.

Ab der Freistellung zahlte der Arbeitgeber kein Entgelt mehr. Die Arbeitnehmerin verlangte vor Gericht, beschäftigt zu werden und außerdem Annahmeverzugsvergütung für die Zeiten der Nichtbeschäftigung.

Entscheidung

Das LAG Baden-Württemberg hat entschieden, dass die Freistellung der Arbeitnehmerin zu Unrecht erfolgte. Nach Auffassung des Gerichts bestand während der im Rahmen der in § 20a IfSG verankerten sogenannten einrichtungsbezogenen Impfpflicht kein gesetzliches Tätigkeitsverbot. Zumindest nicht für bereits vor dem 16. März 2022 beschäftigte Arbeitnehmende, die ihrem Arbeitgeber – entgegen § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG – keinen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen konnten. Die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes für bereits Beschäftigte habe gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG das zuständige Gesundheitsamt als ermessensgeleitete Einzelfallentscheidung treffen müssen. Ohne eine solche Anordnung durch das Gesundheitsamt sei der Arbeitgeber nicht berechtigt gewesen, solche Arbeitnehmende pauschal unbezahlt von der Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen. Der Arbeitgeber sei insbesondere auch nicht berechtigt gewesen, diese Beschäftigten kraft seines Weisungsrechts vor einer Entscheidung des Gesundheitsamts freizustellen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) wurde zugelassen.

Bewertung

Viele Arbeitgeber haben ungeimpftes Personal aufgrund der in der Zeit vom 15. März bis 31. Dezember 2022 geltenden einrichtungsbezogenen Impfpflicht unbezahlt von der Arbeit freigestellt. Ob dieses Vorgehen rechtmäßig war, beschäftigt die Gerichte immer wieder. Leider führt auch das Urteil des LAG Baden-Württemberg nicht zu einer abschließenden Klärung, da zum Beispiel das Hessisches Landesarbeitsgericht in einem ähnlich gelagerten Fall in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren entschieden hat, dass der Arbeitgeber die Pflegekraft freistellen durfte. Der Arbeitnehmer könne nicht verlangen, in seinem Arbeitsverhältnis weiter beschäftigt zu werden. Der erforderliche Impfnachweis wirke aufgrund der gesetzlichen Regelung im Infektionsschutzgesetz wie eine berufliche Tätigkeitsvoraussetzung. Bei der gebotenen Abwägung der Interessen habe die Heimleitung den Arbeitnehmer freistellen dürfen. Das schützenswerte Interesse der Bewohner des Seniorenheims, vor einer Gefährdung ihrer Gesundheit oder gar ihres Lebens bewahrt zu werden, überwiege das Interesse des Pflegebeschäftigten, seine Tätigkeit weiter ausüben zu können. Klärung in dieser Rechtsfrage wird nur das BAG bringen können. Die Revision wurde im Fall des LAG Baden-Württemberg jedenfalls zugelassen.

LAG (Landesarbeitsgericht) Baden-Württemberg, Urteil vom 03.02.2023 - 7 Sa 67/22

Rechtsprechung

Autor/-in: Marc Riede Florido Martins

Aktuelles aus der Rechtsprechung

Melden Sie sich zum Newsletter an

Seien Sie immer einen Schritt voraus:
Erhalten Sie regelmäßig Informationen zu tarifrechtlichen Entwicklungen sowie wichtige Praxishinweise in unserem Dienstgeberbrief!

 

Newsletter abonnieren