LAG Baden-Württemberg: Die Einführung von Desk-Sharing ist nur teilweise mitbestimmungspflichtig
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle, deren Regelungsgegenstand die Einführung und Umsetzung eines Planungskonzepts sein soll, das die Nutzungsflächen der Büroräume umgestaltet und umdefiniert, insbesondere ein „Desk Sharing“ und damit verbunden den „Clean Desk“.
In dem beteiligten Unternehmen gab es Großraumbüros, in denen die Mitarbeitenden ihre persönlichen Arbeitsplätze hatten. Diese waren teilweise mit Trennwänden voneinander separiert. Das Unternehmen plante die Nutzungsflächen der Büroräume umzugestalten und ein Desk-Sharing-Modell sowie eine Clean-Desk-Policy einzuführen. Es präsentierte dem Betriebsrat im Oktober 2023 das neue Konzept. Das Gremium verlangte, entsprechend den Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und § 111 BetrVG) in die Planung und Umsetzung einbezogen zu werden.
Entscheidung
Das LAG Baden-Württemberg sah ein Mitbestimmungsrecht zumindest teilweise als gegeben, nachdem das Arbeitsgericht Heilbronn zuvor den Antrag des Betriebsrats noch zurückgewiesen hatte.
Das LAG stellte fest, dass die Einführung und Umsetzung eines Desk-Sharing-Modells sowie der damit einher gehenden Clean-Desk-Policy zwar nicht im Gesamten, aber in Teilbereichen mitbestimmungspflichtig sein kann.
Das LAG Baden-Württemberg stellte in seinem Beschluss zunächst klar, dass Arbeitgeber grundsätzlich ein Desk-Sharing-Modell und eine Clean-Desk-Policy im Betrieb ohne Mitbestimmung des Betriebsrats einführen können, da dies das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten der Beschäftigten betreffe. Bei der Einführung und Umsetzung des Planungskonzepts könnten jedoch Regelungen zu den genannten Teilbereichen mitbestimmungspflichtig sein, da diese eventuell das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten im Betrieb betreffen.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, wenn es um Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb geht. Aus Sicht des Gerichts kann dies bei den Vorgaben des Arbeitgebers zur Einbringung persönlicher Gegenstände der Arbeitnehmenden gegeben sein. Bei den Regelungen, die bestimmen, welche privaten Gegenstände wie Kleidung, Fotos oder Pflanzen mitgebracht werden dürfen und wie diese vor Beginn und nach Ende der Arbeitszeit im Betrieb aufzubewahren sind, sei nicht auszuschließen, dass sie das Ordnungsverhalten im Betrieb betreffen. Dies gelte auch, wenn solche Vorgaben Teil eines vom Arbeitgeber angeordneten Konzepts zum Desk-Sharing und einer von ihm vorgegebenen Clean-Desk-Policy sind.
Weiterhin könne die „überlagernde Nutzung“ der Büroarbeitsfläche die Ordnung des Betriebs betreffen und damit mitbestimmungspflichtig sein. Das Gericht bezog sich hierbei darauf, dass vorliegend im Planungskonzept verschiedene Bereiche gleichermaßen für Austausch und Arbeit vorgesehen waren. Das schließe nach Meinung des Gerichts nicht aus, dass das betriebliche Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der Arbeitnehmenden betroffen seien. Vielmehr könne eine Doppelwidmung derselben Betriebsfläche sowohl zu Arbeits- als auch zu Pausenzwecken die Ordnung des Betriebs betreffen.
Im Ergebnis stellte das LAG-Baden-Württemberg fest, dass bei beiden Themen nicht ausgeschlossen sei, dass das Ordnungsverhalten im Betrieb im Sinne von § 87 Abs.1 Nr.1 BetrVG berührt sein könne. Daher müsse hierfür eine Einigungsstelle eingesetzt werden.
Bewertung
Das Urteil bringt Klarheit darüber, unter welchen Umständen der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG geltend machen kann. Gleichzeitig klärt das Gericht, welche Maßnahmen des Arbeitgebers als mitbestimmungsfrei gelten und gibt damit wichtige Hinweise für die Praxis. Nicht alle Regelungen im Zusammenhang mit modernen Arbeitsplatzkonzepten wie Desk-Sharing und Clean-Desk-Policies sind mitbestimmungsfrei. Insbesondere Regelungen zur privaten Nutzung und zur überlagernden Nutzung von Betriebsflächen können der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Arbeitgeber sollten daher darauf achten, bei der Einführung solcher Konzepte eine klare Abgrenzung zwischen mitbestimmungsfreien Regelungen des Arbeitsverhaltens und mitbestimmungspflichtigen Regelungen des Ordnungsverhaltens vorzunehmen.
Die Entscheidung ist zumindest teilweise auf den Bereich der Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) übertragbar. Die MAVO kennt Regelungen, die dem § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG vergleichbar sind. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG regelt die Mitbestimmung in Fragen der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Die MAVO regelt in § 29 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 1 Nr. 14 die Anhörung und Mitberatung bei Regelungen der Ordnung und der Festlegung von Grundsätzen zur Gestaltung von Arbeitsplätzen (keine Entsprechung im BetrVG). Insofern gibt es eine gewisse Vergleichbarkeit und damit die Notwendigkeit der Beteiligung. Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied: In der MAVO bewegt man sich als Dienstgeber im Bereich der Anhörung und Mitberatung, d.h. nach der Beteiligung gem. § 29 MAVO kann der Dienstgeber selbst entscheiden.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG BW), Beschluss vom 06.08.2024, Az. 21 TaBV 7/2
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