KAGH: Nur Arbeitsbefreiung für die Teilnahme an einer MAV-Schulung – kein Freizeitausgleich
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Gewährung einer Arbeitsbefreiung für die An- und Abreise zu einer Schulungsveranstaltung.
Die Klägerin ist Vollzeitarbeitnehmerin des Beklagten und Mitglied der beim Beklagten gebildeten Mitarbeitervertretung (MAV). In der Einrichtung besteht eine flexible Arbeitszeitregelung. Danach beginnt die Kernarbeitszeit in der Beratungsstelle um 08.00 Uhr und endet um 17.00 Uhr. Sie kann im Rahmen der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit von wöchentlich 39 Stunden die tägliche Arbeitszeit unter Beachtung der betrieblichen Regelungen eigenverantwortlich festlegen. In der Zeit vom 05.09.2022 bis zum 09.09.2022 nahm die Klägerin an einer Schulungsveranstaltung teil. Die Schulung begann am ersten Tag um 10.00 Uhr und sollte am letzten Tag um 14.45 Uhr enden. Für die An- und Abreise benötigte die Klägerin jeweils 0,7 Stunden.
Der Beklagte schrieb dem Arbeitszeitkonto der Klägerin für die Zeit der Seminarteilnahme pro Tag 7,8 Stunden gut und lehnte eine zusätzliche Berücksichtigung der Reisezeit ab.
Entscheidung
Ein Anspruch der Klägerin auf eine weitere Zeitgutschrift für die An- und Abreisezeit zu der MAV-Schulung vom 05. bis zum 09.09.2022 besteht nicht. Er folgt weder aus § 16 MAVO noch aus § 15 MAVO.
§ 16 Absatz 1 MAVO gewährt Mitgliedern der MAV für die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Bezüge, nicht aber Freizeitausgleich für die Dauer der Schulungsveranstaltungen und den dazugehörenden Reisezeiten, die ganz oder teilweise außerhalb der Arbeitszeit liegen. Es bestehe auch keine Regelungslücke, die durch eine Analogie zu § 15 Absatz 4 MAVO zu schließen wäre. Nehmen teilzeitbeschäftigte Mitglieder der MAV an ganztägigen Schulungen oder vollzeitbeschäftigte Mitglieder an Schulungen an arbeitsfreien Tagen teil, erbringen sie ein besonderes Freizeitopfer. Die erhebliche Benachteiligung für teilzeitbeschäftigte MAV-Mitglieder hat der kirchliche Gesetzgeber in Anlehnung an die staatliche Regelung in § 37 Absatz 6 BetrVG durch die Einfügung des Satzes 3 in § 16 Absatz 1 MAVO im Jahr 2010 beseitigt. Danach haben teilzeitbeschäftigte Mitglieder der MAV einen Anspruch auf Freizeitausgleich, wenn sie an erforderlichen Schulungsveranstaltungen teilnehmen, die außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit liegen. Allerdings ist der Umfang des Anspruchs pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Mitglieds der MAV.
Aus der vorgenommenen Begrenzung des Ausgleichsanspruches in § 37 Absatz 6 BetrVG ergibt sich, dass nach wie vor Freizeitopfer bei Schulungsteilnahmen nicht generell ausgeschlossen werden sollten. Das wäre weder mit der Kennzeichnung der Tätigkeit als Ehrenamt noch mit § 78 Satz 2 BetrVG vereinbar. Wenn die vollzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglieder einen unbeschränkten Ausgleichsanspruch hätten, könnte auch die bezweckte Gleichbehandlung der Betriebsratsmitglieder nicht erreicht werden, weil den teilzeitbeschäftigten Mitgliedern dann bei Teilnahme an derselben Schulung ggf. weiterhin ein Freizeitopfer abverlangt würde.
Dem kirchlichen Gesetzgeber ging es bei der Ergänzung in § 16 Absatz 1 Satz 3 MAVO erkennbar um eine Gleichbehandlung der MAV-Mitglieder in Parallele zu den Regelungen des BetrVG. Die Regelung stellt klar, dass das teilzeitbeschäftigte Mitglied der MAV einen Anspruch auf Freizeitausgleich hat, wenn es an einer erforderlichen Schulung außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit teilnimmt. Dieser Anspruch ist allerdings beschränkt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Mitglieds der MAV.
Bewertung
Konsequent und richtig verfolgt der KAGH seine Linie weiter, die er bereits mit dem Urteil vom 25.04.2008 (Aktenzeichen M 02/2008) eingeschlagen hatte. Es stellt keine ungerechtfertigte Benachteiligung des MAV-Mitglieds dar, wenn die An- und Abreisezeit zu erforderlichen Schulungen nach § 16 MAVO im Einzelfall nicht – wie Dienstreisezeiten zu beruflichen Zwecken – als Arbeitszeit behandelt wird. Der kirchliche Gesetzgeber darf – ebenso wie der staatliche – Differenzierungen mit Rücksicht auf das Ehrenamtsprinzip vornehmen.
KAGH (Kirchlicher Arbeitsgerichtshof), Urteil vom 17.05.2024, Aktenzeichen M 08/2023
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