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KAGH: Keine Beteiligung der Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter nach § 28a Abs. 3 MAVO vor Abmahnung

Die Präventionsnorm des § 28a Abs. 3 MAVO setzt „ernsthafte Schwierigkeiten“ in einem Beschäftigungsverhältnis einer schwerbehinderten Person voraus, die dieses Beschäftigungsverhältnis gefährden können. Eine solche Gefährdung tritt nicht bereits im Vorfeld einer Abmahnung ein, sondern erst dann, wenn die Abmahnung – nach vorheriger Anhörung der Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeitenden gem. § 52 MAVO – vom Dienstgeber ausgesprochen worden ist.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über ein Beteiligungsrecht der Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter nach § 28 a Abs. 3 MAVO vor Ausspruch einer Abmahnung. Die Klägerin ist die bei der Beklagten gewählte Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter. Die MAVO findet Anwendung. Es besteht eine Mitarbeitervertretung, deren Vorsitzender ein schwerbehinderter Mitarbeiter ist.

Mit Schreiben vom 10.07.2023 wurde gegenüber dem schwerbehinderten Vorsitzenden der MAV eine „Abmahnung wegen grober Arbeitspflichtverletzung“ ausgesprochen, weil dieser unter anderem das bei einer Krankmeldung zu beachtende Verfahren nicht eingehalten habe.

Mit Schreiben vom 18.08.2023 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass das Beteiligungsverfahren nach § 28 a Abs. 3 MAVO im Fall des von der Abmahnung betroffenen Mitarbeiters nicht eingehalten worden sei und forderte die Beklagte auf, die Beteiligung der Vertrauensperson nach § 28 a Abs- 3 MAVO unverzüglich nachzuholen. Die Beklagte lehnte dies mit dem Hinweis ab, dass ein Verstoß gegen § 28 a Abs. 3 MAVO schon mangels Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliege. In dem weiteren Schriftwechsel verwies die Beklagte darauf, dass die von der Klägerin erbetene Anhörung nach § 178 Abs. 2 SGB IX stattgefunden habe und die Abmahnung nicht zurückgenommen werde.

Das Kirchliche Arbeitsgericht (KAG) hat der Klage mit Urteil vom 11.03.2024 stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Revision eingelegt.

Entscheidung

Der KAGH gab der Revision der Beklagten statt. § 28 a Abs 3 Rahmen-MAVO regelt wie § 167 Abs. 1 SGB IX Pflichten des Dienstgebers zum Schutz des Beschäftigungsverhältnisses schwerbehinderter Menschen. Der Zweck dieser Präventionsnorm, die ein Erörterungsrecht vorsieht, besteht darin, Kündigungen oder Gefährdungen von Arbeitsverhältnissen zu verhindern.

Daneben enthält § 52 Abs. 2 Satz 1 MAVO in Übernahme der Regelung des § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ein weitergefasstes Beteiligungsrecht. Danach ist der Dienstgeber verpflichtet, die Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter in allen Angelegenheiten, die einen Einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Sinn und Zweck des Anhörungsrechts zielen darauf ab, der Schwerbehindertenvertretung die Möglichkeit zu geben, an der Willensbildung des Arbeitgebers mitzuwirken. Zu unterrichten und anzuhören ist die Vertrauensperson infolge der weiten Fassung der Norm auch bei Abmahnungen, selbst wenn die Abmahnung in keinem Zusammenhang mit der Schwerbehinderung steht. Diese Beteiligung war zwischen den Parteien aber auch nicht strittig.

Die Präventionsnorm des § 28 a Abs. 3 MAVO setzt dagegen „ernsthafte Schwierigkeiten“ in einem Beschäftigungsverhältnis einer schwerbehinderten Person voraus, die dieses Beschäftigungsverhältnis gefährden können.

Eine solche Gefährdung tritt nicht bereits im Vorfeld einer Abmahnung ein, sondern erst dann, wenn die Abmahnung – nach vorheriger Anhörung der Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – vom Dienstgeber ausgesprochen worden ist. Die Abmahnung ist keine Sanktionsmaßnahme und keine „Bestrafung“ des Mitarbeiters, sondern Ausfluss des arbeitsvertraglichen Rügerechts und des Glaubens des Dienstgebers daran, dass der Mitarbeiter sich in Zukunft vertragstreu verhalten werde und eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses dadurch gerade verhindert werden kann. Die Abmahnung gefährdet also nicht das Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 28 a Abs. 3 MAVO, sondern sie sichert es. Ernsthafte Schwierigkeiten im Sinne des § 28 a Abs. 3 MAVO entstehen erst nach Ausspruch einer Abmahnung mit der damit zusammenhängenden Warnfunktion bei erneuten Vertragsverletzungen, die aufgrund der bereits ausgesprochenen Abmahnung zu einer Kündigung führen können.

Bewertung

Die Entscheidung des KAGH ist zutreffend und nachvollziehbar. Das Gericht arbeitet deutlich den Unterschied zwischen den einzelnen Schutzvorschriften für schwerbehinderte Mitarbeiter heraus. Zwischen § 52 Abs. 2 MAVO und § 28 a Abs. 3 MAVO besteht ein Abstufungsverhältnis.

Die Vertrauensperson der Schwerbehinderten ist vor Erteilung einer Abmahnung an einen schwerbehinderten Menschen nach § 52 Absatz 2 Satz 1 MAVO zu unterrichten und vor einer Entscheidung zu hören. Der Vertrauensperson soll ermöglicht werden, auf eine sachdienliche Behandlung hinzuwirken, wenn die Belange eines schwerbehinderten Mitarbeiters für die Entscheidung des Arbeitgebers erheblich sind.

Für den Beginn des weitergehenden Präventionsverfahrens nach § 28 Absatz 3 MAVO muss es demgegenüber dabei verbleiben, dass „ernsthafte Schwierigkeiten“ auftreten, die zu einer Bestandsgefährdung führen können. Eine solche Eskalation liegt vor, wenn die Abmahnung tatsächlich ausgesprochen und zur Personalakte genommen wird.

Kirchlicher Arbeitsgerichtshof (KAGH), Urteil vom 29.11.2024, Az. M 02/2024

Rechtsprechung

Autor/-in: Marc Riede Florido Martins

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