KAGH: Ausführungsdekrete bedürfen zur Wirksamkeit der öffentlichen Bekanntmachung und werden durch neu gefasste Kirchengesetze ersetzt
Sachverhalt
Klägerin und Revisionsbeklagte im Verfahren war eine kirchliche Stiftung privaten Rechts, die in ihrer Satzung die Geltung des kirchlichen Arbeitsrechts festgeschrieben hatte. Im Mai 2000 hatte das für die Stiftung zuständige bischöfliche Ordinariat für die spätere Klägerin eine Ausführungsregelung zur Bildung und Wahl von Gesamtmitarbeitervertretungen erlassen, unter anderem da die MAVO und insbesondere die für das Bistum geltende MAVO zur damaligen Zeit nur ansatzweise Regelungen zur Bildung einer Gesamtmitarbeitervertretung (G-MAV) enthielt. Nach der Neufassung des § 24 MAVO stimmten 12 der 17 bei der Klägerin existierenden Mitarbeitervertretungen (MAV) über die Bildung einer G-MAV auf der Grundlage des § 24 MAVO ab, wobei 11 der 12 abstimmenden MAVen mit „ja“ stimmten. Das Abstimmungsergebnis wurde durch die federführende MAV per E-Mail am 22.11.2022 den anderen MAVen und dem Vorstand der Klägerin mitgeteilt. In dieser E-Mail wurde auch auf die konstituierende Sitzung der G-MAV am 04.01.2023 hingewiesen.
Nachdem sich die neue G-MAV am 04.01.2023 konstituiert hatte, erhob die Stiftung am 05.04.2023 Klage zum Kirchlichen Arbeitsgericht Rottenburg-Stuttgart und beantragte, die Nichtigkeit, hilfsweise die Unwirksamkeit der Bildung der G-MAV festzustellen. Als Begründung führte die Klägerin aus, dass § 24 MAVO nicht einschlägig sei, und dass die Bildung der G-MAV vielmehr nach den Vorgaben der für die Klägerin geltenden Ausführungsregelung zur Bildung und Wahl von G-MAVen hätte stattfinden müssen. Mit Urteil vom 22.05.2023 gab das Kirchliche Arbeitsgericht Rottenburg-Stuttgart der Klägerin Recht und erklärte die Bildung der G-MAV für unwirksam.
Gegen dieses Urteil legte die beklagte G-MAV Revision ein und legte dar, dass die stiftungsinterne Ausführungsregelung zur Bildung und Wahl von G-MAVen niemals öffentlich bekannt gemacht (promulgiert) und selbst, wenn sie trotz fehlender Veröffentlichung wirksam geworden sei, mittlerweile durch die neugefasste MAVO mit deren neuen Vorschriften zur Bildung von G-MAVen überholt worden sei. Die klagende Stiftung trug indessen vor, dass die Bildung der G-MAV schon deshalb unwirksam sei, weil die Unterrichtungs-E-Mail vom 22.11.2022 nicht dem Schriftlichkeitsgebot des § 24 Abs. 3 Satz 6 MAVO genügt habe.
Entscheidung
In seinem Urteil stellte der KAGH fest, dass die Bildung der G-MAV innerhalb der klagenden Stiftung auf der Grundlage des § 24 Abs. 1 und Abs. 3 MAVO erfolgen konnte, denn der KAGH konnte nicht feststellen, dass die von § 24 MAVO abweichende stiftungsbezogene Ausführungsregelung zur Bildung und Wahl von G-MAVen aus dem Jahr 2000 wirksam in Kraft gesetzt worden war. Im Gegenteil, nach den Ausführungen des KAGH käme eine Geltung dieser Ausführungsregelung nur in Frage, wenn ein Inkraftsetzungsakt in Form einer Veröffentlichung festgestellt werden könne. Nach Can. 7 CIC tritt ein Kirchengesetz nur dann in Kraft, wenn es promulgiert wird. Eine Promulgation erfordert nach Can. 8 § 2 CIC die Veröffentlichung eines Kirchengesetzes in einem Kirchlichen Amtsblatt. Gleiches gilt, so führt der KAGH weiter aus, nach Canon 31 §§ 1 und 2 CIC auch für allgemeine Ausführungsdekrete. Da die Klägerin aber nicht habe nachweisen können, dass die für sie geltende Ausführungsregelung im Kirchlichen Amtsblatt veröffentlicht worden sei, müsse man zu dem Ergebnis kommen, dass die Ausführungsregelung niemals wirksam in Kraft getreten sei.
Selbst wenn man annehmen wollte, dass eine solche Veröffentlichung vorliege, so müsse man zu dem Ergebnis kommen, dass die für die Klägerin geltende Ausführungsregelung spätestens mit der MAVO-Novelle 2017 außer Kraft getreten sei. Nach dem sog. Rangprinzip, so führt es der KAGH aus, gilt ab diesem Zeitpunkt die in dem neugefassten § 24 MAVO durch bischöfliches Gesetz getroffene Regelung zur Bildung von G-MAVen und verdrängt inhaltsgleiche untergesetzliche Regelungen. Da die neugefasste MAVO eine umfassende Neuordnung der Materie zur Bildung von G-MAVen enthalte, seien also besondere Regelungen zur Schaffung von G-MAVen (wie die in Rede stehende Ausführungsregelung zur Bildung und Wahl von G-MAVen aus dem Jahr 2000) mit dem Inkrafttreten der neugefassten MAVO obsolet.
Im Hinblick auf die Unterrichtungs-E-Mail vom 22.11.2022 stellt der KAGH fest, dass diese E-Mail das Schriftlichkeitsgebot des § 24 Abs. 3 Satz 6 MAVO erfüllt. Die schriftliche Mitteilung des Abstimmungsergebnisses über die Bildung einer G-MAV an den Dienstgeber setzt nach Ansicht des KAGH gerade nicht eine eigenhändige Unterschrift voraus (§ 126 Abs. 1 BGB), vielmehr reiche hier die Einhaltung der Textform im Sinne des § 126b BGB aus, denn die §§ 126 ff. BGB gelten für Rechtsgeschäfte, eine Mitteilung nach § 24 Abs. 3 Satz 6 MAVO sei aber kein Rechtsgeschäft, sondern eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, für die die Textform ausreiche. Der KAGH stützt sich hierbei auf die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts (BAG), das in vergleichbaren Fällen die Textform genügen lasse.
Bewertung
Mit dieser Entscheidung schließt sich der KAGH einmal mehr der Rechtsprechung des BAG an, das wiederholt bei Mitteilungen von Betriebsräten an den Arbeitgeber über die Schrift-, besser Textform zu entscheiden hatte. Die Entscheidung, wonach eine E-Mail dem Schriftlichkeitserfordernis des § 24 Abs. 3 Satz 6 MAVO genügt, soweit es sich lediglich um eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung handelt, ist konsequent und gut begründet.
Wichtiger ist aber, dass der KAGH mit dieser Entscheidung Klarheit über das Verhältnis zwischen kirchlichem Gesetzesrecht und untergesetzlichen Umsetzungsakten bzw. Ausführungsdekreten schafft. Es bleibt abzuwarten, ob nach dieser Entscheidung weitere Rechtsstreitigkeiten an die Kirchlichen Gerichte herangetragen werden, in denen zumindest inzident über die Geltung solcher Ausführungsdekrete zu entscheiden ist.
Kirchlicher Arbeitsgerichtshof (KAGH), Urteil vom 17.05.2024, Az. M 07/2023
Rechtsprechung