BAG: Vorlage digitaler Bewerbungsunterlagen zur Unterrichtung des Betriebsrats bei Einstellungen ausreichend
Sachverhalt
Ein Unternehmen verwendete zur Verwaltung von Stellenausschreibungen eine Recruiting-Software.
Über Bewerbungsverfahren konnte der Betriebsrat sich durch Einsicht in bestimmte Datenfelder des Recruiting-Programms informieren. Die Felder enthielten u.a. die persönlichen Angaben des Bewerbers, sein Anschreiben, seinen Lebenslauf sowie Zeugnisse und Zertifikate.
Im Frühjahr 2021 schrieb das Unternehmen die Stelle eines „Prozess- und Projektspezialisten Technik“ aus. Darauf gingen 33 externe Bewerbungen ein. Die Bewerbungsunterlagen wurden im Programm „Recruiting“ hinterlegt.
Im Juni 2021 bat die Geschäftsleitung den Betriebsrat um Zustimmung zu der beabsichtigten Einstellung von Herrn G. auf der oben genannten Stelle zum 1. Oktober 2021.
Nachdem dem Betriebsrat Protokolle der Bewerbungsgespräche und die Stellenbeschreibung nachgereicht worden waren, verweigerte er die Zustimmung zu der geplanten Einstellung rechtzeitig sowie schriftlich unter Angabe von behaupteten Verweigerungsgründen.
Die Vorinstanzen entschieden zugunsten des Arbeitgebers (Arbeitsgericht Halle, Beschluss vom 10.11.2021, 7 BV 71/21 NMB und Beschluss vom 16.03.2022, 3 BV 84/21 NMB; LAG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 13.10.2022, 2 TaBV 1/22).
Entscheidung
Das BAG bestätigte die Entscheidung des LAG. Der vom Arbeitgeber gestellte Antrag auf Ersetzung der Zustimmung war begründet.
Die gerichtliche Zustimmungsersetzung gemäß § 99 Abs.4 BetrVG setzt eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats gemäß § 99 Abs.1 Satz 1 BetrVG voraus.
Eine korrekte Unterrichtung lag hier vor, so das BAG. Insbesondere kam das Unternehmen seiner Verpflichtung gemäß § 99 Abs.1 Satz 1 BetrVG nach, dem Betriebsrat die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen.
Der Arbeitgeber war nicht verpflichtet, die ihm nur digital vorliegenden Bewerbungsunterlagen der 33 Bewerber in Papierform vorzulegen. Eine solche Pflicht lässt sich § 99 Abs.1 Satz 1 BetrVG nicht entnehmen. Der Arbeitgeber, der den Bewerbungsprozess um eine ausgeschriebene Stelle mithilfe eines Softwareprogramms digital durchführt, genügt seiner Pflicht zur Vorlage der Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat, wenn er dessen Mitgliedern für die Dauer des Zustimmungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 BetrVG ein auf die im Programm hinterlegten Bewerbungsunterlagen bezogenes – mithilfe von zur Verfügung gestellten Laptops jederzeit nutzbares – Einsichtsrecht gewährt und die Möglichkeit besteht, Notizen anzufertigen.
Diese Voraussetzungen einer digitalen Einsichtnahme durch die Betriebsratsmitglieder lagen im Streitfall vor. Daher war der Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet worden.
Im Übrigen lag das von ihm in Anspruch genommene Recht zur Verweigerung der Zustimmung gemäß § 99 Abs.2 Nr.3 BetrVG im Streitfall nicht vor, so das BAG.
Bewertung
Die Entscheidung des BAG ist zutreffend. Die zwischen den Parteien streitige Frage ist weniger, ob unter den Begriff der „Vorlage“ von Unterlagen im Sinne von § 99 Abs.1 Satz 1 BetrVG auch die Ermöglichung des digitalen Zugriffs auf digital vorhandene Bewerbungsunterlagen fällt.
Vielmehr geht es darum, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, die ihm über ein Bewerberportal übersandten Bewerbungsunterlagen, über die er nur in digitaler Form verfügt, auszudrucken, um sie sodann dem Betriebsrat in Papierform zu überlassen.
Diese Frage hat das BAG zurecht verneint. Denn das Gesetz geht davon aus, dass der Arbeitgeber nur gehalten ist, die ihm selbst übermittelten („Original“-)Unterlagen dem Betriebsrat zur Einsichtnahme zu überlassen. Wenn Unterlagen dem Arbeitgeber aber nur in digitaler Form zur Verfügung stehen, muss auch der Betriebsrat damit leben.
Diese Entscheidung ist auch auf den Geltungsbereich der MAVO übertragbar. In § 34 MAVO findet sich eine ähnliche Regelung wie in § 99 BetrVG. Auch hier ist beim Einstellungsverfahren die Mitarbeitervertretung zu unterrichten und sind dieser Unterlagen vorzulegen. Im Detail unterscheidet sich die Regelung, aber die tragenden Argumente des BAG sind zu übertragen.
Bundesarbeitsgericht (BAG), Beschluss vom 13.12.2023, 1 ABR 28/22
Rechtsprechung