BAG: Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds
Sachverhalt
Der Kläger ist seit 2013 als Notfallsanitäter in Vollzeit bei einem Rettungsdienst beschäftigt. Seine Tätigkeit übte er ausschließlich in Wechselschicht aus, wofür er – tarifvertraglich geregelt – eine Wechselschichtzulage erhielt. Ab März 2020 wurde er Teil des Betriebsrats und dafür zunächst zu 80 Prozent, ab 2022 dann zu 100 Prozent von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Weil er seine Betriebsratstätigkeit nicht mehr im Schichtmodel ausübte, sondern zu den üblichen Bürozeiten von Montag mit Freitag in der Zeit von 8 bis 17 Uhr, zahlte der Arbeitgeber ihm die Wechselschichtzulage nicht mehr. Das begründete er damit, dass die tarifvertraglichen Voraussetzungen für eine Wechselschichtzulage wegen der fehlenden tatsächlichen Arbeitsleistung in Wechselschicht nicht mehr vorliegen würden. Der Kläger wehrte sich und verlangte vor Gericht die Zahlung der tariflichen Wechselschichtzulage. Das Landesarbeitsgericht (LAG) verneinte den Anspruch des Sanitäters auf die geforderte Schichtzulage.
Entscheidung
Das BAG hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zurück an das LAG.
Das LAG hatte in seinem Urteil angenommen, dass der Anspruch des Betriebsrats auf Zahlung der Wechselschichtzulage ausgeschlossen sei, weil dieser de facto als Betriebsrat tagsüber und nicht während zuschlagpflichtiger Zeiten, also nicht im Wechselschichtmodell, arbeite. Das BAG sah dies anders. Der Anspruch auf Zahlung der Zulage sei nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Kläger seine Betriebsratstätigkeit zu anderen Zeiten erbringe, als sie für eine Entlohnung nach den tariflichen Regelungen zu erbringen sei. Entscheidend sei vielmehr, wann der Kläger, wenn er nicht als Betriebsratsmitglied von seiner beruflichen Tätigkeit befreit gewesen wäre, seine Arbeitsleistung als Notfallsanitäter erbracht hätte.
Das BAG wies in der Begründung auf das Verbot der Entgeltminderung für Betriebsräte hin. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind diese von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Betriebsratstätigkeit erforderlich ist.
Das BAG stellte fest, dass das Verbot der Minderung des Arbeitsentgelts vorliegend bedeute, dass dem Kläger das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen sei, das er verdient hätte, wenn er keine Betriebsratstätigkeit geleistet, sondern weiterhin als Sanitäter gearbeitet hätte. Die Berechnung der geschuldeten Vergütung nach dem Lohnausfallprinzip erfordere eine hypothetische Betrachtung. Damit komme es auf die Umstände der vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung an, nicht auf die Umstände der Betriebsratstätigkeit.
In welcher Höhe genau dem Betriebsrat die Wechselschichtzulage zusteht, muss nun das LAG feststellen, an das die Sache zurückverwiesen wurde.
Bewertung
Die Entscheidung gliedert sich in eine Reihe von Entscheidungen der letzten Jahre ein, in denen sich das BAG mit Einzelheiten der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern befasst hat. In einer Parallelentscheidung hat das BAG bekräftigt, dass diese Grundsätze auch für Betriebsratsmitglieder gelten, die nur teilweise von der beruflichen Tätigkeit freigestellt sind (BAG, 28.08.2024, 7 AZR 198/23). Mit Urteil vom 29. August 2018 hatte das BAG die Möglichkeit gebilligt, zur rechnerischen Erleichterung eine monatliche Pauschale zur Abgeltung der Zuschläge zu zahlen (7 AZR 206/17). Bei der Ermittlung der Höhe dieser Pauschale ist aber Vorsicht geboten; sie darf keine zusätzliche Vergütung für die Betriebsratstätigkeit darstellen.
Blick in die MAVO:
Auch die Mitglieder der MAV führen ihr Amt gemäß § 15 Absatz 1 MAVO unentgeltlich als Ehrenamt. Indem die Mitglieder der MAV aus der Führung ihres Amtes weder Vorteile noch Nachteile erzielen, wird ihre Unabhängigkeit gestärkt und für alle Mitarbeitenden ebenso wie für den Dienstgeber ersichtlich, dass die Entscheidungen der MAV nicht durch die Gewährung oder den Entzug materieller Vorteile beeinflussbar sind. Die MAVO verbietet jegliches Entgelt für die Amtstätigkeit der Mitglieder der MAV. Als Entgelt in diesem Sinne ist dabei jeder geldliche oder geldwerte Vorteil anzusehen. Anders als in den außerkirchlichen Regelungen der §§ 37, 38 BetrVG enthält § 15 MAVO keine ausdrückliche Regelung der Entgeltfortzahlung während der Freistellung eines MAV-Mitglieds von seiner dienstlichen Tätigkeit.
Eine solche ausdrückliche Benennung ist allerdings auch nicht erforderlich, weil sich der Anspruch bereits direkt aus dem Benachteiligungsverbot des § 18 Abs. 1 MAVO ergibt. Insofern erweitert § 18 Abs. 1a MAVO den Entgeltschutz ausdrücklich auch über das Ende der Mitgliedschaft in der MAV hinaus. Demnach darf das Arbeitsentgelt von MAV-Mitgliedern während und bis zu einem Jahr nach ihrer Amtszeit nicht geringer bemessen sein als das vergleichbarer Mitarbeitender mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Die Entscheidung des BAG ist daher auch auf die MAVO im katholischen Bereich übertragbar.
Am 28. Juni 2024 hat der Bundestag das „Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes" (BetrVG) einstimmig beschlossen. Die Regeln traten am 25. Juli 2024 in Kraft. Mit dem Ziel, mehr Sicherheit für Betriebsräte und Arbeitgeber zu schaffen, enthält das neugefasste BetrVG Klarstellungen zur Betriebsratsvergütung, die im Prinzip die bisherige BAG-Rechtsprechung zu dieser Frage kodifizieren.
§ 37 BetrVG stellt nun klar, dass das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden darf als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmender mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Eine Erhöhung des Entgelts orientiert sich dabei an betriebsüblichen Karrieren von vergleichbaren Arbeitnehmenden.
Das neue Gesetz bildet die bestehende BAG-Rechtsprechung dahingehend ab, dass es die Regelungen in § 37 Abs. 4 BetrVG ergänzt, wonach bei der Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmenden auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen ist, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Zudem ist nun gesetzlich festgelegt, dass Arbeitgeber und Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmender regeln können.
Weiterhin wird nun in § 78 S. 3 BetrVG statuiert, dass eine Begünstigung oder Benachteiligung im Hinblick auf die gezahlte Betriebsratsvergütung nicht vorliegt, wenn das Mitglied die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.
Bundesarbeitsgericht (BAG) Urteil vom 28.08.2024, Az. 7 AZR 197/23
Rechtsprechung