Zum Hauptinhalt springen

BAG: Staatlich geprüfter Techniker hat keinen Anspruch auf Eingruppierung in eine TVöD-Entgeltgruppe für Handwerksmeister

Wichtiger Unterschied zwischen TVöD-V (VKA) und Anlage 33 AVR Caritas

Das Bundesarbeitsgericht hat einem Gruppenleiter einer Werkstatt für behinderte Menschen die Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 8b des TVöD-V (VKA) nicht zugestanden, da der Kläger kein Handwerksmeister ist, sondern über einen Abschluss als staatlich geprüfter Techniker verfügt. Dieses Urteil lässt sich nicht ohne Weiteres auf die Anlage 33 AVR Caritas übertragen. Zwar gibt es sowohl im TVöD-V (VKA) als auch in Anlage 33 AVR Caritas jeweils eine Entgeltgruppe S 8b, beide ähnlich definierten Entgeltgruppen unterscheiden sich jedoch in einem für dieses Urteil wesentlichen Punkt.

Sachverhalt

Der Kläger im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist seit 1994 in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt, zuletzt als Gruppenleiter. Laut seines Arbeitsvertrags gilt für den Kläger der jeweils aktuelle Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, sodass er im Laufe seiner Dienstzeit in den TVöD-V (VKA) übergeleitet wurde und (falls erforderlich) in die jeweils neue Fassung des TVöD-V (VKA) übergeleitet wird. Der Kläger ist staatlich geprüfter Maschinenbautechniker und geprüfte Fachkraft zur Arbeits- und Berufsförderung in Werkstätten für behinderte Menschen. Ferner verfügt er über eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation für Gruppenleiter in Werkstätten für behinderte Menschen. Dementsprechend wurde er im Rahmen der letzten Neufassung des TVöD-V (VKA) in die Entgeltgruppe S 7 übergeleitet, in die „Beschäftigte mit abgeschlossener Berufsausbildung als Gruppenleiter in Ausbildungs- oder Berufsförderungswerkstätten oder Werkstätten für behinderte Menschen“ einzugruppieren sind.

Der Kläger war jedoch der Meinung, dass er als staatlich geprüfter Techniker einem Handwerksmeister gleichgestellt sei, da unter anderem der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) staatliche geprüfte Techniker und Handwerksmeister gleichstelle. Der Kläger forderte daher eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 8b TVöD-V (VKA), die unter anderem für „Handwerksmeister (…) als Gruppenleiter in Ausbildungs- oder Berufsförderungswerkstätten oder Werkstätten für behinderte Menschen“ vorgesehen ist.

Sowohl das erstinstanzlich befasste Arbeitsgericht München als auch das zweitinstanzliche Landesarbeitsgericht München haben die Klage abgewiesen und dessen Berufung zurückgewiesen. Der Kläger scheiterte schließlich auch mit seiner Revision vor dem BAG.

Entscheidung

In seiner Entscheidung stützt sich der Vierte Senat des BAG vor allem auf den Wortlaut der Regelungen des TVöD-V (VKA) und betont dabei, dass die Tarifvertragsparteien bei den Entgeltgruppen S 7 und S 8b TVöD-V (VKA) ausdrücklich zwischen Meistern und Technikern unterschieden haben. Für die Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 8b werde explizit eine Meisterprüfung vorausgesetzt, ohne dass dort gleichzeitig von staatlich geprüften Technikern die Rede sei. Dies lasse nur den Schluss zu, dass in den S-Entgeltgruppen des TVöD-V (VKA) keine Gleichstellung von Technikern mit Meistern gewollt sei. Vielmehr gebe es verschiedene Entgeltgruppen, die ausdrücklich eine bestandene Meisterprüfung als Berufsqualifikation voraussetzten. Die Tarifvertragsparteien seien auch nicht an den DQR gebunden, sondern dürften zwischen Berufsabschlüssen differenzieren, die im DQR grundsätzlich gleichgestellt seien.

Da der Kläger aber keine Meisterprüfung absolviert habe, komme für ihn eine Eingruppierung in Entgeltgruppe S 8b TVöD-V (VKA) nicht in Frage.

Auch der allgemeine Gleichheitssatz aus Artikel 3 Abs. 1 GG werde durch eine Differenzierung zwischen beiden Berufsqualifikationen nicht verletzt, da sich beide Qualifikationen unterscheiden, insbesondere im Hinblick auf die Qualifikation zur Berufsausbildung etc.

Bewertung

Der Entscheidung des BAG, die sich auf die Entgeltgruppen S 7 und S 8b des TVöD-V (VKA) bezieht, ist zuzustimmen. Der Vierte Senat hat sich hier vollkommen richtig am Wortlaut der Entgeltgruppen orientiert und festgestellt, dass eine Eingruppierung in Entgeltgruppe S 8b TVöD-V (VKA) einen Meistertitel als Qualifikation voraussetzt.

Allerdings ist diese Entscheidung nicht ohne Weiteres auf die Anlage 33 AVR Caritas übertragbar. Zwar findet sich auch in Anlage 33 AVR Caritas eine Entgeltgruppe S 8b, diese erfasst aber sowohl „Mitarbeiter mit Meisterprüfung“ als auch „Techniker“, sodass hier eine Gleichstellung von Handwerksmeistern und staatlich geprüften Technikern stattfindet. Die Berufsqualifikationen „Meister“ bzw. „Techniker“ reichen für eine Eingruppierung in diese Entgeltgruppe jedoch nicht aus. Zusätzlich zur jeweiligen Berufsqualifikation ist eine „sonderpädagogische Zusatzqualifikation“ unbedingte Voraussetzung. Hiermit ist grundsätzlich eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation im Sinne der Werkstättenverordnung nach SGB IX gemeint. Damit zeigt die Entgeltgruppe S 8b Anlage 33 AVR Caritas einen wesentlichen Werteunterschied zwischen TVöD-V (VKA) und AVR Caritas auf. Während der TVöD-V (VKA) an dieser Stelle an formalen Berufsqualifikationen orientiert ist, haben sich Dienstgeber- und Mitarbeiterseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas von dem Gedanken leiten lassen, dass die Berufsqualifikation zwar wichtig ist, für eine Tätigkeit in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen aber vordringlich eine besondere pädagogischen Qualifikation nötig ist.

Aus der Sachverhaltsdarstellung des Urteils ergibt sich, dass der Kläger im hier in Rede stehenden Fall über eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation verfügt, ohne dass diese dort näher beschrieben wird. Ob der Kläger also über die in Anlage 33 AVR Caritas festgelegte sonderpädagogische Zusatzqualifikation im Sinne der Werkstättenverordnung oder eine gleichgestellte Qualifikation verfügt, ist aus dem Urteil nicht herauslesbar. Daher ist es zumindest nicht auszuschließen, dass der Kläger in einer Werkstatt für behinderte Menschen der Caritas als staatlich geprüfter Techniker mit sonderpädagogischer Zusatzqualifikation in die Entgeltgruppe S 8b Anlage 33 AVR Caritas einzugruppieren wäre.

Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 12.06.2024, Az. 4 AZR 208/23

Rechtsprechung

Autor/-in: Dr. Florian Bauckhage-Hoffer

Schlagworte

Aktuelles aus der Rechtsprechung

Melden Sie sich zum Newsletter an

Seien Sie immer einen Schritt voraus:
Erhalten Sie regelmäßig Informationen zu tarifrechtlichen Entwicklungen sowie wichtige Praxishinweise in unserem Dienstgeberbrief!

 

Newsletter abonnieren