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BAG: Rückzahlungsklauseln für Studienkosten müssen nach dem Grund des Ausscheidens differenzieren

Eine zu umfassende AGB-Klausel im Ausbildungs- und Studienvertrag, die den Vertragspartner zur Erstattung von Studienkosten verpflichtet, wenn er das Vertragsverhältnis kündigt, ist am AGB-Recht zu messen und kann gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen.

Sachverhalt

Die klagende Bundesbehörde hatte mit der Beklagten einen Ausbildungs- und Studienvertrag für ein ausbildungsintegrierendes duales Studium abgeschlossen. Dem Vertrag wurde die zu diesem Zeitpunkt geltende Richtlinie des Bundes für Ausbildungsverträge in dualen Studiengängen zugrunde gelegt. Das Vertragsmuster sah wie die Richtlinie eine Rückzahlungsverpflichtung der Studienkosten für den Fall einer nicht durch einen wichtigen Grund berechtigten Eigenkündigung des Auszubildenden/Studierenden vor, ebenso für den Fall einer vom Studierenden zu vertretenden Kündigung durch den Ausbildenden. Der Ausbildende sollte danach auf eine Rückzahlungsforderung verzichten können, wenn die Rückzahlung eine besondere Härte für den Studierenden darstellt.

Nach Abschluss des Ausbildungsteils im Sommer 2021 kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis. Die auf Rückzahlung gerichtete Klage wurde vom Arbeitsgericht abgewiesen; die Berufung wurde vom LAG zurückgewiesen. In der Revision stützte die Klägerin den Anspruch zusätzlich auf die Rückzahlungsbedingungen im Tarifvertrag für Studierende in ausbildungsintegrierten dualen Studiengängen im öffentlichen Dienst (TVSöD) vom 20.01.2020.

Entscheidung

Das BAG hat die Revision zurückgewiesen. Dabei hat es die zusätzliche Stützung der Rückzahlungsklage auf den Tarifvertrag als in der Revisionsinstanz unzulässige Erweiterung des Streitgegenstandes angesehen. Bei Anwendung des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs (Antrag plus Lebenssachverhalt) stelle die zusätzliche Argumentation mit den Regelungen des TVSöD durch die Klägerin, die sich bis dahin ausschließlich auf ausbildungsvertragliche Klauseln berufen hatte, keine (zulässige) weitere rechtliche Argumentation dar, sondern die Einbringung eines neuen prozessualen Anspruches in den Prozess und damit eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageerweiterung.

Das BAG hat die im Ausbildungs- und Studienvertrag enthaltene Rückzahlungsklausel, die als AGB eingestuft wurde, als eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten unter Verstoß gegen die Gebote von Treu und Glauben bewertet. (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zwar sind Rückzahlungsklauseln nicht generell unangemessen. Sie müssen aber nach dem Grund des Ausscheidens differenzieren. Verpflichtet eine Rückzahlungsklausel auch zur Rückzahlung, wenn der Grund zur Eigenkündigung aus der Sphäre des Arbeitgebers (Verwenders) stammt, benachteiligt sie den Auszubildenden unzulässig. Eine Klausel, die nur die Eigenkündigung aus wichtigem Grund ausnimmt, ist hingegen zu eng. Die Härtefallklausel lässt die Erstattungspflicht unberührt und führt deshalb nicht zu einer Angemessenheit. Dies gilt auch, obwohl kein Arbeitsverhältnis vereinbart war. Durch die Bleibeklausel bei Angebot eines Arbeitsplatzes nach Abschlussqualifikation werde ein Abschluss- und Bleibedruck ausgeübt.

Bewertung

Die Entscheidung knüpft an die bisherige Rechtsprechung des BAG an, in der es auch bisher auf die Sphäre ankam, in der der Beendigungsgrund liegt. Wird in den AGB zu Rückzahlungsklauseln in Aus- oder Weiterbildungsverträgen wie hier nicht deutlich nach der Sphäre der Verursachung einer Kündigung differenziert, droht eine Unwirksamkeit. Betont wird, dass die drohende Unwirksamkeit einer Rückzahlungsklausel durch eine Härtefallklausel, die zudem eine „Kann-Bestimmung“ ist, nicht beseitigt wird. Erfreulicherweise hat sich das BAG nicht zu der von der Vorinstanz angestellten zusätzlichen Überlegung geäußert, dass eine Unangemessenheit schon dann vorliege, wenn nicht die spätere Tätigkeit genauer konkretisiert ist (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 03.05.2023 Az. 7 Sa 249/22 zu RN 105). Allerdings bedurfte es angesichts der Begründung des BAG wie auch der Vorinstanz einer Ausführung dieses Gedankens nicht.

Die Entscheidung könnte mittelbar auch die AVR Caritas betreffen. Die Rückzahlungsgrundsätze in § 11 des Abschnittes F für ausbildungsintegrierte duale Studiengänge und durch die Verweisung auch für praxisintegrierte Studiengänge nach Abschnitt  G des Teils II der Anlage 7 sind aus dem Wortlaut des § 18 des TVSöD übernommen, der wiederum die Richtlinie des Bundes weitgehend übernommen hat. Da sich das BAG in der hier vorgestellten Entscheidung ausdrücklich nicht zu den Regelungen des TVSöD geäußert hat, bleibt die Frage offen, ob die Überlegungen des BAG auch auf tarifvertragliche Regelungen (wie die des TVSöD) Anwendung finden werden und dies dann auch auf die AVR Caritas als Tarifwerk des Dritten Wegs über § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB übertragen wird. Insoweit wird auch der Evaluation der AVR-Regelungen zu den dualen Studiengängen eine besondere Bedeutung zukommen.

Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 09.07.2024, Az. 9 AZR 227/23

Rechtsprechung

Autor/-in: Marc Riede Florido Martins

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