BAG: Kein Urlaubsverzicht durch Prozessvergleich
Sachverhalt
In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte der Kläger die Abgeltung von sieben Tagen Mindesturlaub für das Jahr 2023 verlangt. Zuvor hatten die Parteien das Arbeitsverhältnis mit gerichtlichem Vergleich vom 31. März 2023 einvernehmlich gegen Zahlung einer Abfindung zum 30. April 2023 beendet. In dem Vergleich hatten sie sich auch darauf verständigt, dass „Urlaubsansprüche in natura gewährt“ worden seien. Problematisch daran war, dass der Kläger das gesamte Jahr 2023 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt war. So hatte die Prozessbevollmächtigte des Klägers in der vorhergehenden Korrespondenz darauf hingewiesen, dass auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht wirksam verzichtet werden könne.
Entscheidung
Dies wurde vom BAG bestätigt. Der Neunte Senat des BAG entschied in seinem Urteil (das bisher nur als Pressemitteilung veröffentlich ist), dass die im Vergleich getroffene Abrede, dass der Urlaub in natura gewährt worden sei, gemäß § 134 BGB insoweit unwirksam sei, als sie den gesetzlichen Mindesturlaub umfasse. Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BurlG könne weder auf den gesetzlichen Mindesturlaub noch auf den Abgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BurlG im Vorhinein verzichtet werden. Der Mindesturlaub dürfe nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Dies gelte selbst dann, wenn bei Abschluss des Vergleichs bereits feststehe, dass der Arbeitnehmer den Urlaub bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr nehmen könne. Bei der Abrede handle es sich auch nicht um einen Tatsachenvergleich, mit dem die Parteien bestehende Unsicherheiten über das Vorliegen eines Urlaubsanspruchs ausräumten. Da der Kläger das gesamte Jahr 2023 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig gewesen sei, gebe es keinen Raum für eine diesbezügliche Unsicherheit. Auf eine solche unwirksame Regelung dürfe man als Arbeitgeber nicht vertrauen, weshalb die nach Abschluss der getroffenen Vereinbarung erfolgte Geltendmachung durch den Kläger nicht gegen Treu und Glauben verstoße. Das BAG sprach dem Kläger daher den Abgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BurlG zu.
Bewertung
Die Entscheidung ist folgerichtig und keine Überraschung. Klar ist, dass auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht wirksam verzichtet werden kann, auch nicht gegen Geld. In Geld lässt sich der Urlaubsanspruch erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses umwandeln, weil er dann tatsächlich nicht mehr genommen werden kann. Der in der Praxis übliche sogenannte Tatsachenvergleich, mit dem die Parteien bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses auch den Urlaub abschließend „als genommen“ regeln, konnte hier nicht durchgehen. Denn ein Arbeitnehmer, der arbeitsunfähig erkrankt ist, kann nicht gleichzeitig Urlaub nehmen. Somit war es faktisch unmöglich, dass der Arbeitnehmer, der das gesamte Jahr 2023 arbeitsunfähig war, zu irgendeinem Zeitpunkt in diesem Jahr Urlaub genommen hatte. Es ist bei solchen Vereinbarungen darauf zu achten, ob überhaupt Zeiträume vorhanden sind, in denen es jedenfalls denkbar ist, dass Urlaub genommen wurde oder wird.
Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 03.06.2025, Az. 9 AZR 104/24
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