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BAG: Die Verpflichtung zur Erteilung einer Entgelt­abrechnung kann der Arbeitgeber durch Einstellen in ein digitales passwort­geschütztes Mitarbeiter­postfach erfüllen

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) in Textform zu erteilende Entgeltabrechnung auch durch Einstellen eines elektronischen Dokuments in ein digitales passwortgeschütztes Mitarbeiterpostfach erfolgen kann. Dabei muss den berechtigten Interessen von Mitarbeitern, die privat nicht über einen entsprechenden Online-Zugang verfügen, Rechnung getragen werden.

Sachverhalt

Die Beklagte ist ein konzernzugehöriges Unternehmen. Durch Konzernbetriebsvereinbarung ist geregelt, dass alle Personaldokumente einschließlich der Entgeltabrechnungen über einen externen Dienstleister bereitgestellt werden und von den Beschäftigten online in einem passwortgeschützten Mitarbeiterpostfach online abrufbar sind. Sofern einem Beschäftigten kein privater Onlinezugang auf das Mitarbeiterpostfach möglich ist, hat der Arbeitgeber zu ermöglichen, die Dokumente im Betrieb auszudrucken. Die Beklagte stellt die Entgeltabrechnungen dementsprechend nur digital zur Verfügung. Die Klägerin widersprach dem und klagte auf weitere Übersendung in Papierform. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht der Berufung der Klägerin stattgegeben (LAG Niedersachsen Urt. v. 16.01.2024 Az. 9 Sa 575/23).

Entscheidung

Das BAG hat der Revision der Beklagten stattgegeben. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO muss der Arbeitgeber eine Entgeltabrechnung in Textform erteilen. Diese Verpflichtung kann er auch durch digitale Bereitstellung in einem passwortgeschützten Mitarbeiterpostfach erfüllen. Anders als das LAG sieht das BAG keine Rechtsfrage den Zugang der Entgeltabrechnung betreffend. Das LAG hatte den Zugang der elektronischen Entgeltabrechnung verneint, weil die Klägerin in die Nutzung des Mitarbeiterpostfachs als Empfangsvorrichtung für Willenserklärungen nicht eingewilligt hatte (so auch LAG Hamm Urt. v. 23.09.2021, Az. 2 Sa 179/21). Demgegenüber sieht das BAG den Anspruch des Beschäftigten auf Abrechnung als Holschuld an, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang beim Beschäftigten verantwortlich zu sein. Er muss dabei den berechtigten Interessen des Beschäftigten Rechnung tragen, der nicht über die Möglichkeit des privaten Online-Zugriffs verfügt. Dem hatte entsprechend der Konzernbetriebsvereinbarung die Beklagte hier durch die Möglichkeit des Ausdrucks im Betrieb Rechnung getragen. Das BAG hat die Sache dennoch an das LAG zurückverwiesen, weil dort keine Feststellungen zur Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats getroffen worden waren.

Bewertung

Das BAG stützt mit seiner derzeit nur als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung eine gängige Praxis der Entgeltabrechnung. Die AVR-Caritas sehen in Buchstabe c) Satz 1 des Abschnittes X der Anlage 1 ebenfalls die Zur-Verfügung-Stellung der Abrechnung vor. Eine Form ist in den AVR nicht vorgeschrieben und die elektronische Bereitstellung ist bei vielen Trägern gängige Praxis. Die Besonderheit im entschiedenen Fall liegt allerdings in der (auch) vom privaten Endgerät möglichen Zugriffsmöglichkeit auf das Mitarbeiterpostfach beim externen Dienstleister. Mit der Argumentation der Holschuld können aber auch bei nur innerhalb des Unternehmensnetzwerks möglichen Zugängen auf im Intranet bereitgestellte Entgeltabrechnungen als ausreichend angesehen werden, wenn eine entsprechende Ausdruckmöglichkeit gegeben ist.

Die digitale Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen war nach der Pressmeldung „in der Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG“ geregelt. Dies entspricht dem einigungsstellenfähigen Tatbestand des § 36 Abs. 1 Nr. 9 MAVO (§ 45 Abs. 1 Nr. 9 MAVO). Der Pressemeldung ist nicht zu entnehmen, ob die zur Zurückverweisung führende Frage der Zuständigkeit sich auf die Ebene der betrieblichen Mitbestimmung bezieht oder auf die generelle Zuständigkeitsfrage, ob überhaupt ein nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG die Zuständigkeit begründender mitbestimmungspflichtiger Tatbestand vorliegt. Daran könnten bei einer isolierten Betrachtung allein der Zurverfügungstellung in digitaler Weise Zweifel bestehen. Insoweit wird die Urteilsbegründung abzuwarten sein.

Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 28.01.2025, Az. 9 AZR 48/24

Rechtsprechung

Autor/-in: Helge Martin Krollmann

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