BAG: Die Befristung eines Anstellungsverhältnisses eines Gemeindepastors ist durch die Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigt
Sachverhalt
Der Kläger war als Gemeindepastor in einem Anstellungsverhältnis bei dem beklagten eingetragenen Verein als einziger Angestellter angestellt. Der Verein pflegt den kirchlichen Dienst für Koreanerinnen und Koreaner im Großraum München. Die gemeinsame Glaubensbasis ist ausweislich der Satzung überdenominationell und reformatorisch. Der Gemeindepastor sorgt für die geistliche seelsorgerische Betreuung der Mitglieder und ist kraft Amtes erster Vorsitzender des als Vorstand bestimmten Gemeinderates.
Das zunächst auf zwei Jahre befristete Arbeitsverhältnis begann am 1. Februar 2013 und wurde zunächst bis zum 31. Dezember 2017 verlängert. Im Dezember 2017 vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien, dass der Arbeitsvertrag beginnend mit dem 1. Januar 2018 für weitere drei Jahre „gemäß der Gemeindeordnung“ gültig sei. Zum Befristungsgrund wurde aufgenommen, dass der „sachliche Grund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) die Eigenart der Arbeitsleistung als Pastor ist und damit das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen den sachlichen Grund für die Befristung bietet“. Darüber hinaus sehe „die Gemeindeordnung der Gemeinde eine Befristung der Amtszeit des Gemeindepastors (Tendenzbetrieb)“ vor.
Vor dem Hintergrund von Unstimmigkeiten über eine Gehaltskürzung lehnte die Mitgliederversammlung des Beklagten eine unbefristete Verlängerung ab. Das Arbeitsverhältnis sollte nach Mitteilung an den Kläger zum 31. Dezember 2020 beendet werden. Hiergegen wendet sich der Kläger u.a. mit einem Befristungskontrollantrag. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Entscheidung
Das BAG hat die Revision des Klägers ebenfalls zurückgewiesen. Es bewertet den Arbeitsvertrag als befristet und die Befristung als durch einen in der Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG liegenden Sachgrund gerechtfertigt. Zunächst bestätigt das BAG, dass § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG in seinem Anwendungsbereich nicht auf besonders verfassungsrechtlich geprägte Arbeitsverhältnisse z.B. im Bereich der Presse- und Rundfunkfreiheit beschränkt sein soll (vgl. BAG 16.01.2018 – 7 AZR 312/16 – Profi-Fussballer), um dann (richtigerweise) herauszuarbeiten, dass auch verkündigungsnahe Arbeitsverhältnisse verfassungsrechtlich geprägt sind. Dabei baut das BAG auf das umfassend zu verstehende Grundrecht des Art 4 Abs. 1 und 2 GG auf. Dieses umfasse auch das Recht, sich aus gemeinsamem Glauben zusammenzuschließen. Der Zusammenschluss wiederum genießt das Recht zu religiöser oder weltanschaulicher Betätigung, zur Verkündigung des Glaubens, zur Verbreitung der Weltanschauung sowie zur Pflege und Förderung des jeweiligen Bekenntnisses. Im Rahmen der korporativen Religionsfreiheit nehmen die Kirchen bei der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten das nicht durch einfaches Gesetz einschränkbare Recht als Korporation der Gläubigen wahr. Dieses kirchliche Proprium ist verfassungsrechtlich geschützt nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG (vgl. RN 18 der Entscheidung).
Bedienen sich Kirchen zur Ausgestaltung einzelner Rechtsverhältnisse der privatrechtlichen Rechtsform, unterliegen diese Rechtsverhältnisse auch den entsprechenden Gesetzen (RN 19), wie dem TzBfG. Bei der Auffüllung dort enthaltener Generalklauseln ist zu berücksichtigen, dass die Einbeziehung kirchlicher Arbeitsverhältnisse in das staatliche Recht die Zugehörigkeit zu den eigenen Angelegenheiten nicht aufhebt. Wie im Beispiel des TzBfG steht das kirchliche Selbstbestimmungsrecht dem Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses nicht entgegen, sondern es gebietet nur, dass die Besonderheit des kirchlichen Dienstes bei der Auslegung zu beachten ist (RN 20).
Hieraus zieht das BAG den Schluss, dass es der „Kirchenklausel“ nicht bedürfe (die anders als im TzBfG im BeschFG noch enthalten ist), um die Kirchenautonomie bei der Prüfung des Vorliegens eines sachlichen Grundes zu berücksichtigen (RN 21). In Anwendung dessen wird festgestellt, dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht einer Kirche das Recht einräume, frei darüber zu bestimmen, in welcher Art und Weise religiöse Ziele erreicht werden sollen. Deshalb könne die Kirche auch definieren, ob bestimmte Aufgaben und Funktionen im Rahmen der Glaubensbetätigung überhaupt dauerhaft von ein und derselben Person ausgeübt werden könnten (RN 22).
Bewertung
Zunächst ist grundsätzlich zu begrüßen, dass das BAG bei der Prüfung der Sachgrundbefristung wegen Eigenart der Arbeitsleistung das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen als verfassungsmäßig bestimmten Grundsatz berücksichtigt, ohne dass dies gesondert im TzBfG mit einer Kirchenklausel geregelt bzw. ermöglicht wird. Auffällig ist, dass Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV vom BAG zur Begründung nicht herangezogen, sondern auf die korporative Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verwiesen wird. Ausdrücklich wird insoweit auch das Urteil der ebenso wertenden Vorinstanz als rechtsfehlerfrei bezeichnet.
Der vom BAG aufgestellte Grundsatz des Schutzes verkündigungsnaher Tätigkeiten musste angesichts des in Streit stehenden eindeutigen Falles eines Gemeindepastors auch zu dem gefundenen Ergebnis führen. Allerdings wird hier auch die Zukunft zeigen müssen, wann eine Tätigkeit noch ausreichend verkündigungsnah ist und damit der Inhaltsbestimmung im Rahmen der korporativen Religionsfreiheit unterliegt bzw. ob auch andere Kriterien als die Verkündigungsnähe ausreichend umfasst werden. Letzteres könnte insbesondere auch für den Bereich der karitativen Tätigkeiten von Caritas und Diakonie von Bedeutung sein.
Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 07.02.2024, Az. 7 AZR 367/22
Rechtsprechung