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BAG: Befristung des Arbeitsvertrags eines approbierten Arztes zur Weiterbildung

Ein Vertrag kann auch dann für einen kürzeren Zeitraum als die Dauer der Weiterbildungsbefugnis des weiterbildenden Arztes geschlossen werden, wenn zuvor zwischen den Parteien kein auf die Dauer der Weiterbildungsbefugnis befristeter Arbeitsvertrag bestanden hat, sofern bei Vertragsschluss absehbar ist, dass die Weiterbildung innerhalb der in Aussicht genommenen Vertragslaufzeit beendet werden kann.

Sachverhalt

Die Beklagte betreibt ein Klinikum, in dem eine Weiterbildung zu Fachärzten für Anästhesiologie angeboten wird. Die Weiterbildungsermächtigung der im Klinikum zuständigen Ärzte im Zeitraum von 2008 bis 2019 belief sich auf 60 Monate. Die Klägerin war vom 01.03.2008 bis 28.02.2010 zum Zwecke der Facharztausbildung bei der Beklagten beschäftigt, davon im Zeitraum ab 01.01.2009 mit auf 22 Stunden herabgesetzter Arbeitszeit. Mit Vertrag vom 22.01.2010 schlossen die Parteien nunmehr einen „Arbeitsvertrag für Ärztinnen/Ärzte nach dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung“ über den Zeitraum ab dem 01.03.2010 befristet bis zum 28.02.2013 ab. Innerhalb dessen wurde die Arbeitszeit im Juli 2012 rückwirkend zum 15.06.2012 auf 32 Stunden erhöht. Auf Verlängerungsantrag der Klägerin bis zum Abschluss der Facharztausbildung schlossen die Parteien am 12.02.2013 einen vom 01.03.2013 bis zum 31.05.2014 befristeten Vertrag. Vom 25.01.2014 bis zum 31.12.2016 befand sich die Klägerin im Mutterschutz und Elternzeit. Am 30.05.2014 schlossen sie einen vom 01.06.2014 bis 28.02.2017 befristeten Vertrag. Dieser wurde mehrfach verlängert. Die letzte Verlängerung erfolgte unter dem 22.02.2019 zum 31.08.2019. Am 10.07.2019 erfolgte die Anerkennung der Klägerin zur Fachärztin. Die Beklagte hatte am im Februar 2019 eine Facharztstelle für Anästhesiologie ausgeschrieben. Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin die Entfristung. Das ArbG hat die Klage abgewiesen, das LAG hat ihr stattgegeben.

Entscheidung

Die Befristung des Arbeitsvertrags eines approbierten Arztes zum Zwecke der Weiterbildung iSv. § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG darf nach § 1 Abs. 3 Satz 5 ÄArbVtrG den Zeitraum nicht unterschreiten, für den der weiterbildende Arzt die Weiterbildungsbefugnis besitzt. Beendet der weiterzubildende Arzt bereits zu einem früheren Zeitpunkt den von ihm nachgefragten Weiterbildungsabschnitt oder liegen bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Anerkennung im Gebiet, Schwerpunkt, Bereich sowie für den Erwerb eines Fachkundenachweises oder einer Bescheinigung über eine fakultative Weiterbildung vor, darf nach § 1 Abs. 3 Satz 6 ÄArbVtrG auf diesen Zeitpunkt befristet werden.

Das BAG stellt wie schon in vorherigen Entscheidungen fest, dass nach § 1 Abs. 3 Satz 6 ÄArbVtrG die Vertragslaufzeit kürzer bemessen sein kann als die Dauer der Weiterbildungsbefugnis des weiterbildenden Arztes, wenn bei Vertragsschluss absehbar ist, dass der weiterzubildende Arzt das Weiterbildungsziel innerhalb der in Aussicht genommenen Vertragslaufzeit erreichen wird (vgl. BAG 13. Juni 2007 – 7 AZR 700/06 – Rn. 30, BAGE 123, 109). Entgegen dem LAG setzt dies aber auch im Fall eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags der Parteien nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG mit demselben Weiterbildungsziel und demselben weiterbildenden Arzt nicht voraus, dass die Parteien zuvor einen mindestens der Dauer der Weiterbildungsbefugnis des weiterbildenden Arztes entsprechenden Arbeitsvertrag geschlossen haben. Der Wortlaut der Vorschrift sehe eine solche Voraussetzung nicht vor. Das gesetzgeberische Ziel, durch die Mindestbefristungsdauer willkürliche kurze Befristungen auszuschließen, werde auch dadurch verwirklicht, dass bei einer Verkürzung diese der voraussichtlichen Dauer der Weiterbildung entsprechen muss. Hier stand auch in Frage, ob allein die letzte Befristungsvereinbarung geprüft werden könne. Vereinbarungen § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG, also solche über die Nicht-Anrechnung bestimmter Zeiten, stellten aber das Arbeitsverhältnis nicht auf neue Grundlagen. Es komme deshalb zur Beurteilung der Absehbarkeit des Ausbildungsendes auf den Vertragsabschluss vom 30.05.2014 an.

Da das BAG aber nicht selbst feststellen konnte, ob am 30.05.2014 das frühere Erreichen der Facharztanerkennung möglich war, wurde die Sache an das LAG zurückverwiesen.

Bewertung

Die Befristungsregelungen des § 1 ÄArbVtrG gehen den übrigen arbeitsrechtlichen Regelungen und Grundsätzen vor. So gilt die achtjährige Höchstbefristungsdauer nach § 1 Abs. 3 S. 1 ÄArbVtrG arbeitgeberübergreifend. Eine solche Überschreitung ist aber durch einvernehmliche Nicht-Anrechnung von Zeiten in den Fällen des § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG möglich, wie dies hier nach dessen Nr. 1 für den Zeitraum der Kinderbetreuung der Fall war.

Insgesamt bringt die Entscheidung zusätzliche Klarheit in die im Grundsatz komplexe Materie des Befristungsrechts des § 1 ÄArbVtrG.

Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 22.09.2021 Az. 7 AZR 300/20

Rechtsprechung

Autor/-in: Helge Martin Krollmann

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