Zum Hauptinhalt springen

BAG: Abberufung eines Datenschutzbeauftragten

Der besondere Schutz des betrieblichen Datenschutzbeauftragten vor einer Abberufung gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG steht im Einklang mit dem Unionsrecht. Damit gelten die über § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG in Bezug genommenen Anforderungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht nur für die Kündigung des Datenschutzbeauftragten, sondern bereits für seine bloße Abberufung.

Sachverhalt

Gegenstand des Rechtsstreits war die Abberufung des Klägers als Datenschutzbeauftragter. Hinsichtlich der Abberufung gab die beklagte Arbeitgeberin an, diese sei infolge der Vorgaben der DSGVO und weiterer landesrechtlicher Regelungen (§ 11 des Gesetzes zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung im Freistaat Sachsen) automatisch erfolgt.

Dagegen wehrte sich der Kläger. Eine Abberufung setze einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB voraus. Er beantragte daher festzustellen, dass seine Rechtsstellung als Datenschutzbeauftragter nicht durch Abbestellung beendet worden ist.
Beide Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Der Kläger hat sich daher im Revisionsverfahren an das BAG gewendet.

Entscheidung

Das BAG setzte den Rechtsstreit zunächst aus, um sich im Vorabentscheidungsverfahren an den EuGH zu wenden.

Vorlagefragen:

  1. Nach Auffassung des BAG enthält das nationale Recht im Vergleich zum Unionsrecht einen stärkeren Schutz des Datenschutzbeauftragten vor einer Abberufung. In Frage stand für das BAG daher das Verhältnis beider Regelungswerke zueinander – konkret das Verhältnis von § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG (i. V. m. § 626 Abs. 1 BGB) und der DSGVO. Diese gilt unmittelbar für alle Mitgliedstaaten und genießt daher Anwendungsvorrang. Vorgreiflich zu der Frage, ob die Abberufung des Datenschutzbeauftragen eines wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB bedarf, war mithin zu klären, ob die nationalen Regelungen mit dem Unionsrecht vereinbar sind.
  2. Zudem hatte das BAG infrage gestellt, ob Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO überhaupt eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für Regelungen zum Kündigungs- und Abberufungsschutz darstellt. Die Frage war im Grunde jedoch nur für den Fall der Unvereinbarkeit von nationalem und Unionsrecht relevant.

I. Entscheidung des EuGH

Mit Urteil vom 09.02.2023 (C-560/21) hat der EuGH die Vereinbarkeit des Kündigungsschutzes für Datenschutzbeauftragte nach § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG mit Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO bestätigt.

Der EuGH betonte in seiner Entscheidung, dass die Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigt werden dürfen. Die DSGVO zielt darauf ab, innerhalb der Union ein hohes Schutzniveau für natürliche Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu gewährleisten. Zwar sind nationale Regelungen, die einen gesteigerten Schutz der Datenschutzbeauftragten bezwecken, grundsätzlich möglich – jedoch nur, soweit den Zielen der DSGVO Rechnung getragen wird. Ein strengerer Schutz des Datenschutzbeauftragten, der etwa seine Abberufung verhindern würde, obgleich er aufgrund eines Interessenkonflikts seine Aufgaben nicht oder nicht mehr in vollständiger Unabhängigkeit wahrnehmen kann, würde die Verwirklichung dieses Ziels beeinträchtigen und wäre daher unzulässig.

II. Entscheidung des BAG

Der besondere Schutz des betrieblichen Datenschutzbeauftragten vor einer Abberufung gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG steht im Einklang mit dem Unionsrecht. Damit gelten die über § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG in Bezug genommenen Anforderungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht nur für die Kündigung des Datenschutzbeauftragten, sondern bereits für seine bloße Abberufung.

Das BAG hält fest, dass ein die Abberufung rechtfertigender wichtiger Grund etwa vorliegen kann, wenn der Datenschutzbeauftragte die für die Aufgabenerfüllung erforderliche Fachkunde oder Zuverlässigkeit nicht (mehr) besitzt.

Die Zuverlässigkeit eines Datenschutzbeauftragten könne auch bei drohenden Interessenkonflikten in Frage stehen. Beispielhaft wird der Fall genannt, dass der Datenschutzbeauftragte eine Position bekleidet, die die Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat.

Bewertung

Das BAG führt die Rechtsprechungslinie, die es bereits zur Kündigung von Datenschutzbeauftragten entwickelt hat, für die Abberufung fort. Auch bei der bloßen Abberufung muss der Arbeitgeber einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB aufgrund der Verweisung im BDSG vorweisen können. Das Unionsrecht steht dem grundsätzlich nicht entgegen.

Die Reichweite der Schutzvorschriften bezüglich des Datenschutzbeauftragten hat das BAG und den EuGH in den letzten Jahren mehrfach beschäftigt. Besonders relevant: Das Verhältnis nationaler und europäischer Regelungen zueinander. Bislang wurde nur für den Fall einer Kündigung des Datenschutzbeauftragten geurteilt. Bis zu dieser Entscheidung herrschte Ungewissheit, inwieweit die zu Kündigungen entwickelte Rechtsprechung auch für die bloße Abberufung von diesem immer wichtigeren Amt gilt. Nun hat das BAG im Anschluss an das Urteil des EuGH eine Antwort gegeben.

Jetzt ist klargestellt, dass die nationalen Kündigungsschutzregelungen mit dem Unionsrecht vereinbar sind – es sind jedoch gewisse Einschränkungen unter Zugrundelegung des Schutzzwecks zu berücksichtigen. Wann aber ein die Abberufung rechtfertigender Grund vorliegen kann, bleibt auch nach der Entscheidung des BAG bis auf die wenigen konkreten Beispiele des BAG sehr vage.

Im Gesetz über den kirchlichen Datenschutz (KDG) findet sich der Satz „Die Abberufung der oder des Datenschutzbeauftragten ist nur in entsprechender Anwendung des § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zulässig“ (siehe § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG) nicht. Die vergleichbare Regelung in § 37 KDG nimmt nur Bezug auf die Kündigung und fordert dort einen wichtigen Grund. Hinsichtlich des Umstandes der Kündigung ist damit die Rechtsprechung des BAG übertragbar, hinsichtlich der bloßen Abberufung ist die kirchliche Regelung weitergefasst und orientiert sich am europäischen Standard.

Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 06.06.2023, 9 AZR 621/19

Rechtsprechung

Autor/-in: Marc Riede Florido Martins

Schlagworte

Aktuelles aus der Rechtsprechung

Melden Sie sich zum Newsletter an

Seien Sie immer einen Schritt voraus:
Erhalten Sie regelmäßig Informationen zu tarifrechtlichen Entwicklungen sowie wichtige Praxishinweise in unserem Dienstgeberbrief!

 

Newsletter abonnieren