ArbG Essen: Inflationsausgleichsprämie auch bei Elternzeit
Sachverhalt
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem Jahr 2019 beschäftigt und befand sich ab Sommer 2022 in Elternzeit. Auf ihr Arbeitsverhältnis finden die Regelungen des TVöD VKA Anwendung. Die Beklagte zahlte an die Klägerin in der Zeit, in der diese sich in Elternzeit befand, keinen Inflationsausgleich nach dem Tarifvertrag über Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise vom 22. April 2023 (TV Inflationsausgleich). Seit Dezember 2023 arbeitete die Klägerin bis zum Ende ihrer Elternzeit in Teilzeit. Für diese Zeit zahlte die Beklagte der Klägerin einen entsprechend ihrem Stundenumfang geminderten Inflationsausgleich.
Der Aufforderung der Klägerin, die während ihrer Elternzeit nicht ausgezahlten Beträge nachzuzahlen, kam die Beklagte mit Hinweis auf die entsprechende Regelung zur Anspruchsberechtigung im TV Inflationsausgleich nicht nach. Die Klägerin machte ihre Forderung auf Zahlung der vollen Inflationsausgleichszahlungen in der Folge klageweise geltend und vertrat die Meinung, der TV Inflationsausgleich verstoße, soweit er Beschäftigte in Elternzeit von der Sonderzahlung ausschließt, gegen das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot und begründe eine Diskriminierung wegen des Geschlechts. Sie machte ferner eine Entschädigung nach § 15 AGG geltend.
Entscheidung
Das ArbG Essen hielt die Klage überwiegend für begründet.
Die Regelung des TV Inflationsausgleich, die die Klägerin vom Kreis der Anspruchsberechtigten ausschließt, verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da der Ausschluss von Arbeitnehmern in Elternzeit gegen das Willkürverbot verstoße. So sei die Differenzierung zwischen dem Kreis der Anspruchsberechtigten und demjenigen der Nichtberechtigten sachlich nicht nachvollziehbar, da in der Regelung manche Konstellationen mit dem Anspruch auf Entgelt gleichgestellt werden und andere, wie etwa die vorliegende, nicht. Insbesondere bestehe auch ein Anspruch, wenn Mitarbeitende an einem Tag im Bezugszeitraum einen Krankengeldzuschuss oder Krankengeld bei Erkrankung des Kindes nach § 45 SGB V beziehen. Beide Konstellationen seien mit der Konstellation der Elternzeit vergleichbar und daher bezüglich der Inflationsausgleichszahlung auch gleich zu behandeln.
Aus diesem Grund sei die Klägerin auch während ihrer Teilzeitarbeit so zu stellen, wie eine Vollzeitkraft. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, warum Arbeitnehmer, die im Rahmen ihrer Elternzeit in Teilzeit arbeiten, einen verminderten Inflationsausgleich erhalten sollten während Arbeitnehmer in Krankengeldbezugszeiten aufgrund ihrer Vollzeitanstellung Anspruch auf den vollen Inflationsausgleich haben.
Einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG lehnte das ArbG Essen ab.
Bewertung
Das Urteil des ArbG Essen ist das erste einer erwarteten Reihe von Urteilen zum Thema Anspruch auf Inflationszahlungen während der Elternzeit. Die nun vorliegende Entscheidung und die weiteren Entwicklungen in der Sache sind aufgrund der vergleichbaren Anspruchsberechtigungsregelung in Anlage 1c AVR auch für den Bereich der AVR Caritas von großer Bedeutung.
Dass die Beklagte mit ihrem Vortrag, der im Wesentlichen der Argumentationslinie der Caritas Dienstgeber zu diesem Thema entsprach, im Verfahren nicht durchdringen konnte, ist bedauerlich.
Gleichzeitig bleibt hier abzuwarten, ob sich die Auffassung des ArbG Essen innerhalb der Rechtsprechung durchsetzt. Dienstgeber sollten die Entscheidung dennoch kennen und bei zu treffenden Einzelfallentscheidungen bereits jetzt im Hinterkopf haben.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das ArbG Essen hat die Berufung zugelassen und dabei die grundsätzliche Bedeutung betont. Wir werden die weiteren Entwicklungen im Blick behalten und Sie umgehend informieren.
Arbeitsgericht (ArbG) Essen, Urteil vom 16.04.2024, Az. 3 Ca 2231/23
Rechtsprechung