AVR erklärt – Das Vermittlungsverfahren zur Festlegung von Regelungen im Bereich der AVR Caritas
Inhalt
I. Rechtssetzung innerhalb des Deutschen Caritasverbands e.V.
II. Das Vermittlungsverfahren im Überblick
III. Das Vermittlungsverfahren erste Stufe, § 18 Abs. 1 AKO
IV. Das Vermittlungsverfahren zweite Stufe, § 18 Abs. 5 AK-O
V. Zusammenfassung und Schluss
I. Rechtssetzung innerhalb des Deutschen Caritasverbands e.V.
Der Deutsche Caritasverband entscheidet selbst über seine Richtlinien für Arbeitsverträge (AVR Caritas). Grund dafür ist die Rechtssetzungsautonomie, die Kirchen und kirchliche Organisationen in Deutschland gemäß Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 Abs. 3 WRV genießen. Aus der Rechtssetzungsautonomie folgt insbesondere das Recht der Kirchen und ihrer Organisationen, die Arbeitsbedingungen der eigenen Beschäftigten selbständig zu regeln. Wie schon im zweiten Teil der Reihe „AVR erklärt“ beschrieben, haben sich die beiden großen Kirchen in Deutschland sowie ihre Wohlfahrtsverbände (Caritas und Diakonie) entschlossen, die eigenen Arbeitsbedingungen mittels des sogenannten Dritten Wegs zu regeln. Das heißt: durch die Vereinbarung von Arbeitsbedingungen in Arbeitsrechtlichen Kommissionen, in denen die Dienstgeberseite und die Mitarbeiterseite paritätisch vertreten sind. In diesen Arbeitsrechtlichen Kommissionen soll nicht konfrontativ verhandelt, sondern im Geist der Dienstgemeinschaft einvernehmlich nach Lösungen gesucht werden. Etwas vereinfacht gesagt gelten also in kirchlichen Einrichtungen die jeweiligen AVR; in weltlichen Unternehmen wären Tarifverträge das Mittel, um kollektive Arbeitsbedingungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern auszuhandeln.
Überall dort, wo Kollektivverhandlungen über Arbeitsbedingungen geführt werden, sind Mechanismen nötig, um der jeweiligen Verhandlungsposition zur Durchsetzung zu verhelfen. Das Mittel einer Gewerkschaft zur Durchsetzung ihrer Tarifforderungen im Zweiten Weg ist der Streik. Mit der Androhung eines Streiks kann die jeweilige Gewerkschaft Verhandlungsdruck auf die Arbeitgeberseite ausüben. Einem Druckmittel muss jedoch ein Gegendruckmittel gegenüberstehen, denn ohne die Möglichkeit eines Gegendrucks wäre ein Streik ein destruktives Instrument. Daher erlaubt das deutsche Arbeitskampfrecht der Arbeitgeberseite die Aussperrung als Mittel des Gegendrucks.
Obwohl Arbeitskämpfe nach deutschem Recht also eine gewisse Kampfparität auf beiden Seiten voraussetzen, passen sie nicht zum Dritten Weg, da Arbeitskämpfe in einem konfrontativen System stattfinden. Der Dritte Wegs fußt demgegenüber – wie oben benannt – auf einem System konsensualer Verhandlungen. Das Konfliktlösungsmodell innerhalb des Dritten Wegs ist daher das Vermittlungsverfahren zwischen Dienstgeberseite und Mitarbeiterseite. Im Bereich der Caritas regeln die §§ 17 bis 19 Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission (AK-O) dieses Verfahren.
Das Vermittlungsverfahren ist ein sehrüberaus effizientes Mittel zur Konfliktlösung, also zur Findung von Kompromissen, weil es (genau wie ein Arbeitskampf und Aussperrung) sowohl die Dienstgeber- als auch die Mitarbeiterseite unter Verhandlungsdruck setzt:. Scheitert ein Kompromiss im Wege der normalen Verhandlungen, geben beide Seiten nämlich im Vermittlungsverfahren ihren Einfluss auf das Verhandlungsergebnis an Dritte ab, an deren Entscheidung sie dannschließlich gebunden sind. Die Gefahr, diese Einflussmöglichkeit zu verlieren, führt in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle zur gerade beschriebenen Kompromissbereitschaft.
II. Das Vermittlungsverfahren im Überblick
In einer Regionalkommission scheint eine Einigung über die konkrete Höhe einer neu in die AVR Caritas aufzunehmenden Zulage nicht möglich. Sowohl Mitarbeiterseite als auch Dienstgeberseite überlegen nun, wie es weitergehenden soll. |
Die Vorschriften zum Vermittlungsverfahren sind in § 18 AK-O festgelegt. Ergänzend dazu regelt § 19 AK-O die Zusammensetzung und Arbeitsweise des Vermittlungsausschusses, während § 17 AK-O die Bestimmungen zum Ältestenrat enthält. Der erste Schritt im Vermittlungsverfahren ist die Anrufung des Ältestenrats, der durch einen Vermittlungsvorschlag auf eine gütliche Einigung zwischen Dienstgeberseite und Mitarbeiterseite hinwirken soll. Allerdings ist das Verfahren vor dem Ältestenrat nicht zwingend, denn in § 18 Abs. 1 AK-O, in dem es um die erste Stufe des zwingend anzuwendenden Vermittlungsverfahrens geht, findet sich die Bestimmung, wonach diese erste Stufe auf ein gescheitertes Ältestenratverfahrens folgt oder anstelle eines solchen Ältestenratverfahrens zu betreiben ist.
Die erste Stufe des Vermittlungsverfahrens läuft nach den Regelungen der §§ 18 und 19 AK- O ab und endet mit einem Vermittlungsvorschlag des Vermittlungsausschusses oder mit der Feststellung des Vermittlungsausschusses, keinen Vermittlungsvorschlag unterbreiten zu können. Dem Vermittlungsvorschlag muss die jeweilige Kommission noch zustimmen. Erst mit diesem Beschluss der Kommission werden die materiellen Inhalte des Vermittlungsvorschlags Teil der AVR.
Scheitert ein Vermittlungsverfahren der ersten Stufe, so kann auf Antrag von mindestens der Hälfte der Mitglieder der jeweiligen Kommission ein Vermittlungsverfahren der zweiten Stufe durchgeführt werden. In diesem wird der erweiterte Vermittlungsausschuss tätig, der am Ende mit Mehrheit einen Beschluss zu fassen hat. Dieser Beschluss (Spruch des Vermittlungsausschusses) tritt an die Stelle eines Beschlusses der jeweiligen Kommission.
Die Vorschiften zum Vermittlungsverfahren sowie zum Vermittlungsausschussgelten sowohl für Vermittlungsverfahren der Bundeskommission als auch für solche der Regionalkommissionen(§ 18 Abs. 9 AK-O und § 19 Abs. 9 AK-O). Das Ältestenratverfahren ist dagegen lediglich für die Ebene der Bundeskommission vorgesehen. Regionalkommissionen können in ihren Geschäftsordnungen allerdings ein entsprechendes Verfahren regeln, wovon alle Regionalkommission unter Verweis auf § 17 AK-O Gebrauch gemacht haben.
Für die oben genannte Regionalkommission bedeutet dies, dass auch in ihrem Verantwortungsbereich bei einer Nichteinigung das Vermittlungsverfahren nach §§ 18 bis 19 AK-O zu durchlaufen ist. Dies sieht im Überblick wie folgt aus:
III. Das Vermittlungsverfahren erste Stufe, § 18 Abs. 1 AKO
1. Der Vermittlungsausschuss
In der Bundeskommission kann keine Einigung zu einer AVR-Regelung über Arbeitszeiten erzielt werden, sodass etwa die Hälfte der Kommissionsmitglieder auf Mitarbeiterseite den Vermittlungsausschuss anrufen will. In einer Sitzungspause stehen Vertreter der Dienstgeberseite und der Mitarbeiterseite beisammen und blicken auf die Mitglieder des Vermittlungsausschusses und stellen dabei fest, dass der mitarbeiterseitig benannte Vorsitzende des Vermittlungsausschusses (ein Richter am Landesarbeitsgericht Berlin/Brandenburg) evangelisch ist. Die Zusammenstehenden stehen vor der Frage, ob hier überhaupt ein Vermittlungsverfahren stattfinden kann. |
Die Wahl und Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses für das Vermittlungsverfahren erste Stufe ist in § 19 Abs. 1 AK-O und § 19 Abs. 3 ff. AK-O geregelt.
Der Vermittlungsausschuss für das Vermittlungsverfahren erste Stufe setzt sich aus
- zwei Vorsitzenden der beiden Seiten, die nicht Mitglied der Arbeitsrechtlichen Kommission sein dürfen,
- je einem Mitglied der Mitarbeiterseite und der Dienstgeberseite der Bundeskommission (oder Regionalkommission für den Vermittlungsausschuss einer Regionalkommission)
- sowie je einem Mitglied der Mitarbeiterseite und Dienstgeberseite, das nicht Mitglied der Arbeitsrechtlichen Kommission ist,
zusammen. Dazu kommen noch Stellvertreter beider Seiten für die jeweiligen Vorsitzenden.
Die Mitglieder des Vermittlungsausschusses und des erweiterten Vermittlungsausschusses werden zu Beginn der jeweiligen Amtsperiode der Arbeitsrechtlichen Kommission gewählt. Die Bundeskommission wählt die Mitglieder des Vermittlungsausschusses der Bundeskommissionen, die jeweilige Regionalkommission wählt die Mitglieder ihres jeweiligen Vermittlungsausschusses.
Die beiden Vorsitzenden des Vermittlungsausschusses und ihre Stellvertreter werden in einem gemeinsamen Wahlgang von den Mitgliedern der Bundes- bzw. Regionalkommission mit der Mehrheit ihrer Mitglieder gewählt. Die gemeinsame Wahl der beiden Vorsitzenden soll einerseits die paritätische Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses und andererseits die Funktion der Vorsitzenden als „neutrale“ Leitung des Vermittlungsausschusses betonen.
Eine Regionalkommission hat 20 Mitglieder. Bei der geheimen und gemeinsamen Wahl der beiden Vorsitzenden ergibt sich folgendes Ergebnis: 9 Ja-Stimmen für die beiden vorgeschlagenen Personen, 4 Nein-Stimmen und 7 Enthaltungen. Damit sind die beiden vorgeschlagenen Personen nicht gewählt, denn für eine „Mehrheit der Mitglieder“ wären mindestens 11 Stimmen nötig. |
Kommt in den ersten beiden Wahlgängen diese Mehrheit der Mitglieder nicht zustande, reicht im dritten Wahlgang die einfache Mehrheit der Stimmen.
Das Wahlergebnis mit 9 Ja-Stimmen, 4 Nein-Stimmen und 7-Enthaltungen würde im dritten Wahlgang also ausreichen. Was auch im dritten Wahlgang nicht ausreichen würde, wären 7 Ja-Stimmen, 4 Nein-Stimmen und 9 Enthaltungen, denn wenn es weniger Ja-Stimmen als Nein-Stimmen und Enthaltungen gibt, liegt keine relative Mehrheit vor. |
Wird auch die relative Mehrheit nicht erreicht, wählen die Dienstgeber- und die Mitarbeiterseite getrennt je einen Vorsitzenden mit mindestens der Mehrheit ihrer Stimmen.
Die übrigen Mitglieder des Vermittlungsausschusses werden jeweils von den beiden Seiten mit der Mehrheit ihrer Mitglieder gewählt.
Die Vorsitzenden des Vermittlungsausschusses dürfen bei keinem kirchlichen Rechtsträger beschäftigt sein oder keinem vertretungsberechtigten Leitungsorgan eines kirchlichen Rechtsträgers angehören, der in den Geltungsbereich der Kommission fällt. Sie sollen der katholischen Kirche angehören und über fundierte Kenntnisse und Erfahrungen im Arbeitsrecht verfügen.
Der im Eingangsbeispiel genannte mitarbeiterseitig nominierte und gewählte Kommissionsvorsitzende ist Richter an einem Landesarbeitsgericht, was für seine fundierten Kenntnisse und Erfahrungen im Arbeitsrecht spricht. Ebenso ist er nicht bei einem kirchlichen Rechtsträger beschäftigt. Die Tatsache, dass er evangelisch ist, spricht im Ergebnis nicht gegen ihn, weil die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche für die Vorsitzenden des Vermittlungsausschusses eine Sollvorschrift ist, aber keine zwingende Voraussetzung. |
2. Der Ablauf des Vermittlungsverfahrens erste Stufe
Das Vermittlungsverfahren erste Stufe beginnt mit der Anrufung des Vermittlungsausschusses mindestens von der Hälfte der Mitglieder der Bundes- oder einer Regionalkommission, § 18 Abs. 1 AK-O.
Im oben genannten Beispiel will lediglich die Hälfte der Mitarbeitervertreter in der Kommission den Vermittlungsausschuss anrufen, was also einem Viertel der Mitglieder der Kommission entspricht. Dieses Quorum reicht zur Einleitung eines Vermittlungsverfahrens nicht aus. Nachdem sich die Mitarbeiterseite jedoch noch einmal beraten hat, stimmen alle Mitarbeitervertreter für die Anrufung des Vermittlungsausschusses, sodass das Vermittlungsverfahren erste Stufe beginnt. Zu Beginn der ersten Sitzung können sich die dienstgeberseitigen und die mitarbeiterseitigen Mitglieder des Vermittlungsausschusses nicht einigen, ob der mitarbeiterseitige oder die dienstgeberseitige Vorsitzende des Vermittlungsausschusses die Sitzung(en) leiten soll. Schließlich einigt man sich, den Sitzungsvorsitz auszulosen, wobei die dienstgeberseitige Vorsitzende gewinnt. Am Ende der Sitzung beraten sich die beiden Vorsitzenden und unterbreiten dem Vermittlungsausschuss einen Vermittlungsvorschlag, über den der Ausschuss abstimmt. Die Abstimmung endet mit zwei Ja-Stimmen (beide Vorsitzende stimmen gemeinsam nur mit einer Stimme ab und ein weiteres Ausschussmitglied stimmt mit Ja) und drei Nein-Stimmen. Daraufhin unterbreitet ein anderes Mitglied des Vermittlungsausschusses einen anderen Vermittlungsvorschlag, über den nach einiger Diskussion abgestimmt wird. Das Ergebnis ist drei Ja-Stimmen und 2 Nein-Stimmen. |
Der Vermittlungsausschuss im Vermittlungsverfahren erste Stufe tritt auf Einladung beider Vorsitzender zusammen. Beide Vorsitzende (oder deren Stellvertreter) müssen in allen Sitzungen des Vermittlungsverfahrens anwesend sein. Die Sitzungsleitung kann nur durch einen der beiden Vorsitzenden ausgeübt werden, sodass die Mitglieder des Vermittlungsausschusses zu Beginn des Vermittlungsverfahrens festlegen müssen, welcher der beiden Vorsitzenden die Sitzungsleitung ausüben soll und welcher Vorsitzende unterstützend tätig werden soll. Kommt es zu keiner einvernehmlichen Einigung über die Sitzungsleitung, so entscheidet das Los, § 18 Abs. 2 Satz 4 AK-O.
Die im obenstehenden Beispiel erwähnte Auslosung des Vorsitzes war also von der AK-O gedeckt und daher rechtmäßig. |
Am Ende der Beratungen des Vermittlungsausschusses unterbreiten die beiden Vorsitzenden dem Vermittlungsausschuss einen gemeinsamen Vorschlag, über den der Vermittlungsausschuss abstimmt. Bei dieser Abstimmung haben die beiden Vorsitzenden eine einzige gemeinsame Stimme, was einerseits eine Einigung und damit eine neutrale Position der beiden Vorsitzenden gewährleisten soll. Andererseits wird hierdurch eine ungerade Zahl an Stimmen erreicht, was ein Patt bei der Abstimmung erschwert.
Die beiden Abstimmungen, in denen beide Vorsitzende nur eine gemeinsame Stimme abgegeben haben, waren also rechtmäßig. |
Auch andere Mitglieder des Vermittlungsausschusses können Vorschläge unterbreiten, über die nach den gleichen Regeln abzustimmen ist.
Das bedeutet, dass das andere Mitglied des Vermittlungsausschusses einen eigenen Vorschlag unterbreiten durfte, über den rechtmäßig abgestimmt wurde. Der zuletzt unterbreitete Vorschlag wird damit zum endgültigen Vermittlungsvorschlag des Vermittlungsausschusses, § 18 Abs. 4 AK-O. |
Als letzte Amtshandlung im Vermittlungsverfahren erste Stufe legt der Vermittlungsausschuss seinen Vermittlungsvorschlag der Bundes- oder Regionalkommission zur Entscheidung vor. Stimmt die Kommission dem Vorschlag nach den üblichen Abstimmungsregelungen nicht zu, ist das Vermittlungsverfahren ergebnislos zu Ende gegangen bzw. gescheitert. Da die angestrebte Änderung der AVR damit keine Mehrheit gefunden hat, bleibt es bei der bisherigen Rechtslage. Stimmt die Kommission dem Vermittlungsvorschlag zu, so wird der Vermittlungsvorschlag zum Änderungsgegenstand der AVR.
IV. Das Vermittlungsverfahren zweite Stufe, § 18 Abs. 5 AK-O
Im Falle des Scheiterns des Vermittlungsverfahrens erste Stufe (wenn also der Vermittlungsausschuss keinen Vermittlungsvorschlag vorlegen kann oder der Vermittlungsvorschlag keine Mehrheit in der jeweiligen Kommission findet) kann mindestens die Hälfte der Mitglieder der jeweiligen Kommission durch Antrag den erweiterten Vermittlungsausschuss anrufen (Vermittlungsverfahren zweite Stufe), § 18 Abs. 5 AK-O.
Gemäß § 18 Abs. 6 AK-O läuft das Vermittlungsverfahren zweite Stufe vergleichbar zum Vermittlungsverfahren erste Stufe ab. Zwischen beiden Verfahren bestehen jedoch einige wesentliche Unterschiede, die im Folgenden dargestellt werden.
1. Der erweiterte Vermittlungsausschuss
Der erweiterte Vermittlungsausschuss im Vermittlungsverfahren zweite Stufe setzt sich gemäß § 19 Abs. 2 AK-O aus den Mitgliedern des Vermittlungsausschusses des Vermittlungsverfahrens erste Stufe sowie:
- je einem weiteren Mitglied der Mitarbeiterseite und der Dienstgeberseite der Bundes- oder Regionalkommission sowie
- je einem weiteren Mitglied der Mitarbeiterseite und der Dienstgeberseite, das nicht Mitglied der Arbeitsrechtlichen Kommission ist,
zusammen.
Zusammenfassend lassen sich die Vermittlungsausschüsse wie folgt darstellen:
Vermittlungsausschuss für das Vermittlungsverfahren erste Stufe:
| Erweiterter Vermittlungsausschuss für das Vermittlungsverfahren zweite Stufe:
|
2. Der Ablauf des Vermittlungsverfahrens zweite Stufe
Nach einem gescheiterten Vermittlungsverfahren erste Stufe hat die Bundeskommission den erweiterten Vermittlungsausschuss für das Vermittlungsverfahren zweite Stufe angerufen. Am Ende der Beratungen machen beide Vorsitzenden einen gemeinsamen Beschlussvorschlag, über den abgestimmt wird. Das Ergebnis lautet wie folgt: 4 Ja-Stimmen, 4 Nein-Stimmen, 1 Enthaltung durch ein dienstgeberseitiges Mitglied. Das zuletzt genannte Mitglied wird daraufhin aufgefordert, entweder mit Ja oder mit Nein zu stimmen. Die neue Abstimmung ergibt daraufhin 5 Ja-Stimmen und 4 Nein-Stimmen. Nachdem der erweiterte Vermittlungsausschuss seine Entscheidung aufgrund der letzten Abstimmung an die Bundeskommission übermittelt hat, äußern dort verschiedene Mitglieder ihre Zweifel an der Entscheidung des erweiterten Vermittlungsausschusses, weil ein Mitglied „zur Abstimmung gezwungen“ worden sei. Dies müsse berücksichtigt werden, wenn die Bundeskommission über die Entscheidung des erweiterten Vermittlungsausschusses abstimmen wird. |
Gemäß § 18 Abs. 7 AK-O entscheidet der erweiterte Vermittlungsausschuss mit der Mehrheit seiner stimmberechtigten Mitglieder. Bei der Abstimmung ist eine Stimmenthaltung nicht zulässig. Diese strengen Vorgaben über das Abstimmungsverhalten sind notwendig, weil der erweiterte Vermittlungsausschuss im Vermittlungsverfahren zweite Stufe keinen Vermittlungsvorschlag vorlegt, über den die jeweilige Kommission abzustimmen hat. Der erweiterte Vermittlungsausschuss entscheidet vielmehr abschließend durch einen sogenannten „Spruch“. Der Spruch des erweiterten Vermittlungsausschusses hat Geltung, ohne dass er der Bundes- oder Regionalkommission zur Bestätigung vorgelegt wird. Der Spruch des erweiterten Vermittlungsausschusses tritt stattdessen an die Stelle eines Beschlusses der Bundes- oder Regionalkommission, § 18 Abs. 7 Satz 7 AK-O.
Da ein erweiterter Vermittlungsausschuss 10 Mitglieder hat und im oben genannten Beispiel neun Stimmen abgegeben wurden, ist zu unterstellen, dass beide Vorsitzenden richtigerweise zusammen nur eine Stimme abgegeben haben. Ebenso wurde das stimmenthaltende Mitglied richtigerweise darauf hingewiesen, dass eine Stimmenthaltung nicht erlaubt ist, sodass die zweite Abstimmung als rechtmäßig anzusehen ist. Im Gegensatz zu der in der Bundeskommission geäußerten Ansicht, kann diese nicht mehr über den Spruch des erweiterten Vermittlungsausschusses abstimmen. Der Spruch des erweiterten Vermittlungsausschusses wirkt wie ein Beschluss der Bundeskommission. |
Da der Spruch des erweiterten Vermittlungsausschusses die hier beschriebene Funktion und Wirkung hat, muss vermieden werden, dass ein Spruch des erweiterten Vermittlungsausschusses daran scheitert, dass beide Vorsitzende sich nicht auf einen gemeinsamen Vorschlag und/oder eine gemeinsame Stimmabgabe über den Entscheidungsvorschlag einigen können.
Eine besondere Regelung für einen gemeinsamen Vorschlag braucht es nicht, da auch hier § 18 Abs. 3 AK-O gilt, wonach auch andere Mitglieder des erweiterten Vermittlungsausschusses Vorschläge zur Abstimmung stellen können. Was die Abstimmung selbst angeht, so sieht § 18 Abs. 7 Satz 5 AK-O vor, dass in dem Fall, in dem sich beide Vorsitzende nicht auf eine gemeinsame Stimmabgabe einigen können, ein Mitglied des erweiterten Vermittlungsausschusses beantragen kann, per Los zu entscheiden, welcher der beiden Vorsitzenden bei der Abstimmung über den Vorschlag das Stimmrecht ausübt. Diese mit dem Losentscheid einhergehende Ungewissheit über das Abstimmungsergebnis soll die Mitarbeiterseite und die Dienstgeberseite – und ganz besonders die von ihnen benannten und gewählten Vorsitzenden – dazu anhalten, alles zu versuchen, eine gütliche Einigung zu erzielen.
V. Zusammenfassung und Schluss
Die Vermittlungsverfahren nach §§ 18, 19 AK-O sind vor allem vom Gedanken der Parität von Mitarbeiter- und Dienstgeberseite getragen. Das System aus Abstimmungsvorgaben und möglichen Losentscheidungen soll die Beteiligten in den Vermittlungsausschüssen dazu anhalten, bemüht und ernsthaft nach gütlichen Einigungen zu suchen. Auf diese Weise entfalten die Vermittlungsverfahren die Wesensmerkmale des Dritten Wegs, also den Verzicht auf konfrontative Verhandlungen und stattdessen ein Zusammenwirken von Dienstgeber- und Mitarbeiterseite mit dem festen Willen zur Konsens- und Ergebnisfindung.
Sollten Dienstgeber- und Mitarbeiterseite nicht mit dem festen Willen zur gütlichen Einigung in ein Vermittlungsverfahren gehen, so sieht das Vermittlungsverfahren zweite Stufe durch den Losentscheid zwischen den beiden Vorsitzenden ein Konfliktlösungsinstrument vor, das für beide Seiten mit dem Risiko verbunden ist, die eigene Position nicht oder nicht im gewünschten Maße durchsetzen zu können und damit den eigenen Einfluss auf das Ergebnis des Vermittlungsverfahrens zu verlieren. Der Losentscheid mit anschließendem verbindlichem Ergebnis setzt beide Seiten damit so unter Druck, dass sie von sich aus darauf verzichten werden, das Vermittlungsverfahren mit Gleichgültigkeit bzw. fehlender Ernsthaftigkeit zu betreiben.
Damit erfüllt das Vermittlungsverfahren nach §§ 18, 19 AK-O zwei Funktionen: es bietet einerseits die Möglichkeit zu konsensorietierten Verhandlungen im Sinne des Dritten Wegs und ersetzt zum anderen sehr effektiv die Druckmittel, die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden im Zweiten Weg vor und während Arbeitskämpfen zur Verfügung stehen.
Arbeitsrechtliche Analyse
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