AVR erklärt – „Ohne Arbeit kein Lohn“
Der Beitrag ist in zwei Abschnitte aufgeteilt: im ersten Abschnitt geht es um Fragen der Unmöglichkeit und des Annahmeverzugs; im vorliegenden zweiten Abschnitt stehen Fragen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und der Entgeltzahlung bei Beschäftigungsverboten im Vordergrund. Zum ersten Abschnitt des Artikels AVR erklärt – „Ohne Arbeit kein Lohn“: Das Gegenseitigkeitsverhältnis von Diensterbringung und Vergütung nach den Regeln der AVR Caritas
Inhalt
VI. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Anspruch auf Krankenbezüge)
VII. Erholungsurlaub
VIII. Weitere Ausnahmen vom Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“
VI. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Anspruch auf Krankenbezüge)
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist die in der Praxis am häufigsten vorkommende Durchbrechung des Grundsatzes „Ohne Arbeit kein Lohn“. Beschäftigte, die aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig werden, sollen die Sicherheit haben, für eine bestimmte Zeit auch ohne Leistungserbringung vergütet zu werden.
1. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ergibt sich grundsätzlich aus § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Dieser Anspruch ist aber in Abschnitt XII Anlage 1 AVR teilweise modifiziert. Wie in § 3 Abs. 1 EFZG setzt auch der Anspruch auf Krankenbezüge in Abschnitt XII Anlage 1 AVR eine unverschuldete Arbeitsunfähigkeit in Folge einer Krankheit voraus.
Frau A ist Dozentin an einer Pflegeschule und betreibt als Hobby Kick-Boxen. Bei einem Turnier verletzt sie sich an der linken Hand, was sie als Rechtshänderin aber nicht allzu sehr in ihrem täglichen Berufs- oder Privatleben einschränkt. Trotzdem will sie sich am Montag nach dem Turnier „krankmelden“. |
Nicht jede Krankheit im medizinischen Sinne stellt auch gleichzeitig eine Arbeitsunfähigkeit dar, sie muss vielmehr so intensiv sein, dass sie auch zu einer Arbeitsunfähigkeit führt.
Ferner darf die Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verschuldet sein. Der Verschuldensmaßstab wird von den Arbeitsgerichten recht großzügig ausgelegt. So gelten z.B. auch Verletzungen, die man sich bei Sportarten mit gewissem Verletzungsrisiko (z.B. Skifahren oder Bergsteigen) zugezogen hat, als unverschuldet, wohl auch, weil ansonsten jede sportliche Betätigung für Beschäftigte mit dem Risiko einhergehen würde, keine Krankenbezüge bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu erhalten. Ein Verschulden wird von den Gerichten vielmehr nur in den Fällen angenommen, in denen man gröblich gegen das im eigenen Interesse zu erwartende Selbstverhalten verstößt. Dies ist z.B. bei Sportarten mit übergroßem Verletzungsrisiko, selbstverursachten Verletzungen, oder vorhersehbaren verletzungsfördernden Handlungen (Alkoholmissbrauch, provozierte Schlägerei) der Fall. Diese Rechtsprechung deckt sich mit Abschnitt XII Anmerkung zu Abs. a) Anlage 1 AVR, wo es heißt, dass ein Verschulden dann anzunehmen ist, wenn die Arbeitsunfähigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde. Grundsätzlich weisen die Arbeitsgerichte dem Dienstgeber die Verpflichtung zu, zu beweisen, dass ein Verschulden des Beschäftigten vorliegt. Wenn aber der erste Anschein eines solchen Verschuldens vorliegt (z.B. bei einem Sportunfall einer Risikosportart), muss der Beschäftigte beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft.
Bei Frau A ist bereits zweifelhaft, ob überhaupt eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, denn sie wird mit einer verletzten linken Hand wohl in der Lage sein, ihren beruflichen Aufgaben nachzukommen. Wenn man aber eine Arbeitsunfähigkeit annehmen wollte, so stellt sich die Frage, ob diese unverschuldet ist. Frau A hat sich beim Kick-Boxen verletzt, einer Sportart, bei der die Arbeitsgerichte ein sog. Verschulden gegen sich selbst annehmen, also einen gröblichen Verstoß gegen das zu erwartende Selbstverhalten bzw. einer groben Fahrlässigkeit i.S.d. Abschnitt XII Anmerkung zu Abs. a) Anlage 1 AVR. Von daher hat Frau A (wenn sie nicht beweisen kann, schuldlos verletzt worden zu sein) im vorliegenden Beispielsfall keinen Anspruch auf Krankenbezüge, selbst wenn man eine Arbeitsunfähigkeit annehmen wollte. |
Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit muss allein für den Arbeitsausfall ursächlich sein, eine andere Ursache für den Arbeitsausfall darf es nicht geben.
Frau B und Herr C (Verwaltungskräfte bei der Caritas beide mit fünf-Tage-Woche) leben in unverheirateter Lebensgemeinschaft und sind Eltern zweier Kinder. Frau B ist wegen des zweiten Kindes bis Ende Juni 2024 in Elternzeit. Über Ostern (25. März 2024 bis 7. April 2024) will die Familie gemeinsam Urlaub machen. Dazu kommt es aber nicht, weil die Eltern sich beide bei ihrem älteren Kind mit einer Virusinfektion anstecken und so die genannten zwei Urlaubswochen erkranken. |
Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnisse ruhen und die während dieser Zeit arbeitsunfähig erkranken, haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Krankenbezüge, weil die Ursache der nicht geleisteten Arbeit bzw. Dienste eine andere ist als die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz findet sich in § 9 BUrlG und in § 1 Abs. 7 Anlage 14 AVR, wonach Urlaubstage, die von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit überschattet sind, nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden.
Frau B hat daher, weil sie in Elternzeit ist, keinen Anspruch auf Krankenbezüge. Anders ihr Partner, der sich für die Zeit vom 25. März bis zum 7. April Urlaub genommen hatte. Herr C hat also während dieser zwei Wochen Anspruch auf Krankenbezüge und das Recht, seine zwei Urlaubswochen später erneut anzutreten. |
2. Die Dauer und Wartezeit des Anspruchs auf Krankenbezüge
Herr D hat am Montag, den 1. April 2024 als Verwaltungsmitarbeiter in einer großen Einrichtung angefangen und erkrankt in der Zeit vom 15. April 2024 bis zum 12. Mai 2024 (sieben Wochen). Wie verhält es sich mit seinem Anspruch auf Krankenbezüge? |
Der Anspruch auf Krankenbezüge entsteht (genau wie der Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus § 3 EFZG) erst nach vierwöchiger Wartezeit, Abschnitt XII Absatz b) Satz 2 Anlage 1 AVR. Während dieser Wartezeit besteht kein Anspruch auf Krankenbezüge, aber ein Anspruch gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung auf Krankengeld, § 44 SGB V. Die Wartezeit in § 3 Abs. 3 EFZG und in Abschnitt XII Absatz b) Satz 2 Anlage 1 AVR ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eine echte Wartezeit und keine Frist zur Verkürzung des Anspruchs auf Krankenbezüge, d.h. der sechswöchige Anspruch auf Krankenbezüge wird lediglich nach hinten geschoben.
Für Herrn D bedeutet dies, dass sein Anspruch auf Krankenbezüge ab dem 29. April 2024 (vier Wochen seit dem 1. April 2024) entsteht und von da an sechs Wochen lang besteht. Da Herr D bis zum 12. Mai 2024 arbeitsunfähig ist (zwei Wochen vom 29. April bis zum 12. Mai), hat er für diesen Zeitraum Anspruch auf Krankenbezüge. Theoretisch könnte er (unter Ausschöpfung des gesamten sechs-Wochen-Zeitraums) vom 29. April 2024 bis zum 9. Juni 2024 Krankenbezüge erhalten. Für die zwei Wochen zwischen dem 15. April und dem 29. April erhält Herr D Krankengeld, § 44 SGB V und einen Krankengeldzuschuss von seinem Dienstgeber, Abschnitt XII Abs. j) Anlage 1 AVR. |
Wie bereits angedeutet, besteht der Anspruch auf Krankenbezüge, genau wie der Anspruch in § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG auch, für eine Dauer von sechs Wochen, Abschnitt XII Absatz b) Anlage 1 AVR. Der Anspruchszeitraum über sechs Wochen kann aber von verschiedenen Einzelfällen abhängen:
Frau E, Frau F, Herr G und Herr H sind Erzieherinnen und Erzieher in einer Kindertagesstätte der Caritas. Alle vier haben während der Corona-Pandemie gearbeitet und sich im Januar/Februar 2022 am Arbeitsplatz infiziert. Frau E leidet von Montag, 7. Februar 2022 bis Sonntag, 20. Februar 2022 an Corona-Symptomen (Atemwegsbeschwerden etc.), allerdings wird bei ihr nach einem negativen Test lediglich eine starke Grippe diagnostiziert. Am Montag, 21. Februar 2022 nimmt sie ihre Arbeit wieder auf, obwohl sie noch nicht vollständig genesen ist. In der Folgezeit hat sie immer wieder mit Symptomen der nicht ausgeheilten Grippe zu kämpfen und erkrankt schließlich im Juli 2022 erneut an der nicht ausgeheilten Grippe. Von Montag, 4. Juli 2022 bis Sonntag, 7. August 2022 fällt sie wiederum mit starken Atemwegsbeschwerden aus. Frau F ist nachweislich vom 7. Februar 2022 bis zum 20. Februar 2022 „Corona-positiv“ und aufgrund starker Atemwegsbeschwerden arbeitsunfähig. Seit dem 21. Februar 2022 ist keine Virusinfektion mehr bei ihr nachweisbar, jedoch leidet sie seit diesem 21. Februar 2022 an Erschöpfungssymptomen, was als ein sog. Long-Covid-Verlauf diagnostiziert wird. Sie fällt bis Ende September 2022 aus. Herr G fällt – genau wie Frau F – in der Zeit vom 7. Februar 2022 bis zum 20. Februar 2022 coronabedingt arbeitsunfähig aus. Am Nachmittag des 20. Februar 2022 fühlt er sich genesen und freut sich, seine Arbeit am 21. Februar 2022 wieder aufnehmen zu können. Am Morgen des 21. Februar 2022 steigt er in seiner Küche auf einen Stuhl, stürzt und bricht sich dadurch das Bein. Er liegt daraufhin vom 21. Februar 2022 bis zum 25. Februar 2022 im Krankenhaus und fällt danach bis zum 27. März 2022 aus. Herr H schließlich ist ebenfalls in der Zeit vom 7. Februar 2022 bis zum 20 Februar 2022 „Corona-positiv“ und arbeitsunfähig. Allerdings erkrankt er am 15. Februar 2022 zusätzlich an einer Darmentzündung, aufgrund derer auch er bis zum 27. März 2022 ausfällt. |
Der Anspruch auf Krankenbezüge entsteht grundsätzlich mit jeder neuen Erkrankung neu. Eine solche neue Erkrankung liegt dann vor, wenn die Krankheit eine andere Ursache hat und nicht auf denselben Grundlagen wie die letzte Erkrankung beruht. Beschäftigte, die bei weiteren Arbeitsunfähigkeiten die Zahlung von Krankenbezügen verlangen, müssen also aufgrund neuer Erkrankungen arbeitsunfähig werden und gerade nicht aufgrund der gleichen Erkrankung oder einer Erkrankung, die mit der ursprünglichen Erkrankung in einem engen Zusammenhang steht (sog. Fortsetzungs- oder Folgeerkrankung).
Frau E erkrankt im Februar und im Juli 2022 an der gleichen Erkrankung. Frau F erkrankt an einer sog. Folge- oder Fortsetzungserkrankung. Herr G und Herr H erkranken nach ihrer Covid-Infektion an anderen, d.h. neuen Erkrankungen. |
Im Falle der gleichen Erkrankung oder einer Fortsetzungserkrankungen hat der Dienstgeber nur einmal für den Zeitraum von sechs Wochen Krankenbezüge zu leisten. Eine Ausnahme davon ist in Abschnitt XII Absatz b) Anlage 1 AVR geregelt. Danach haben Beschäftigte auch bei einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund der gleichen Erkrankung oder einer Fortsetzungserkrankung Anspruch auf Krankenbezüge für sechs Wochen, wenn
- zwischen den beiden Arbeitsunfähigkeitszeiträumen mindestens sechs Monate ohne Arbeitsunfähigkeit aufgrund der gleichen Erkrankung liegen oder
- seit dem Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von 12 Monaten abgelaufen ist.
Wenn diese Ausnahmen nicht greifen, bleibt es also bei dem einmaligen Anspruch auf sechs Wochen Krankenbezüge.
Frau E hat aufgrund der grippalen Arbeitsunfähigkeit vom 7. Februar 2022 bis zum 20. Februar 2022 (zwei Wochen) Anspruch auf Krankenbezüge. Für die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der gleichen Erkrankung zwischen dem 4. Juli 2022 und dem 7. August 2022 liegt keiner der beiden Ausnahmetatbestände vor (hierzu dürfte die erneute grippale Arbeitsunfähigkeit frühestens am 7. August 2022 beginnen), sodass sie hier nur für die letzten vier Wochen des Gesamtzeitraums von sechs Wochen Anspruch auf Krankenbezüge hat, also nur bis zum 31. Juli 2022. Für die Woche vom 1. August 2022 bis zum 7. August 2022 erhält sie Krankengeld, § 44 SGB V und von ihrem Dienstgeber ggf. einen Krankengeldzuschuss, Abschnitt XII Abs. c) Anlage 1 AVR. Frau F hat, da sich bei ihr die ursprüngliche und die Fortsetzungserkrankung nahtlos aneinanderreihen, Anspruch auf Krankenbezüge für sechs Wochen (7. Februar 2022 bis 20. März 2022), danach bekommt sie Krankengeld und von ihrem Dienstgeber ggf. je nach Beschäftigungszeit längstens bis zum Ende der 26. Woche einen Krankengeldzuschuss, Abschnitt XII Abs. c) und d) Anlage 1 AVR. |
Anders sieht es aus, wenn auf eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit eine zweite Arbeitsunfähigkeit folgt, die auf einer neuen Krankheit beruht. Hier entsteht ein neuer Anspruch auf Krankenvergütung. Dies gilt unproblematisch dann, wenn Beschäftigte zwischen den beiden Arbeitsunfähigkeiten tatsächlich wieder ihrem Dienst nachgekommen sind; dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des BAG aber auch dann, wenn Beschäftigte zwischen den beiden Arbeitsunfähigkeiten tatsächlich arbeitsfähig waren, aber nicht arbeiten konnten, etwa weil die Zeit der Arbeitsfähigkeit nur kurz war und zwischen zwei Blöcken regulärer Dienstzeiten lag.
Herr G war vom 7. Februar 2022 bis zum 20. Februar 2022 corona-bedingt arbeitsunfähig erkrankt. Am Morgen des 21. Februar 2022 war er genesen und wollte seinen Dienst wieder antreten, wozu es aber nicht kam, da er in seiner Wohnung stürzte und sich verletzte. Aufgrund dieser Verletzung war er vom 21. Februar 2022 bis zum 27. März 2022 arbeitsunfähig. Die Zeiten seiner Arbeitsunfähigkeiten summieren sich also auf sieben Wochen; sie werden aber als zwei getrennte Zeiten der Arbeitsunfähigkeit betrachtet, sodass Herr G für die zwei Wochen zwischen dem 7. Februar 2022 und dem 20. Februar 2022 und erneut für die Zeit vom 21. Februar 2022 bis zum 27. März 2022 Anspruch auf Krankenbezüge für diese fünf Wochen hat. |
Noch einmal anders ist es dann, wenn sich die verschiedenen Krankheiten, die zur Arbeitsunfähigkeit führen, zeitlich überschneiden. Beschäftigte, die während einer bestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit an einer neuen Krankheit erkranken, müssen sich so behandeln lassen, als wäre der Sechs-Wochen-Zeitraum der Krankenbezüge niemals unterbrochen. In diesen Fällen gehen die deutschen Arbeitsgerichte davon aus, dass eine einheitliche Arbeitsunfähigkeit vorliegt, sodass kein neuer Anspruch auf Krankenbezüge entsteht (Einheit des Verhinderungsfalls).
Für Herrn H, der insgesamt vom 7. Februar 2022 bis zum 27. März 2022 (sieben Wochen) arbeitsunfähig ist, bedeutet dies, dass er nur bis zum 20. März 2022 (sechs Wochen) Anspruch auf Krankenbezüge hat. In der letzten Woche bekommt er Krankengeld, § 44 SGB V, und von seinem Dienstgeber ggf. einen Krankengeldzuschuss, Abschnitt XII Abs. c) Anlage 1 AVR. |
3. Der Krankengeldzuschuss
Nach Ablauf des Bezugszeitraums der Krankenbezüge, haben Beschäftigte den schon oben genannten Anspruch auf Zahlung von Krankengeld gegenüber ihren Krankenkassen, § 44 SGB V. Zusätzlich zum Krankengeld sehen die AVR aber auch noch einen Anspruch auf Krankengeldzuschuss vor, Abschnitt XII Absatz c) Anlage 1 AVR. Mit diesem Krankengeldzuschuss soll die Differenz zwischen Krankengeld und Nettoverdienst möglichst ausgeglichen werden (siehe Abschnitt XII Absatz h) Anlage 1 AVR). Der Anspruch auf Zahlung eines Krankengeldzuschusses ist gesetzlich nicht vorgesehen. Erergibt sich vor allem aus Regelungen des Dritten Wegs wie den AVR Caritas und teilweise aus Tarifverträgen. Anders gesagt: Nur Beschäftigte im Geltungsbereich solcher Regelungen wie der AVR Caritas oder bestimmter Tarifverträge haben solch einen Anspruch.
Der Anspruch auf Krankengeldzuschuss besteht aber nicht während des ersten Jahres in einem Dienstverhältnis im Anwendungsbereich der AVR Caritas, Abschnitt XII Absatz d) Anlage 1 AVR (Ausnahme: Abschnitt XII Absatz j) Anlage 1 AVR, s.o. Herr D).
Die Dauer des Anspruchs auf Zahlung des Krankengeldzuschusses richtet sich nach der Dauer des Dienstverhältnisses im Anwendungsbereich der AVR Caritas. Beschäftigte mit einer Beschäftigungszeit von mehr als einem Jahr haben Anspruch auf Krankengeldzuschuss bis zum Ende der 13. Woche der Arbeitsunfähigkeit; Beschäftigte mit mehr als drei Jahren Beschäftigungszeit haben Anspruch auf Krankengeldzuschuss bis zum Ende der 26. Woche (Abschnitt XII Absatz c) Anlage 1 AVR.
4. Darlegungs- und Beweislast
Gemäß Abschnitt XIIa Absatz a) Anlage 1 AVR haben Dienstnehmer ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, haben Dienstnehmer spätestens am Arbeitstag, der auf den dritten AU-Tag folgt, eine ärztliche AU-Bescheinigung vorzulegen, bzw. über ihre Krankenkasse zugänglich zu machen.
In der Praxis kommt es hin und wieder vor, dass Dienstgeber nicht sicher sein können, ob die Krankmeldungen oder vorgelegten AU-Bescheinigungen ihrer Dienstnehmer vollständig der Wahrheit entsprechen oder vorgetäuscht sind. In Abschnitt XIIa Absatz a) Satz 9 Anlage 1 AVR findet sich eine Regelung, wonach der Dienstgeber die Zahlung der Krankenbezüge verweigern kann, solange der entsprechende Dienstnehmer die ärztliche AU-Bescheinigung nicht vorlegt bzw. zugänglich macht. Darüber hinaus hat das BAG wiederholt entschieden, dass ein Arbeit- oder Dienstgeber das Recht hat, keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (oder Krankenbezüge) zu leisten, solange er ernsthafte Zweifel an der Echtheit der Arbeitsunfähigkeit hat. Die Arbeitsgerichte legen die Hürden für solche ernsthaften Zweifel jedoch sehr hoch. So gehen Arbeitsgerichte in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Beschäftigte die Pflicht haben, alles zu tun, was ihrer Genesung förderlich ist, sodass z.B. auch ein Kurzurlaub am Meer dazu dienlich sein kann, Erschöpfungszustände zu überwinden. Dienstgeber müssen sich also bewusst sein, dass es vor einem Arbeitsgericht extrem schwer ist, eine Dienstunfähigkeit bzw. den Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern.
VII. Erholungsurlaub
Gemäß § 1 BUrlG haben Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Die Regelungen des BUrlG durchbrechen damit ebenfalls den Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Allerdings sind die Regelungen des BUrlG lediglich als Mindestvorschriften zu verstehen, von denen zu Gunsten von Beschäftigten abgewichen werden darf. Die verschiedenen Regelungen zum Jahresurlaub, die in Deutschland existieren, sind ein wenig unübersichtlich.
Frau I arbeitet als Pflegefachkraft in einem Caritas-Seniorenheim im nicht ständigen Wechselschichtdienst (Fünf-Tage-Woche) und kommt damit im Jahr 2023 auf etwa 320 bis 350 Nachtarbeitsstunden. Die neue Personalleiterin in dieser Einrichtung will sich einen Überblick über die verschiedenen Urlaubsregelungen verschaffen und kommt für Frau I zu folgenden Erkenntnissen:
Die Personalleiterin ist der Ansicht, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch gelten müsse; Frau I ist der Ansicht, für sie gelten alle Regelungen der AVR und alle besonderen Regelungen für Pflegekräfte, sodass sie auf einen Urlaubsanspruch von 41 Tagen für das Jahr 2023 kommt. |
Die Regelungen den BUrlG sehen nach ganz allgemeiner Einigkeit lediglich Mindesturlaubsansprüche vor, von denen zugunsten von Beschäftigten durch untergesetzliches Recht, kollektive Vereinbarungen (AVR oder Tarifverträge) oder durch Einzelarbeitsverträge abgewichen werden darf. Die Mehrurlaubsregelung in § 4 der 6. PflegeArbbV gilt nur für den Fall, dass „tarifliche, betriebliche, arbeitsvertragliche oder sonstige Regelungen insgesamt einen über den gesetzlichen Erholungsurlaub hinausgehenden Anspruch auf bezahlten Urlaub nicht vorsehen“. Mit dieser Formulierung ist gemeint, dass Beschäftigte, die unter die PflegeArbbV fallen, auch anteilig von dem dort statuierten Mehrurlaub profitieren sollen, wenn sie von Regelungen profitieren, die weniger als 9 Tage Mehrurlaub vorsehen. Schließlich geht es im Beispielsfall unstreitig um ein Dienstverhältnis, das in den Geltungsbereich der AVR Caritas fällt.
Für Frau I bedeutet das, dass sie aus §§ 1, 3 Anlage 14 AVR einen Jahresurlaubsanspruch von 30 Tagen hat. Zusätzlich stehen ihr als Beschäftigte im nicht ständigen Wechselschichtdienst 2 Tage Zusatzurlaub zu (§ 17 Abs. 3 Anlage 32 AVR). Die damit erreichten 32 Tage Urlaub gehen über die Sonderregelung in § 4 der 6. PflegeArbbV hinaus (danach kommt man auf 29 Tage Urlaub), sodass diese Regelung in diesem Fall ins Leere läuft. Ebenfalls geht der Urlaubsanspruch von Frau I aus den AVR Caritas über den Anspruch aus dem BUrlG hinaus, sodass auch diese Regelungen unbeachtlich sind. Frau I hat demnach für 2023 einen Jahresurlaubsanspruch von 32 Werktagen. |
Grundsätzlich gilt der o.g. Gedanke, wonach die Regelungen des BUrlG Mindestvorschriften sind, die durch ausdrückliche Vereinbarungen ersetzt werden können, für alle Regelungen des BUrlG, also z.B. für die Frage, bis wann der Urlaub genommen werden muss, § 7 BurlG. Wo ausdrückliche Vereinbarungen fehlen, gelten die Mindestvorschriften. Da die AVR Caritas jedoch nicht zwischen dem gesetzlichen Urlaubsanspruch und einem übergesetzlichen Urlaubsanspruch unterscheiden, muss hier nicht zwischen gesetzlichem und übergesetzlichem Urlaub unterschieden werden.
VIII. Weitere Ausnahmen vom Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“
Weitere gesetzlich und untergesetzlich geregelte Ausnahmen vom Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ finden sich z.B. in:
- § 18 MuSchG (Mutterschutzlohn für Beschäftigungsverbote außerhalb der Schutzfristen)
- § 15 MAVO (vergütete Freistellung für Tätigkeiten in einer MAV)
- § 10 Abs. 5 AT AVR (vergütete Freistellung für die Teilnahme an Exerzitien)
Arbeitsrechtliche Analyse
AVR erklärt