Zum Hauptinhalt springen

Wieviel Potenzial steckt in der Aufstockung von Teilzeit­beschäftigung?

In der Diskussion um den Fachkräftemangel wird häufig die Aktivierung von Teilzeitbeschäftigten genannt. Welches Potenzial in der Ausweitung von Teilzeitbeschäftigung tatsächlich liegt, ist gesamtgesellschaftlich jedoch kaum zu erfassen. Auf der Basis der Daten des Caritaspanels können für die Caritas hingegen konkrete Potenziale aufgezeigt werden.

Datenlage zum gesamtgesellschaftlichen Potenzial ist schwierig

In einer aktuellen Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) wird deutlich, dass die Freizeitpräferenz nicht nur von der Generation Z ausgeht, sondern über alle Altersklassen hinweg der Wunsch besteht, die Arbeitszeit zu reduzieren. Diese gesellschaftliche Entwicklung fällt in eine ungünstige Zeit. Denn durch den Renteneintritt der starken Baby-Boom-Generation gerät der Arbeitsmarkt immer mehr unter Druck. Es müssten also Anreize gesetzt werden, dass Arbeitnehmer motiviert sind, mehr zu arbeiten. Diese Aktivierung von Teilzeitbeschäftigten wird häufig als ein großes Potential dargestellt, den Fachkräftemangel zu begrenzen.

Leider enthalten die zur Teilzeitbeschäftigung verfügbaren Daten jedoch in der Regel keine Information zum geleisteten Stundenumfang. Das Statistische Bundesamt geht etwa von einer Vollzeitbeschäftigung aus, wenn regelmäßig die normalerweise übliche bzw. tarifvertraglich oder gesetzlich festgelegte Arbeitszeit geleistet wird. Die tarifvertragliche Arbeitszeit kann je nach Betrieb aber erheblich voneinander abweichen. Für die Darstellung von Vollzeit und Teilzeit etwa in der Mikrozensushaushaltsstichprobe wird daher die Selbsteinschätzung der Befragten zu Grunde gelegt. In der Diskussion über das in einer Aktivierung von Teilzeitbeschäftigten steckende Potential muss also berücksichtigt werden, dass eine konkrete Bewertung des potenziell zusätzlich zur Verfügung stehenden Arbeitszeitumfangs gesamtgesellschaftlich derzeit nicht möglich ist.

Das Statistische Bundesamt hat im Rahmen der jüngsten Mikrozensuserhebung auch Daten zur Teilzeitbeschäftigung erhoben. Es ist weiterhin ein moderater Trend zu mehr Teilzeitbeschäftigung zu beobachten. 31 Prozent der Arbeitnehmer gingen im Jahr 2023 einer Teilzeitbeschäftigung nach; dies stellt eine Steigerung in der Teilzeitquote von drei Prozentpunkten gegenüber dem Jahr 2013 (28 Prozent) dar. Sowohl bei Frauen als auch bei Männern hat die Teilzeitbeschäftigung seit dem Jahr 2013 leicht zugenommen: 2013 hatten 48 Prozent der Frauen und 10 Prozent der Männer in Teilzeit gearbeitet; 2023 waren es 50 Prozent der Frauen und 13 Prozent der Männer.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind der häufigste Grund für eine Beschäftigung in Teilzeit: 67 Prozent aller Mütter und 9 Prozent aller Väter arbeiten in Teilzeit. Mögliche weitere Gründe für eine Teilzeitbeschäftigung sind gesundheitliche Einschränkungen, Aus- und Weiterbildung, das fehlende Angebot von Vollzeitjobs, oder andere familiäre Verpflichtungen wie die Pflege von Angehörigen. 27 Prozent der Teilzeitbeschäftigten jedoch gehen auf eigenen Wunsch einer Teilzeitbeschäftigung nach, ohne Benennung eines Grundes. Unter Frauen lag dieser Anteil bei 29 Prozent und unter Männern bei 23 Prozent. Das Teilzeitmodell wird über alle Altersgruppen hinaus genutzt.

Die Begründung für die reduzierte Arbeitszeit unterscheidet sich jedoch je nach Altersgruppe. 70 Prozent in der Altersgruppe der 15- bis 24-jährigen gaben an, aufgrund der eigenen Bildung – also auf Grund eines Studiums oder einer Ausbildung, in Teilzeit zu arbeiten. Der häufigste Grund für die reduzierte Arbeitszeit bei den 35- bis 44-jährigen lag mit 53 Prozent in der Kinderbetreuung. Ohne besondere Begründung arbeiteten 32 Prozent in der Altersgruppe der 45- bis 54-jährigen und 44 Prozent bei den 55- bis 64-jährigen in Teilzeit. Die Ergebnisse der Datenerhebung zeigen auch, dass mit zunehmendem Alter auch der Anteil derer, die aufgrund eigener körperlicher Beeinträchtigungen die Arbeitszeit verkürzen müssen, steigt. 9 Prozent in der Altersgruppe der 55 Jahre bis 64 Jahre gaben dies als Grund für ihre Teilzeitbeschäftigung an.

Konkretes Potenzial im Bereich der Caritas

Auf Datengrundlage des Caritaspanels, der alle zwei Jahre stattfindenden Rechtsträgerbefragung der Caritas-Dienstgeber, lassen sich hingegen konkrete Rückschlüsse auf ein Aktivierungspotenzial von Teilzeitbeschäftigung ziehen. Die Ergebnisse der letzten Befragungsrunde von 2022 haben zudem einen akuten Fach- und Personalmangel auch für den Bereich der Caritas bestätigt.

Sinkende Teilzeitquote und vollzeitnahe Beschäftigung bei der Caritas

Aus der Mikrozensuserhebung geht hervor, dass die meisten Mangelberufe für nichtakademische Fachkräfte einen stark unterdurchschnittlichen Teilzeitanteil aufweisen. Eine Ausnahme stellt der Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege dar. Hier lagen die Teilzeitanteile mit 39 Prozent (Gesundheitspflege) und 43 Prozent (Altenpflege) deutlich über dem Durchschnitt aller Erwerbstätigen (31 Prozent). Dies muss in Zusammenhang gesehen werden mit dem Anteil an Frauen in diesem Bereich: Laut Agentur für Arbeit machen Frauen in Teilzeit den größten Teil aller Pflegekräfte aus.

Die Befragungsergebnisse aus dem Caritaspanel 2022 bestätigen einen hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigung auch für die Einrichtungen und Dienste der Caritas. Bei der Befragung 2022 ergab sich eine Teilzeitquote (jeglicher Beschäftigungsumfang unter 100 Prozent) von 62 Prozent. Dieser besonders hohe Wert korreliert auch bei der Caritas mit dem hohen Frauenanteil in der Belegschaft (77,5 Prozent). Es ist aber auch festzustellen, dass die Teilzeitbeschäftigung gegenüber 2016 um acht Prozentpunkte gesunken ist. Die Daten des Caritaspanels erlauben jedoch noch eine genauere Betrachtung der Beschäftigungsumfänge. Bei der Erhebung wird zwischen Vollzeit (100 Prozent), vollzeitnah (75 bis unter 100 Prozent) sowie drei weiteren Teilzeitumfängen (geringfügige Beschäftigung, unter 50 Prozent, 50 bis unter 75 Prozent) unterschieden.

So ist festzustellen, dass im Bereich der Caritas die höheren Teilzeitanteile dominieren. Rund ein Fünftel der Beschäftigten ist mit einem Umfang zwischen 75 und unter 100 Prozent eines Vollzeitumfangs tätig. Der gebündelte Anteil von Vollzeit (38 Prozent) und Vollzeitnähe beträgt somit fast 60 Prozent. Weitere 22 Prozent der Beschäftigten haben einen Beschäftigungsumfang zwischen 50 und 74 Prozent. Erscheint also zunächst im Vergleich mit den Ergebnissen des Mikrozensus zum Durchschnitt aller Erwerbstätigen (31 Prozent in Teilzeit) die Teilzeitquote bei der Caritas doppelt so hoch (62 Prozent), muss diese Aussage bei näherer Betrachtung relativiert werden. Aufgrund von flexiblen Arbeitszeitmodellen, die die AVR Caritas ermöglichen, werden unterschiedliche Arbeitszeitumfänge erzielt, bei denen hohe Teilzeitanteile dominieren.

Aus den Ergebnissen des Caritaspanel 2022 geht hervor, dass mehr als drei Viertel (77 Prozent) der Befragten arbeitnehmerinnenseitige Wünsche nach flexiblen Arbeitszeiten erfüllen. Die Dienste und Einrichtungen der Caritas setzen daher auf betrieblicher Ebene Anreize, um das Potenzial von Teilzeitkräften auszuschöpfen. So ist eine steigende Tendenz der Unterstützungsmöglichkeiten für Beschäftigte mit betreuungspflichtigen Kindern (46 Prozent; plus 4 Prozentpunkte) oder pflegebedürftigen Angehörigen (41 Prozent; plus 4 Prozentpunkte) festzustellen. Auch durch Investitionen in den Gesundheitsschutz kann versucht werden, Arbeitszeitreduktionen aufgrund von körperlichen Beeinträchtigungen entgegenzusteuern – ein wichtiger Grund für Teilzeitbeschäftigung laut Mikrozensuserhebung vor allem in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen. Hier geben bereits fast 40 Prozent der teilnehmenden Rechtsträger an, dass sie kostenlose oder vergünstigte gesundheitliche Zusatzleistungen anbieten.

Fazit: Datenlage und Maßnahmen

Die Aktivierung von Teilzeitbeschäftigten birgt ein großes Potenzial, den Fachkräftebedarf zumindest zum Teil abzudecken. Allerdings bedarf es einer genaueren Analyse. Denn aufgrund der „Selbsteinschätzung“ in der Mikrozensuserhebung ist nicht klar, in welchem Umfang genau der Teilzeitbeschäftigung nachgegangen wird. Aus der differenzierten Betrachtung der Altersgruppen gehen unterschiedliche Gründe für die Teilzeitbeschäftigung hervor. Um konkrete Maßnahmen zur Verringerung der Teilzeitquote unter den Beschäftigten entwickeln zu können, wären jedoch noch genauere Daten über die Gründe und das Ausmaß der Teilzeitbeschäftigung von Arbeitnehmern bestimmter Altersgruppen erforderlich.

Alternative Arbeitszeitmodelle, wie sie heute schon in den AVR Caritas möglich sind, bieten Arbeitnehmern flexible Gestaltungsmöglichkeiten, auf ihre individuellen Bedürfnisse einzugehen und begünstigen so Teilzeitmodelle mit hohem Beschäftigungsumfang.

Insbesondere in der Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit liegt großes Potenzial – und das vor allem im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind der häufigste Grund für eine Beschäftigung in Teilzeit: 67 Prozent aller Mütter und 9 Prozent aller Väter arbeiten in Teilzeit.Die Zahl der Geburten in Deutschland war 2023 so niedrig wie zuletzt 2013 und lag bei 693 000. Familien zu unterstützen ist somit das erfolgversprechendste Instrument der Politik zur Entlastung des Arbeitsmarktes. Dafür liegen bereits effiziente Maßnahmen wie das Recht auf einen Kitaplatz oder die Ganztagsbetreuung in Schulen vor. Ohne ein ausreichendes und bezahlbares Angebot an Betreuungsplätzen laufen diese Maßnahmen aber ins Leere. Die flächendeckende Umsetzung muss also dringend weiter vorangetrieben werden.

Auch Ansätze, wie sie zuletzt Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW im Rahmen ihrer neuesten Studie eingebracht haben, gilt es weiter zu verfolgen. Sie plädieren unter anderem dafür, die Frauenerwerbstätigkeit durch die Reform des Ehegattensplittings und der Lohnsteuerklassen zu erhöhen.

Ökonomische Analyse

Autor/-in: Anusha Anthonippillai

Melden Sie sich zum Newsletter an

Seien Sie immer einen Schritt voraus:
Erhalten Sie regelmäßig Informationen zu tarifrechtlichen Entwicklungen sowie wichtige Praxishinweise in unserem Dienstgeberbrief!

 

Newsletter abonnieren