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Steigende Löhne und Eigenanteile in der stationären Pflege

Wie wirken die beiden Aspekte – ansteigende Löhne und Eigenanteile – zusammen? Der Artikel betrachtet beide Seiten der Medaille.

Die Nachrichten von steigenden Löhnen in den Pflegeberufen – wie sie zum Beispiel vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in der Publikation „Entgelte von Pflegekräften 2021“ veröffentlicht wurden – sind erfreulich. Sie zeigen deutlich die positive Entwicklung der Entgelte von Pflegkräften in den letzten zehn Jahren. Allerdings sind die steigenden Löhne insbesondere in der stationären Langzeitpflege nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite der Medaille sind die steigenden Eigenanteile der Pflegebedürftigen (einrichtungseinheitlichen Eigenanteile (EEE)) in der stationären Langzeitpflege. Deren ebenfalls rasante Entwicklung geht aus einer aktuellen Auswertung der „Echtdaten“ aus dem Pflegenavigator der AOK des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hervor. Beide Aspekte sowie deren Zusammenwirken werden im Folgenden beleuchtet.

Entwicklung der Entgelte von Pflegekräften

In der Publikation des IAB wird neben der nominalen Entwicklung der Löhne auch die reale Entwicklung betrachtet. Diese ist vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung der Verbraucherpreise („Inflationsrate“) ein wichtiger Aspekt. Die Waren und Dienstleistungen, die vom statistischen Bundesamt bei der Entwicklung der Verbraucherpreise im Verbraucherpreisindex berücksichtigt werden, sind zwischen 2012 und 2021 um 12 Prozent teurer geworden.

Abbildung 1: Entwicklung der um den Verbraucherpreisindex bereinigten monatlichen Bruttoentgelte in ausgewählten Pflegeberufen in Deutschland im Vergleich, 2012–2021
Jeweils 31. Dezember, Entgelte in Euro, Index: 2012 = 100, Veränderung in %

 

Abbildung 1 zeigt die reale Lohnentwicklung (der Medianwerte) für Beschäftigte in der Pflege sowie für alle Beschäftigten. Bei der realen Betrachtung werden die nominalen Steigerungsraten um die Preisentwicklung bereinigt. Real bleiben von der nominalen Steigerung des Medianlohns aller Beschäftigten in Höhe von 22 Prozent nur noch neun Prozent Steigerung übrig. Auch die Lohnzuwächse im Bereich der Pflege fallen bei einer Betrachtung unter Berücksichtigung der Preisentwicklung deutlich geringer aus. Der reale Lohnzuwachs von Fachkräften in der Altenhilfe liegt aber im betrachteten Zeitraum noch immer bei satten 25 Prozent, der von Helfern bei 24 Prozent. In der Krankenpflege waren die nominalen Zuwächse im betrachteten Zeitraum deutlich geringer. Aus diesem Grund liegen die realen Lohnsteigerungen hier zwischen 12 Prozent für Helfer und 15 Prozent für Fachkräfte. Somit haben sich auch die preisbereinigten Löhne in der Pflege noch deutlich besser entwickelt als in der Gesamtwirtschaft.

Die nominalen Ergebnisse aus dem Entgeltatlas 2021 werden in dem Artikel „Entgeltstatistik und Beschäftigungsstruktur in der Gesundheits- und Pflegebranche“ umfassend analysiert und im Vergleich zur Caritas dargestellt. Hier wird dargelegt, dass das Medianentgelt für Fachkräfte in der Altenhilfe 2021 über dem mittleren Monatsentgelt aller Fachkräfte lag.

Entwicklung der einrichtungseinheitlichen Eigenanteile

Die einrichtungseinheitlichen Eigenanteile (EEE) der Pflegebedürftigen in der stationären Pflege steigen schon seit mehreren Jahren kontinuierlich an. Für das Jahr 2022 hat das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) nun anhand einer ersten Auswertung der „Echtdaten“ aus dem Pflegenavigator der AOK einen besonders starken Anstieg der Eigenanteile festgestellt. Dieser starke Anstieg ist im Wesentlichen auf die seit dem 01.09.2022 bestehende Verpflichtung zur Bezahlung des Pflegepersonals auf Tarifniveau zurückzuführen. Laut der WldO liegen die EEE Mitte November 2022 um durchschnittlich 21 Prozent höher als im Jahr zuvor. Die Entwicklung des EEE in den letzten fünf Jahren ist in Abbildung 2 dargestellt. Die jährliche Kostensteigerung lag demnach zwischen 2017 und 2021 zwischen elf Prozent und 14 Prozent und ist nun zuletzt sprunghaft um sieben Prozentpunkte gestiegen.

Abbildung 2: Anstieg der einrichtungseinheitlichen Eigenanteile (EEE) ohne Berücksichtigung der nach Wohndauer gestaffelten Leistungszuschläge
jeweils zum Stichtag 1. Oktober bzw. 15. November

 

In Euro ausgedrückt liegen die durchschnittlichen monatlichen pflegebedingten Kosten, die über den EEE von den Pflegebedürftigen zu tragen sind, aktuell bei 697 Euro. Hinzu kommen die Kosten für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von durchschnittlich 836 Euro sowie die Investitionskosten von durchschnittlich 468 Euro. Die monatlichen Kosten summieren sich damit auf durchschnittlich 2.001 Euro. Dabei sind die seit Anfang 2022 eingeführten Leistungszuschläge, deren Höhe von der Dauer der stationären Pflege abhängt, bereits berücksichtigt. Über die Zeit betrachtet, müssen die Bewohnerinnen und Bewohner mit einem Wohnaufenthalt bis zu einem Jahr insgesamt 2.438 Euro an monatlichen Kosten selbst tragen. Dieser Betrag reduziert sich jährlich und beträgt ab einem Aufenthalt von mehr als drei Jahren noch 1.662 Euro. Die tatsächliche Höhe der von Bewohnerinnen und Bewohnern durchschnittlich selbst zu tragenden Pflegekosten sind regional sehr unterschiedlich. Sie liegen unter Berücksichtigung des Leistungszuschlags zwischen 1.525 Euro in Sachsen-Anhalt und 2.374 Euro im Saarland. Ebenfalls in der Spitzengruppe sind Baden-Württemberg mit 2.244 Euro und Nordrhein-Westfalen mit 2.320 Euro selbst zu tragenden Kosten für Pflege, Unterkunft und Verpflegung sowie den Investitionskosten. Weitere Zahlen können der Pressemitteilung des AOK-Bundesverbandes vom 16.11.2022 zum Anstieg der Eigenanteile in der stationären Versorgung entnommen werden.

Fazit und Ausblick

Die beiden dargestellten Entwicklungen hängen aufgrund der Konstruktion der deutschen Sozialen Pflegeversicherung zusammen und sind quasi zwei Seiten einer Medaille. Da die Soziale Pflegeversicherung als Teilleistungssystem organisiert ist, muss ein wesentlicher Teil der Kosten von den Pflegebedürftigen selbst getragen werden. Bei den zusätzlichen Kosten, die durch die höheren Löhne entstanden sind, geht der AOK-Bundesverband z.B. davon aus, dass rund 60 Prozent der Mehrkosten von den Pflegebedürftigen selbst zu tragen sind. Der Rest – rund 40 Prozent – wird aus der Sozialen Pflegeversicherung finanziert. Dies macht deutlich, dass Lohnsteigerungen systembedingt immer zu einem guten Teil „weitergereicht“ werden und zu Lasten der Pflegebedürftigen gehen. Dies gilt auch für die Steigerungen, die auf den gestiegenen Pflegemindestlohn oder die Tarifanwendung aufgrund des GVWG zurückzuführen sind. Die aktuelle allgemeine Preisentwicklung wird für eine weitere Kostendynamik sorgen: Zum einen direkt über die höheren Sachkosten, die sich schon kurzfristig in den Kosten für Unterkunft und Verpflegung niederschlagen werden, und zum anderen auch über die auf Grund der hohen Inflation erwartbaren Lohnsteigerungen in den anstehenden Tarifrunden 2023.

Vor diesem Hintergrund ist die Sicherung der Finanzierung der defizitären Sozialen Pflegeversicherung ein weiteres wichtiges Thema, das die Politik vor große Herausforderungen stellen wird.

Ökonomische Analyse

Autor/-in: Dr. Pascal Krimmer

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