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Die Vermittlungsverfahren zur Festlegung von Arbeitsbedingungen im Dritten Weg und die Vorgaben der Rechtsprechung

In der juristischen Literatur wird regelmäßig über die rechtskonforme Ausgestaltung des Vermittlungsverfahrens im Dritten Weg debattiert. Norbert Altmann ordnet den Meinungsstand ein und verabschiedet sich mit diesem Artikel als Sprecher der Dienstgeberseite.

Die Vermittlungsverfahren in Kirche und Caritas im Lichte der Rechtsprechung des BAG

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in seinem Urteil vom 20. November 2012 (Az. 1 AZR 179/11) ausführlich mit den Vermittlungsverfahren im Dritten Weg befasst und bestimmte Prämissen formuliert, denen diese Vermittlungsverfahren genügen müssen.

1. Das Urteil des BAG vom 20. November 2012

In dem vom BAG entschiedenen Rechtsstreit hatten verschiedene evangelische Träger von der Gewerkschaft ver.di nach durchgeführten Warnstreiks verlangt, Aufrufe zu Streiks in diakonischen Einrichtungen zu unterlassen. Sie haben sich dabei auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht und das damit verbundene Recht zur selbständigen Regelung von Arbeitsrechtssystemen berufen. Ver.di hatte sich demgegenüber auf das Recht auf Koalitionsbetätigungsfreiheit Gestützt (Art. 9 Abs. 3 GG).

Das BAG hat die Revisionen der Kläger im Ergebnis zurückgewiesen, weil Arbeitskämpfe nicht grundsätzlich und allgemein das kirchliche Selbstbestimmungsrecht beeinträchtigen. Gleichzeitig stellte das BAG aber fest, dass die Koalitionsbetätigungsrechte aus Artikel 9 Abs. 3 GG keine allgemein geltende Grenze des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts sind. Der Senat kam vielmehr zu dem Schluss, dass in Unternehmen des Dritten Wegs grundsätzlich eine Abwägung zwischen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht und dem Grundrecht aus Artikel 9 Abs. 3 GG stattzufinden habe.

Bei der Güterabwägung beider verfassungsrechtlich gewährleisteter Rechte sei das Recht auf kirchliche Selbstbestimmung zunächst wesentlich. Denn Kirchen dürfen hieraus ihr eigenes Selbstverständnis ableiten und dieses erst einmal rechtlich umsetzen bzw. ausgestalten. Doch seien die Kirchen in der Ausgestaltung dieses Konzeptes nicht völlig frei. Ihre kirchliche Selbstregelungsfreiheit müsse Rücksicht auf die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen des Artikel 9 Abs. 3 GG nehmen. Ihr Regelungsmodell dürfe die Koalitionsfreiheit und die Tarifautonomie nur insoweit verdrängen, wie es für die Wahrung ihres Leitbildes von der Dienstgemeinschaft (unbedingt) erforderlich sei, was zum Beispiel bedeute, dass Gewerkschaften in die konsensualen Verfahren des Dritten Wegs einzubinden seien. Dazu heißt es wörtlich im Urteil:

„Ein Regelungsmodell, das den Arbeitskampf ausschließt, muss (…) darauf angelegt sein, die strukturelle Verhandlungsschwäche der Dienstnehmer auszugleichen. Paritätische Besetzungsregeln genügen hierfür allein nicht. Vielmehr bedarf es weiterer Instrumente, die geeignet sind, Verhandlungsblockaden zu lösen und die Kompromissbereitschaft der Gegenseite zu fördern. Dieser Erkenntnis verschließt sich der Dritte Weg grundsätzlich nicht. (…) Kommt es in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen nicht zu einer Einigung, werden die gescheiterten Verhandlungen paritätisch besetzten Schiedskommissionen übertragen, die ein unabhängiger und neutraler Dritter leitet und mit seiner Stimme zu einem Ergebnis führt. Ein solches Schlichtungsverfahren kann (…)zur Herstellung eines Verhandlungsgleichgewichts geeignet sein, wenn die mit dessen Entscheidungsstrukturen verbundenen Unwägbarkeiten sowie die Verlagerung der Konfliktlösung auf eine andere Verhandlungsebene schon in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen die Bereitschaft zum Kompromiss fördert (…). Das setzt aber voraus, dass die Anrufung der Schiedskommission und die Überleitung des Verfahrens in dieses Gremium der Dienstnehmerseite uneingeschränkt offensteht und im Falle einer Nichteinigung beider Seiten die Unabhängigkeit und Neutralität des Vorsitzenden der Schlichtungskommission nicht in Frage steht und auch durch das Bestellungsverfahren gewährleistet wird.

(…) Das Leitbild der Dienstgemeinschaft ist nicht darauf gerichtet, Gewerkschaften von Verhandlungen in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen oder Schiedskommissionen fernzuhalten und sie daran zu hindern, aufgrund eigener Entscheidung ihr Sach- und Fachwissen in das Verfahren zugunsten der Dienstnehmer einzubringen. Eine organisatorische Einbindung von Gewerkschaften (…) ist (…) Aufgabe der Kirche, der hierbei ein Gestaltungsspielraum zur Verfügung steht. Sie darf diesen jedoch nicht dazu nutzen, Gewerkschaften durch Besetzungsregeln für Arbeitsrechtliche Kommissionen und Schiedskommissionen von einer frei gewählten Mitwirkung am Dritten Weg auszuschließen.“

2. Bewertung der BAG-Rechtsprechung durch die Literatur

Die juristische Literatur leitet aus der zitierten Passage drei Prämissen ab, die erfüllt sein müssen, um einen Streikausschluss im Dritten Weg mit Artikel 9 Abs. 3 GG vereinbar zu machen:

Erstens muss ein Vermittlungsverfahren existieren, das einen fairen und angemessenen Ausgleich der Interessen von Dienstgeberseite und Mitarbeiterseite ermöglicht, was bedeutet, dass dieses Verfahren beiden Seiten uneingeschränkt offensteht, neutral ausgestaltet ist und geeignet ist, eine Entscheidung verbindlich herbeizuführen.

Ferner muss die entsprechende Gewerkschaft organisatorisch ausreichend in das von der Kirche gewählte System eingebunden sein. Konkret gibt das BAG hierzu vor, dass Kirchen ihre Rechtssetzung bzw. Gestaltungsfreiheit nicht dazu nutzen dürfen, Gewerkschaften durch Besetzungsregeln von einer frei gewählten Mitwirkung auszuschließen.

Schließlich gibt das BAG vor, dass ein Arbeitskampfverbot nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn sichergestellt ist, dass die Ergebnisse, die auf diesem von den Kirchen gewählten Weg der Arbeitsrechtsetzung vereinbart worden sind, verbindlich und der einseitigen Abänderung durch den Dienstgeber entzogen sind.

Die drei Prämissen sind überzeugend herausgearbeitet und beziehen sich keinesfalls nur auf Streiks in kirchlichen Einrichtungen, was sie ansonsten banal oder unwichtig machen würde. Die drei Prämissen betreffen vielmehr allgemein die Frage, ob kollektive Arbeitsbedingungen in Kirchen und kirchlichen Wohlfahrtsverbänden nach den Vorgaben des Dritten Wegs wirksam zustande gekommen sind.

3. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Literaturstimmen

Bei genauerem Hinsehen finden sich in verschiedenen Urteilsbesprechungen und Analysen zur hier skizzierten BAG-Rechtsprechung Bewertungen und Schlussfolgerungen, die die Rechtsprechung des Ersten Senats des BAG zu eng darstellen und diese verengte Auslegung auf die Vermittlungsverfahren in der katholischen Kirche und ihrer Caritas anwenden.

Faire, angemessene und neutrale Vermittlungsverfahren in Kirche und Caritas

Vermittlungsgremien mit neutralem Vorsitz

Völlig zu Recht fasst Jacob Joussen in seiner Anmerkung zum BAG-Urteil (Joussen, Anmerkung zu BAG, 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 179)  dessen Vorgaben im Hinblick auf ein faires, angemessenes und neutrales Vermittlungsverfahren zusammen. Und ebenso richtigerweise schreibt der Verfasser, dass das BAG einen Fall zu entscheiden hatte, in dem es um Vermittlungsverfahren ging, die im Recht verschiedener evangelischer Landeskirchen und deren Diakonischer Werke statuiert waren bzw. sind. Dort ist unter anderem geregelt, dass die Vermittlungsausschüsse von neutralen Dritten zu leiten sind. Wenn das BAG also in seinem Urteil ausführt, dass „ein solches Schlichtungsverfahren (…) zur Herstellung eines Verhandlungsgleichgewichts geeignet sein (kann), wenn die mit dessen Entscheidungsstrukturen verbundenen Unwägbarkeiten sowie die Verlagerung der Konfliktlösung auf eine andere Verhandlungsebene schon in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen die Bereitschaft zum Kompromiss fördert (…)“ und sich dabei auf einen Vermittlungsausschuss mit einem neutralen Dritten als Vorsitzendem bezieht, dann ist dies keine Betonung, dass solch ein neutraler Dritter als Ausschussvorsitzender zwingend ist, sondern allein die Bewertung einer im Streit stehenden Regelung, die sich im Arbeitsrecht verschiedener evangelischer Landeskirchen und deren Diakonischer Werke findet.

Das BAG will an dieser Stelle offensichtlich gar nicht allgemein und im Detail vorgeben, wie ein Vermittlungsausschuss genau zusammengesetzt zu sein hat. Dem Ersten Senat geht es vielmehr allein darum, grundsätzlich die Notwendigkeit zu betonen, dass im Dritten Weg „die strukturelle Verhandlungsschwäche der Dienstnehmer auszugleichen (ist)“. Hierzu führt der Senat im Einzelnen aus, dass es insoweit „weiterer Instrumente (bedarf), die geeignet sind, Verhandlungsblockaden zu lösen und die Kompromissbereitschaft der Gegenseite zu fördern.“

Die verbindliche Vorgabe, die der Erste Senat hier macht, ist also nicht die Besetzung eines Vermittlungsausschusses mit einem neutralen Dritten als Vorsitzenden, sondern die Schaffung von Instrumenten, die geeignet sind, Verhandlungsblockaden zu lösen und Kompromissbereitschaften zu fördern.

Von daher ist Jacob Joussen zuzustimmen, wenn er in seiner Anmerkung schreibt, dass es hierfür „viele Modelle (gibt), die an dieser Stelle nicht alle aufgeführt werden können.“ Ebenso nachvollziehbar ist seine Aussage, wonach ein „Losverfahren bei der Bestimmung des stimmentscheidenden Unabhängigen bzw. neutralen Vorsitzenden“ sicherlich geeignet ist, den Vorgaben des Ersten Senats zu genügen. Nicht nachvollziehbar ist allerdings seine Ausführung, wonach Vermittlungsverfahren, in denen sich die von „den jeweiligen Seiten gestellten Schlichter (…) auf einen Vorschlag verständigen“ müssen, nicht diesen Vorgaben genügen; wobei sich Jacob Joussen ausdrücklich auf die Vermittlungsverfahren in der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas beruft.

Noch einen Schritt weiter geht Karin Spelge, die aus dem Urteil des BAG ableitet, dass ein Schlichtungsverfahren, das an die Stelle eines Arbeitskampfes tritt, nur dann den Vorgaben des BAG entspricht, wenn die Schlichtungsgremien paritätisch besetzt sind und diese Gremien von einem unabhängigen und neutralen Dritten geleitet werden, mit dessen Stimme ein verbindliches Ergebnis erreicht werden kann (NK-ArbR/Spelge, 2. Aufl. 2023, GG § 140 Rn. 56-58; Richardi/Spelge KirchenArbR/Spelge, § 14 Rn. 9 ff.). Die Antwort auf die Frage, weshalb nur derart besetzte Schlichtungsgremien die Vorgaben des BAG im Hinblick auf die Lösung von Verhandlungsblockanden und die Förderung der Kompromissbereitschaft erfüllen, bleibt die Autorin schuldig.

Treffender sind demgegenüber die Aussagen von Ingrid Schmidt, wonach ein Vermittlungsverfahren nach den vom Ersten Senat des BAG aufgestellten Prämissen so ausgestaltet sein muss, dass die Erfolgschancen für beide Seiten gleich sind und die Neutralität des Schlichters (bzw. Schlichtungsgremiums) oder des Vorsitzenden der Schlichtungsstelle gewahrt ist (ErfK/Schmidt GG Art. 4 Rn. 55. Ebenso: MHdB ArbR/Reichold § 160 Rn. 17). Diese Aussage über die Gleichheit der Erfolgschancen deckt sich mit der Vorgabe im Urteil des BAG vom 20. November 2012, wonach ein Vermittlungsverfahren geeignet sein muss, ein Verhandlungsgleichgewicht dadurch herzustellen, dass die mit der Vermittlung typischerweise verbundenen Unwägbarkeiten sowie die Verlagerung der Konfliktlösung auf eine andere Verhandlungsebene die Bereitschaft zum Kompromiss fördern.

Die Vermittlungsausschüsse, wie sie in der AK-O, in der Rahmen-KODA-Ordnung und in der ZAK-O geregelt sind, sehen zwei Vorsitzende vor, die sowohl von der Dienstgeberseite als auch von der Mitarbeiterseite zu benennen und grundsätzlich gemeinsam zu wählen sind. Darüber hinaus haben beide Vorsitzende jeweils gemeinsame Vermittlungsvorschläge zu erarbeiten und vorzulegen und bei der Abstimmung im Vermittlungsausschuss eine gemeinsame Stimme. Durch dieses enge Miteinander beider Vorsitzenden sollen diese angehalten werden, „wie ein gemeinsamer Vorsitz“ im Ausschuss zu arbeiten. Sie haben ihre eigene Position zur Disposition zu stellen, um auf diese Weise den Blick für die andere Seite zu öffnen und damit zu einer Einigung zu kommen. Durch diese Einigung bei der Erarbeitung eines gemeinsamen Vermittlungsvorschlags sowie bei der Stimmabgabe über den Einigungsvorschlag rücken beide Vorsitzende also zu einer Art neutralen Leitung des Vermittlungsausschusses zusammen. Ferner trägt die Vorgabe der gemeinsamen Abgabe einer Einzelstimme dazu bei, Pattsituationen im Vermittlungsausschuss zu vermeiden, was ebenfalls durch einen Einzelvorsitz gewährleistet würde. Vor allem aber führt die Vorgabe, sich zu einigen, dazu, dass Vermittlungsvorschläge für keine der beiden Seiten (Dienstgeberseite und Mitarbeiterseite) vorhersehbar (aber auf der zweiten Stufe bindend) sind, wie es auch beim Vorsitz durch eine neutrale Drittperson der Fall wäre. Die Vorhersehbarkeit für beide Seiten wird darüber hinaus noch schwieriger, wenn eine der Ordnungen ein Losverfahren für den Fall der Nichteinigung beider Vorsitzenden vorsieht. Damit erfüllen die Doppelspitzen in den Vermittlungsausschüssen insgesamt das, was Hermann Reichhold treffend schreibt: Im Vermittlungsverfahren bestehen für beide Seiten die gleichen Erfolgschancen (MHdB ArbR/Reichold § 160 Rn. 17).  Vor allem aber führt die gerade unterstrichene Unvorhersehbarkeit des Vermittlungsergebnisses zu den vom BAG betonten Unwägbarkeiten des Vermittlungsverfahrens, vor allem aber dazu, Verhandlungsblockaden beider Seiten zu lösen und die gegenseitige Kompromissbereitschaft zu fördern.

Von daher ist festzustellen, dass die Vermittlungsausschüsse in katholischer Kirche und Caritas im Hinblick auf den Vorsitz der Rechtsprechung des Ersten Senats des BAG genügen.

 

Uneingeschränkte Erreichbarkeit der Vermittlungsausschüsse

Der Erste Senat hat sich in seinem Urteil nicht dazu geäußert, was unter einer uneingeschränkten Erreichbarkeit eines Vermittlungsausschusses genau zu verstehen ist.

Sowohl die ZAK-O (§ 17) als auch die Rahmen-KODA-Ordnung (§ 24) sehen ein doppeltes Quorum für die Anrufung der Vermittlungsausschüsse vor, wonach diese (erstens) nur angerufen werden können, wenn in der Kommission mindestens die Hälfte (nicht aber das notwendige Quorum) der Kommissionsmitglieder für eine Beschlussvorlage gestimmt hat und (zweitens) mindestens die Hälfte der Kommissionsmitglieder für die Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmt. Die AK-O des DCV sieht solch ein doppelts Quorum nicht vor, sondern belässt es in § 18 Abs. 1 beim Quorum von mindestens 50 Prozent der Kommissionsmitglieder zur Anrufung des Vermittlungsausschusses. Sollten diese doppelten Quoren in ZAK-O und Rahmen-KODA-Ordnung einer uneingeschränkten Erreichbarkeit eines Vermittlungsausschusses entgegenstehen?

Was die Notwendigkeit eines Quorums im Zusammenhang mit der Anrufung eines Vermittlungsausschusses angeht, so muss dabei bedacht werden, dass ein Vermittlungsverfahren nicht dazu dient oder dienen soll, einer Minderheit der jeweiligen Arbeitsrechtlichen Kommission oder KODA die Möglichkeit zu geben, eine Minderheitenposition durchzusetzen, die in der Kommission selbst keine Chance auf eine (qualifizierte) Mehrheit hat. Wenn also innerhalb einer Arbeitsrechtlichen Kommission oder KODA eine Dreiviertel-Mehrheit oder eine Zweidrittel-Mehrheit für einen Beschluss nicht erreichbar ist, kann es spiegelbildlich nicht sein, dass beispielsweise nur 10 oder 15 Prozent der Kommissionsmitglieder berechtigt sein sollen, ein Vermittlungsverfahren auf den Weg zu bringen. Von daher ist ein Quorum von mindestens 50 Prozent der Kommissionsmitglieder zur Anrufung des Vermittlungsausschusses geboten. Vor allem aber trägt das 50 Prozent-Quorum zur Anrufung des Vermittlungsausschusses der Tatsache Rechnung, dass sich in einer Arbeitsrechtlichen Kommission oder KODA die Dienstgeber- und die Mitarbeiterseite als gleichstarke Fraktionen begegnen. Das 50 Prozent-Quorum ermöglicht es jeder der beiden Seiten (solange Einigkeit in den Fraktionen besteht) uneingeschränkt, also ohne auf Stimmen der anderen Fraktion angewiesen zu sein, ein Vermittlungsverfahren anstoßen zu können; die andere Fraktion kann dies mit ihren Stimmen alleine nicht verhindern. Von daher steht das 50 Prozent-Quorum der Rechtsprechung des Ersten Senats nicht entgegen, wonach es der Dienstnehmerseite uneingeschränkt offenstehen muss, ein Vermittlungsverfahren einzuleiten. Der Erste Senat spricht an dieser Stelle ausdrücklich von der Dienstnehmerseite und nicht von einzelnen Mitgliedern der Fraktion der Dienstnehmer.

Etwas anderes könnte für das oben genannte zweite Quorum in der ZAK-O und der Rahmen-KODA-Ordnung gelten, wonach bei der ursprünglichen Beschlussfassung in der Kommission mindestens 50 Prozent der Kommissionsmitglieder mitgestimmt haben müssen. Aber auch hier gilt das oben Gesagte, nämlich dass verhindert werden soll, dass eine kleine Minderheit von Kommissionsmitgliedern darauf hinwirken können soll, dass eine Minderheitsposition in ein Vermittlungsverfahren geht und damit eine Chance auf Durchsetzung hat. Von daher ist dieses zweite Quorum nicht anzuzweifeln.

4. Gesamtwürdigung der Vermittlungsverfahren in Kirche und Caritas

Die bisherigen Ausführen haben gezeigt, dass die Vermittlungsverfahren, die in der AK-O, der ZAK-O und der Rahmen-KODA-Ordnung geregelt sind, im Hinblick auf die Zusammensetzung und Anrufbarkeit der Vermittlungsausschüsse der Rechtsprechung des Ersten Senats des BAG gerecht werden. Das bisher Gesagte soll aber auch den Blick dafür öffnen, dass die Ausgestaltung des Dritten Wegs in katholischer Kirche und Caritas insgesamt den Vorgaben des Ersten Senats des BAG im Hinblick auf die Parität von Dienstgeber- und Mitarbeiterseite gerecht wird.

Selbstverständlich ist es allen Beteiligten in Kirche und Caritas ein ernsthaftes Anliegen, den Gedanken einer christlichen Dienstgemeinschaft tatsächlich zu leben, also dazu beizutragen, strukturelle Ungleichgewichte im Verhältnis von Dienstgeber- und Mitarbeiterseite gar nicht erst aufkommen zu lassen und stattdessen dafür Sorge zu tragen, dass sich beide Seiten auf Augenhöhe begegnen. Neben der bisher dargestellten Ausgestaltung der Vermittlungsverfahren ließen sich hierfür zahlreiche weitere Beispiele beschreiben, wie z.B. die Regelungen zur Beteiligung von Gewerkschaften in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen, § 5 AK-O, § 9 Rahmen-KODA-Ordnung und § 5 ZAK-O. Wobei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hinzuweisen ist, dass es ursprünglich die Gewerkschaften selbst waren, die die hier genannten Regelungen zur Beteiligung in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen als „Katzentisch-Behandlung“ vehement abgelehnt haben. Ebenso ist es in Kirche und Caritas selbstverständlich, dass sowohl einzelne Dienstgeber als auch die ganze Dienstgeberseite an die Vermittlungsbeschlüsse bzw. Vermittlungssprüche gebunden sind, da diese ja unmittelbar geltendes Recht werden.

Die Regelungen zum Dritten Weg im Hinblick auf die Kommissionen und die Vermittlungsverfahren sind sogar in sich so stringent, dass beide beteiligten Seiten kaum die Möglichkeit haben, eine Konsensfindung durch eine „Politik des leeren Stuhls“ zu verhindern. Sollte eine der beiden Seiten versuchen wollen, z.B. Beschlüsse auf der Sitzung der Bundeskommission des DCV zu verhindern, so müsste diese Seite der Sitzung nahezu geschlossen fernbleiben, um die Beschlussfähigkeit der Bundeskommission zu verhindern. Diese ist nach § 4 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Bundeskommission der Arbeitsrechtlichen Kommission bei Anwesenheit jeweils der Hälfte der Mitglieder der Mitarbeiterseite und der Mitglieder der Dienstgeberseite gegeben. Anträge an die BK können nach § 12 Abs. 5 AK-O von einem einzelnen Mitglied gestellt werden, sodass eine Antragstellung durch eine „Politik des leeren Stuhls“ genauso wenig verhindert werden kann, wie später die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Anders, als im Tarifgeschehen, wo Verhandlungstermine durch die Verhandlungsleitungen verschoben oder gestört werden können, ist im Dritten Weg nach den Regelungen der katholischen Kirche und Caritas eine auf Konfrontation gerichtete Vorgehensweise nur dadurch möglich, dass eine Bundes- oder Regionalkommissionssitzung durch Herbeiführung der Beschlussunfähigkeit verhindert werden kann, was aber kein exklusiver Mangel des Dritten Wegs ist, sondern eine Regelung, die sich z.B. auch im Vereins- oder Parlamentsrecht findet.

Der vollständige Artikel wird in der Zeitschrift für Arbeitsrecht und Tarifpolitik in kirchlichen Unternehmen (ZAT, Ausgabe 1/2025) veröffentlicht.

Arbeitsrechtliche Analyse

Autor/-in: Norbert Altmann, Dr. Florian Bauckhage-Hoffer

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