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Der bessere Weg

Dienstgeber-Leitungsausschuss-Mitglied Johannes Brumm, Geschäftsführer des Krankenhauses St. Marienstift in Magdeburg und Caritas-Dienstgeber-Sprecher Norbert Altmann, Leiter Personal und Tarifpolitik beim Caritasverband für die Erzdiözese Paderborn e.V., geben Antworten auf die Fragen zur Auswirkung des Ärzte-Beschlusses vom 30.06.2022 und der Bedeutung der Tariffindung im Dritten Weg.

Caritas-Dienstgeber: Herr Brumm, sind Sie zufrieden mit dem Ärzteabschluss vom 30. Juni?

Johannes Brumm: Ja. Denn die rasche Umsetzung des Beschlusses zeigt, wie gut die Arbeit der Arbeitsrechtlichen Kommission funktioniert. Ohne Streik, Aussperrung und endloses Gerangel haben wir gemeinsam mit der Mitarbeiterseite zu einer guten Lösung gefunden.

Was bedeutet die Entscheidung für Ihre Region?

JB: Nachdem wir in der Regionalkommission Ost den Beschluss übernommen haben – nur wenige Tage nach der Bundesentscheidung – haben wir ihn schnell in unserem System installiert. Wir arbeiten in der RK generell schnell und effizient, damit sich die Einrichtungen und Dienste rasch auf die neuen Entscheidungen und Regelungen einstellen können.

Gab es lange Diskussionen?

JB: Ja. Die Regionalkommission Ost tickt etwas anders als die Kommissionen im Süden oder Westen der Republik, einfach weil wir eine andere Struktur in unseren Regionen haben. Weniger Kirchenbindung, mehr Personalknappheit und dadurch zum Teil verheerendere Situationen vor allem an Kliniken. Wir haben heiß diskutiert in unserer RK – aber am Ende stand die Einigung.  

Welche Herausforderungen kommen auf Ihr Haus zu?

JB: Es wird eine finanzielle Herausforderung. Wir wollen schließlich unsere bestehenden Mitarbeitenden halten und neue finden – gleichzeitig steigen nun die Gehälter, und es kommen Einmalzahlungen auf uns zu. Aber es gibt immer zwei Seiten einer Medaille, so auch bei AK-Beschlüssen, denn gute Löhne und Gehälter sind seit jeher das Aushängeschild der Caritas. Wir müssen im Wettbewerb um die besten Ärztinnen und Ärzte mit anderen Arbeitgebern mithalten können, und das tun wir. Die Caritas zahlt gerade in Pflegeberufen Top-Vergütungen. Wir müssen aber – gerade in kleineren Häusern – flexibel bleiben. Die Regelung für kleine Fachabteilungen, die mit dem Beschluss der AK weitergeführt werden kann, hilft uns dabei enorm.

Die Regelung für kleine Fachabteilungen bedeutet doch mehr Bereitschaftsdienste für Ärztinnen und Ärzte, oder?

JB: Es bedeutet, dass dem Mitarbeiter die Möglichkeit geboten wird, mehr Bereitschaftsdienste zu übernehmen, die entsprechend vergütet werden. Bei unserem Personalmangel ist es extrem wichtig, dass wir die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten stets aufrechterhalten – das ist unser christlicher Urgedanke. Und mit dieser flexiblen Regelung können wir mit mehr freiwilliger personeller Unterstützung planen. Das hilft uns sehr.

Norbert Altmann: Bei dieser Entscheidungsfindung bezüglich der kleinen Fachabteilungen war es uns besonders wichtig, dass wir uns auf eine Regelung einigen, unter der jeder Träger existieren, das heißt: gut wirtschaften und seine Mitarbeitenden halten kann. Dass sich alles die Waage hält – gute Gehälter, zufriedene Mitarbeitende und solide geführte Einrichtungen – ist uns wichtig im Sinne unserer Dienstgemeinschaft.

JB: Der Punkt ist doch: Wir müssen die ärztliche Versorgung gerade im ländlichen Raum sichern! Es kommt doch zum Glück niemand auf den Gedanken, Kitas, Feuerwehren oder Schulen zu schließen, weil zu wenig Personal da ist. Also müssen wir auch weiterhin gute Lösungen für die Krankenhäuser finden. Und diesen Rahmen haben wir geschaffen – im Gegensatz zum TVÖD!

Die AVR Caritas sind besser als der TVÖD?

NA: Ja, das sind sie. Und wir könnten noch besser sein und insbesondere für die Bereiche Pflege und Soziales noch bessere Lösungen finden. Denn der TVÖD ist in diesen Feldern so gut wie gar nicht vertreten und kann deshalb kein Vorbild für uns sein. Wir sollten hier noch viel mehr unser eigenständiges Tarifrecht betonen und herausarbeiten.

Was treibt Ärztinnen und Ärzte in eine kleine Caritas-Klinik?

JB: Unser Personal stammt vor allem aus der Magdeburger Gegend. Entweder hat derjenige hier studiert und dann direkt den Weg zu uns eingeschlagen, oder die Ärztin hat Erfahrung in anderen Städten oder Ländern gesammelt und bringt sie auf ihrem Weg zurück in die Heimat mit in unser Haus.

NA: Mitarbeitende wählen ganz bewusst ein konfessionelles Krankenhaus – und das zieht sich durch alle Hierarchieebenen. Zu diesen Ärzten passt kein Streik, die lassen ihre Patienten nicht im Stich. Deshalb passt der Dritte – der beste – Weg zu uns. Je größer und anonymer eine Klinik ist, desto eher können Gewerkschaften zum Streik überreden, aber bei uns ist es kleiner, familiärer – und eben christlich.

Warum ist der Dritte Weg der richtige für die Caritas?

NA: Der Dritte Weg zeichnet sich durch Konsensfindung aus. Wir kennen weder Streik noch Aussperrung, sondern finden gemeinsam Lösungen – wenn es sein muss, mithilfe von einer unabhängigen Schlichtungsstelle. Wir diskutieren so lange, bis wir uns einigen und mindestens die Hälfte der anderen Seite überzeugt ist, um zu Mehrheiten zu kommen. Das ist ein moderner, ein fairer Weg. Den wollen wir beibehalten.

Fair, modern. Und langwierig?

NA: Aber es lohnt sich. Es ist stets ein schwieriger und anstrengender Prozess, in dem wir aber Essenzielles erreicht haben, und zwar eine sehr attraktive AVR. Außerdem haben 90 Prozent aller Caritas-Dienste und -Einrichtungen eine Mitarbeitervertretung – das ist das Pendant zu Betriebsräten im Zweiten Weg, wo es übrigens nur eine Neun-Prozent-Abdeckung in Betrieben mit bis zu 50 Beschäftigten gibt. Der Dritte Weg ist ein Erfolgsmodell, um das uns viele andere Player beneiden.

Herr Brumm, gilt das auch für den Krankenhausbereich?

JB: Auf jeden Fall! Helfende Berufe passen keinesfalls in ein Streikmodell. Weil es in unserem Bereich dringend notwendig ist sich zu einigen, um unsere Klienten gut versorgen zu können, ist der Dritte Weg mit seiner Schlichtung am Ende der richtige – auch für Krankenhäuser. Denn nichts ist schlimmer als eine Behandlungsunterbrechung oder OP-Absage oder gar eine Verlegung in eine andere Klinik. Wir möchten stets, dass unsere Patienten jemanden an ihrer Seite haben. Und nicht zuletzt ist das Streikmodell doch ein Relikt aus der Zeit der Industrialisierung, und diese Logik ist auf ein soziales Unternehmen doch überhaupt nicht anwendbar. Es funktioniert vor allem aus der menschlichen, christlichen Perspektive heraus nicht. Und sicher ist: Wir kämpfen für das Modell des Dritten Wegs! Ja, es ist der anstrengendere Weg, aber so ist es nun mal in einer Demokratie – man streitet sich, und man einigt sich. Und das ist gut so.

Vielen Dank für das Gespräch!

Ihre Ansprechpartnerin

Anne-Katrin Hennig
Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Geschäftsstelle der Dienstgeberseite
030 2850 2940
presse@caritas-dienstgeber.de
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