Hohe Inflation rechtfertigt keine höheren Lohnforderungen
Mit steigender Inflationsrate manifestiert sich eine hohe Inflationserwartung und übt so Druck auf Tarifverhandlungen aus. Dabei entsteht die Gefahr, dass eine Lohn-Preis-Spirale ausgelöst wird. Diese beschreibt eine wiederkehrende Anpassung von Löhnen und Preisen: Als Reaktion auf steigende Preise fordern Gewerkschaften höhere Löhne, mit dem Ziel die Kaufkraft zu erhalten; wird dies jedoch nicht zeitgleich durch eine Produktivitätssteigerung ausgeglichen, werden die höheren Lohnkosten auf die Verbraucherpreise weitergegeben; daraufhin steigen die Preise erneut und ziehen höhere Lohnforderungen nach sich. Dieser Prozess setzt sich dann immer weiter aufwärts „spiralförmig“ fort. Im Folgenden werden verschiedene Aspekte der aktuellen Entwicklung der Inflationsrate beleuchtet und kurz dargestellt, warum aktuell kein Grund für Lohnforderungen zum Ausgleich der Kaufkraft besteht.
Steigende Inflationsrate – verschiedene Faktoren spielen eine Rolle
Das Statistische Bundesamt meldet für den Monat Februar eine Inflationsrate in Höhe von 5,1 Prozent. Der Rückgang auf 4,9 Prozent im Januar hat sich also nicht fortgesetzt. Die separate Betrachtung der Preisentwicklungen für „Energie“ und „Nahrungsmittel“ verdeutlicht den hohen Anteil des Energiesektors an der Gesamtinflationsrate:
Neben den hohen Preisen für Energie auf dem Rohstoffmarkt, werden auch die gestiegenen Netzentgelte für Strom und die gestiegenen CO2-Abgaben als Preistreiber genannt; Ohne die Berücksichtigung der Energiepreise hätte die Inflationsrate bei 3,3 Prozent gelegen (Vgl. Pressemitteilung Nr. 100 vom 11.03.2022).
Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine ist keine Beruhigung der hohen Preise zu erwarten. Die Energiepreise sind derzeit volatil und werden sich nur langsam auf einen Gleichgewichtspreis einpendeln. Die EU-Kommission hat einen Aktionsplan „RepowerEU“ vorgelegt, welches die Unabhängigkeit der EU von russischen Energielieferungen ebnen soll – noch vor 2030. Bis Ende März soll außerdem ein Plan zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit und erschwinglicher Energiepreise für den kommenden Winter erarbeitet werden (Vgl. Pressemitteilung vom 23. März 2022). Um Unternehmen und private Haushalte zeitnah zu entlasten, hat die deutsche Bundesregierung gleich zwei Maßnahmenpakete („10 Entlastungsschritte für unser Land“ vom 23. Februar 2022 und „Maßnahmenpaket des Bundes zum Umgang mit den hohen Energiekosten“ vom 23.03.2022) auf den Weg gebracht.
Der Krieg treibt aber nicht nur die Preise im Energiesektor an. Auch mit steigenden Nahrungsmittelpreisen ist zu rechnen; Russland und die Ukraine sind wichtige Exporteure für Weizen. In Europa wird es zwar nicht zu Versorgungsengpässen kommen; jedoch wird der internationale Agrarmarkt unter Druck geraten, dass Preissteigerungen zu erwarten sind. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unter Bundesminister Cem Özdemir (B’90 / Die Grünen) hat erste Maßnahmen angekündigt, um die Folgen für die deutsche Landwirtschaft einzugrenzen.
Ein weiterer Grund für steigende Preise sind die unlängst in mehreren Wirtschaftszentren in China verhängten Lockdowns, die die Verfügbarkeit von dort hergestellten wichtigen Vorprodukten einschränken. Für die Weltwirtschaft bedeutet dies, dass die Lieferengpässe noch weiter andauern werden; auch diese Komponente wird sich in den Inflationszahlen erneut widerspiegeln.
Wende in der Geldpolitik
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat in seiner Sitzung am 10.03.2022 eine Wende in der Geldpolitik eingeläutet. Die Anleihenkäufe im Rahmen des Asset Purchase Program, kurz APP-Programms, sollen schneller zurückgefahren werden als bisher geplant; auch ist ein vorzeitiges Ende zum Herbst in Aussicht gestellt worden. „Einige Zeit“ danach soll der Leitzins schrittweise erhöht werden. Mit der Kommunikation einer Leitlinie für die Zukunft der Zinspolitik werden die Inflationserwartungen gedämpft. Die EZB signalisiert eine Entschlossenheit, die Inflation langfristig zu bekämpfen, aber kurzfristig zuzulassen, um die Wirtschaft nicht zu gefährden. Die derzeit hohen Inflationszahlen stammen nämlich nicht von einer „überhitzten“ Konjunktur, sondern von Schocks auf der Angebotsseite, welche die Wachstumsprognosen für dieses Jahr sowieso schon geschmälert haben.
Ökonomische Analyse