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Digitalisierung im Gesundheitswesen

Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung im Gesundheitswesen einen Schub verliehen. Ein vermehrtes Angebot an Videosprechstunden, das digitale Impfzertifikat oder auch die Möglichkeit, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen elektronisch zu übermitteln, sind in der „Not“ entstanden und haben die Weichen für den weiteren Digitalisierungsprozess gestellt.

Am 31. August 2022 stellte der Bundeminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing (FDP) auf der Kabinettsklausur in Meseberg die neue Digitalstrategie der Bundesregierung vor. Darin wurden für das Gesundheitswesen folgende Handlungsfelder definiert, die bis 2025 erreicht werden sollen:

  • Mindestens 80 Prozent der gesetzlich Krankenversicherten sollen über eine elektronische Patientenakte (ePA) verfügen; die Freigabe von ePA-Daten soll zu konkreten Mehrwerten für Ärztinnen, Patienten sowie für die Wissenschaft führen
  • Das E-Rezept soll als Standard in der Arzneimittelversorgung etabliert werden
  • Die Potenziale der Digitalisierung sollen besser ausschöpft und dadurch alle Menschen insbesondere vulnerable Bevölkerungsgruppen, umfassend durch eine bessere Versorgung profitieren
  • Eine verbesserte Datengrundlage soll für die Forschung, zur Qualitätssicherung und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen
  • Das Pflegewesen soll durch die Digitalisierung und Robotik eine spürbare Unterstützung und Entlastung erfahren, die Patientinnen aber auch deren Angehörigen und den Pflegekräften zugutekommt
  • Zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten der EU soll ein „Datenraum Gesundheit“ aufgebaut werden, der europäischen Sicherheitsstandards gerecht wird und grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung und -forschung erleichtert

Anknüpfend an die Digitalstrategie der Bundesregierung erarbeitet das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) derzeit eine Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege. Der Strategieprozess erfolgt dabei in einem breiten Konsens aller Beteiligten des Gesundheitswesens und der Pflege. Im Rahmen des Erarbeitungsprozesses werden daher alle Akteure in einem offenen und partizipativen Prozess durch verschiedene Beteiligungs- und Dialogformate eingebunden. Probleme, Herausforderungen und Handlungsbedarfe sollen so erörtert werden. Aktuell erfolgt eine intensive Auswertung der Beiträge als Grundlage der Strategie, die im Frühjahr 2023 präsentiert werden soll.

Studie von McKinsey & Company

Die Beratungsgesellschaft McKinsey & Company veröffentlichte im Mai 2022 ihre Studie „Digitalisierung im Gesundheitswesen: die 42-Milliarden-Euro-Chance für Deutschland“. Beziffert wird damit der Nutzen von 26 digitalen Gesundheitstechnologien pro Jahr – wenn diese denn zum Einsatz kämen. Auf Grundlage von mehr als 500 internationalen Forschungsdokumenten wurde ein finanzielles Potential von 26 verfügbaren digitalen Gesundheitstechnologien in Deutschland ermittelt. Bei der Erststudie 2018 wurde das Nutzenpotential der Digitalisierung im Gesundheitswesen auf 34 Milliarden Euro beziffert; innerhalb von vier Jahren ist eine Steigerung um 24 Prozent bzw. auf 42 Milliarden Euro im Jahre 2022 zu verzeichnen. Das Potential sei angesichts weiter steigender Gesundheitsausgaben und der dynamischen Entwicklung der Digitalisierung seither gestiegen, so McKinsey Junior Partnerin Kristin Tuot.

Laut Studie würde sich der Nutzen einer Digitalisierungsoffensive für alle Akteure im Gesundheitswesen lohnen. Einerseits rechnet man mit einer Produktivitätssteigerung bei Leistungserbringern von bis 61 Prozent und einer Verringerung des medizinischen Bedarfs von 39 Prozent. Die Produktivitätssteigerung in Höhe von 25,8 Milliarden Euro bei den Leistungserbringern würden aus der Krankenhausversorgung (12,4 Milliarden Euro), der ambulanten hausärztlichen Versorgung (11,1 Milliarden Euro) und anderen Bereichen wie der Langzeitpflege (2,3 Milliarden Euro) resultieren. Der Nachfragerückgang nach medizinischem Bedarf in Höhe von 16,4 Milliarden Euro würde sich beispielsweise aus der Vermeidung nicht notwendiger Doppeluntersuchungen ergeben.

Die Digitalisierung bringe außerdem auch positive Spill-Over-Effekte, Nutzen auch für andere, angrenzende Bereiche der Wertschöpfungskette, mit. Ein besserer Datenaustausch trage beispielsweise auch zu besseren Forschungsbedingungen bei.

Zu den fünf von 26 priorisierten Technologien mit dem höchsten kalkulierten Nutzen stehen die elektronische Patientenakte (7,0 Milliarden Euro), Telekonsultation (5,7 Milliarden Euro), Fernüberwachung chronisch kranker Menschen (4,3 Milliarden Euro), elektronische Terminvereinbarung (2,5 Milliarden Euro) und Tools für das Management chronisch Erkrankter (2,4 Milliarden Euro).

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Einsatz digitaler Technologien das Potential berge die Versorgungsqualität und die Kosteneffizienz zu erhöhen und gleichzeitig die Behandlungssituation für den Patienten sowie die Arbeitsbedingungen für das Personal zu verbessern.

Umfrage von BITKOM und Hartmannbund

Auch die Ärzteschaft befürwortet einen Digitalisierungsschub im Gesundheitswesen. Das geht aus einer gemeinsamen Studie „Digitalisierung in Praxis und Klinik“ des IT-Branchenverbandes BITKOM in Zusammenarbeit mit dem Ärzteverband Hartmannbund hervor. In einer nicht-repräsentativen Umfrage von 535 Mitgliedern des Hartmannbundes, die als Krankenhausärzte (166) oder als niedergelassene Ärztinnen aller Fachrichtungen (269) in Deutschland tätig sind, wurde die Stimmung zum Thema Digitalisierung untersucht.

Dabei wird die Digitalisierung im Gesundheitswesen unter den befragten Ärzten des Hartmannbundes grundsätzlich als Chance betrachtet (64 Prozent), allerdings fordern 67 Prozent ein höheres Tempo bei der Umsetzung. Sie berge die Chance, die medizinische Versorgung der Menschen zu verbessern (64 Prozent) und gleichzeitig eine Kostensenkung für das Gesundheitssystem zu erzielen (50 Prozent).

Spitzentechnologien wie Robotik, Virtual Reality und Künstliche Intelligenz helfen, zielgenau zu diagnostizieren und individuell zu therapieren, so Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Schon jetzt kommen bei den befragten Krankenhausärzten Roboter (19 Prozent) zu Unterstützung bei Operationen und Eingriffen, Künstliche Intelligenz (9 Prozent), beispielsweise zur Auswertung von Röntgen- und MRT-Bildern und Virtual Reality (8 Prozent) zu Trainingszwecken oder Operationen zum Einsatz.

Telemedizinische Anwendungen ermöglichen, externes Fachwissen einzuholen. Bei 32 Prozent der befragten Krankhausmedizinerinnen werden Telekonsile mit anderen Ärzten durchgeführt, bei 14 Prozent werden Videosprechstunden angeboten, bei 10 Prozent werden bestimmte Untersuchungen oder OPs von Fachleuten per Video aus der Ferne unterstützt.

Die elektronische Patientenakte (ePA) wird nur sehr zurückhaltend angenommen. Seit dem 1. Januar 2021 haben gesetzlich Versicherte die Möglichkeit, die elektronische Patientenakte von ihrer Krankenkasse zu erhalten und diese bei Arztbesuchen zu teilen. Nur sechs Prozent der befragten Ärztinnen haben die ePA von Patienten genutzt. 29 Prozent verfügen nicht über die nötige technische Ausstattung, um auf die ePA zuzugreifen; 13 Prozent geben an, die ePA nutzen zu wollen, aber dies sei von den Patienten nicht gewollt.

Auch das E-Rezept kommt nur selten zum Einsatz. Seit dem 1. September 2022 können die Apotheken flächendeckend in ganz Deutschland E-Rezepte einlösen und mit den Krankenkassen abrechnen. Gerade mal ein Prozent der befragten Ärzte stellt regelmäßig ein E-Rezept aus.

Mit der Ausarbeitung einer Digitalisierungsstrategie zielt das BMG auf eine Beschleunigung der Digitalprozesse im Gesundheitswesen ab. Die Studie von McKinsey & Company zeigt auf, welches Nutzenpotential in bereits vorhandenen Technologien steckt. Allein die allgemeinverbindliche Einführung der ePA würde einen Nutzen in Höhe von sieben Milliarden Euro einbringen. Auf der Seite der Leistungserbringer wie in der Krankenhausversorgung oder der Langzeitpflege können durch den Ausbau von KI und Digitalisierung eine Produktivitätssteigerung von 25,8 Milliarden Euro erreicht werden. Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen stehen nicht nur (Kosten-) Effizienzsteigerungen im Vordergrund; sie geht einher mit einer Verbesserung in der Patientenversorgung und der Arbeitsbedingungen für die Angestellten. Auch der Innovationkraft in Forschung und Entwicklung würde der Digitalisierungsprozess einen Schub verleihen.

Ökonomische Analyse

Autor/-in: Anusha Anthonippillai

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