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Auswirkungen der Mindestlohnerhöhung auf Mini- und Midijobs

Am 03.06.2022 hat der Bundestag die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro zum 01.10.2022 beschlossen. Mit der Gesetzesänderung werden gleichzeitig Anpassungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung erfolgen.

Die Geringfügigkeitsgrenze wird künftig auf 520 Euro angehoben. Der Gesetzgeber reagiert mit der Erhöhung der Geringfügigkeitsgrenze auf den Umstand, dass bei gleichbleibender Stundenanzahl die bisherige Geringfügigkeitsgrenze von 450 Euro leichter überschritten wird und zu einer Verringerung der regelmäßigen Arbeitszeit bei geringfügig entlohnten Beschäftigungen führen könnte.

Bei Beschäftigungen im Übergangsbereich (Midijobs) ergeben sich ebenfalls Änderungen. Zeitgleich mit der Anhebung des Mindestlohns erfolgt eine Anhebung der Höchstentgeltgrenze von monatlich 1.300 auf 1.600 Euro.

Dynamische Geringfügigkeitsgrenze

Die Geringfügigkeitsgrenze, die künftig im neu eingeführten § 8 Abs. 1a SGB IV geregelt sein wird, wird dynamisch ausgestaltet und sich an einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zu Mindestlohnbedingungen orientieren, so dass die Entgeltgrenze automatisch mit dem Mindestlohn angehoben wird.

Aktuell liegt die Geringfügigkeitsgrenze bei einem fixen Wert von 450 Euro. Nach der neuen Berechnungsformel wird der neue Mindestlohn (12 Euro) mit 130 multipliziert, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet. Daraus folgt eine Entgeltgrenze in Höhe von 520 Euro pro Monat (12 Euro x 130 : 3). Der bei der Berechnung verwendete Wert von 130 leitet sich von den zugrunde gelegten 10 Wochenstunden à 13 Wochen ab, wobei 13 Wochen ungefähr 3 Monaten entsprechen.

Sollte der Mindestlohn beispielsweise auf 13 Euro ansteigen, wird nach der neuen Berechnungsformel die Entgeltgrenze automatisch auf 564 Euro pro Monat angehoben (13 Euro x 130 : 3).

Überschreitungen der Mindestlohngrenze weiterhin möglich

Die Geringfügigkeitsgrenze darf künftig zwei- statt ursprünglich dreimal pro Abrechnungsjahr überschritten werden. Zudem darf der Hinzuverdienst einen Betrag in Höhe der neuen Entgeltgrenze (520 Euro zusätzlich) nicht überschreiten (vgl. § 8 Abs. 1b SGB IV). Demnach ist bei einem Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde maximal zwei Mal pro Abrechnungsjahr ein Verdienst von bis zu 1.040 Euro pro Monat möglich.

Zu den Fällen eines zulässigen unvorhersehbaren Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze zählen nach der Gesetzesbegründung beispielsweise die Zahlung einer einmaligen Prämie, die vom Geschäftsergebnis oder einer individuellen Arbeitsleistung aus dem Vorjahr abhängig ist, und die Mehrarbeit, wenn diese ein unvorhersehbares Ereignis darstellt (z.B. bei krankheitsbedingten Personalausfällen).

Übergangsregelungen bei Alt-Midijobs beachten

Der Gesetzgeber hat zudem Übergangsregelungen geschaffen: versicherungspflichtig Beschäftigte, die am 30.09.2022 (Stichtag) ein durchschnittliches Monatseinkommen von bis zu 520 Euro erzielen (Alt-Midijobber), gelten bis zum 31.12.2023 weiterhin als versicherungspflichtig beschäftigt (vgl. § 7 Abs. 2 SGB V). Allerdings mit der Möglichkeit, sich auf Antrag von der Versicherungsplicht befreien zu lassen.

Pauschalbesteuerung von Minijobs

Auch nach dem Wegfall der starren Entgeltgrenze von 450 Euro in § 8 SGB IV n.F. ist es Arbeitgebern weiterhin freigestellt, ob sie bei geringfügigen Beschäftigungen einen einheitlichen Pauschsteuersatz einschließlich der Kirchensteuer in Höhe von 2 Prozent nach § 40a Abs. 2 EStG erheben oder eine Besteuerung nach den individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmalen vornehmen.

Fazit

Bei den Arbeitgebern besteht Handlungsbedarf: im Hinblick auf die dynamische Verknüpfung zwischen Mindestlohn und Geringfügigkeitsgrenze müssen insbesondere außerhalb des Geltungsbereichs der AVR viele Arbeitsverträge angepasst werden. Dort werden Minijobs häufig mit dem gesetzlichen Mindestlohn vergütet. Daher sollte im Hinblick auf die ab dem 01.10.2022 geltende neue Geringfügigkeitsgrenze bei der Vertragsgestaltung eine Wochenarbeitszeit von zehn Stunden nicht überschritten werden. Darüber hinaus ist in diesen Fällen bei der Gestaltung des monatlichen Bruttoentgelts in den Arbeitsverträgen grundsätzlich eine dynamische Verweisung auf die gesetzlichen Regelungen zu empfehlen. Dadurch ist gewährleistet, dass der Mindestlohn nicht unterschritten wird. Bei älteren Arbeitsverträgen könnte sich das Problem stellen, dass noch feste Arbeitszeiten vereinbart worden sind, die die Grenze von zehn Wochenstunden übersteigen. Hier ist eine zeitnahe Anpassung der Wochenarbeitszeit über eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag anzuraten.

Ein Automatismus mit Blick auf die dynamische Verknüpfung zwischen Mindestlohn und Geringfügigkeitsgrenze wird im Bereich der AVR in aller Regel nicht funktionieren. Da es sich bei Minjobs letztlich um „Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse“ mit geringem Beschäftigungsumfang handelt, bemisst sich im Bereich der AVR der geschuldete Stundenlohn nach der Bruttovergütung, die „normale sozialversicherungspflichtig Beschäftigten“ mit gleicher Tätigkeit erhalten würden. Deshalb wird der Stundenlohn in den meisten Fällen deutlich über dem Mindestlohn liegen. Dies muss bei der vereinbarten Stundenzahl, die deutlich unter der Grenze von zehn Stunden liegen wird, entsprechend berücksichtigt werden.

Ausblick

Nach dem Entwurf der Bundesregierung sollen zukünftige Anpassungen des Mindestlohns weiterhin auf der Grundlage von Beschlüssen der Mindestlohnkommission erfolgen. Die nächste Anpassung ist nach einer Entscheidung der Kommission zum 30.06.2023 mit Wirkung zum 01.01.2024 geplant.

Durch die Anhebung der Entgeltgrenzen für Mini- und Midijobs sollen nach der Bundesregierung Geringverdienende weiter entlastet werden. Zugleich soll verhindert werden, dass Minijobs als Ersatz für reguläre versicherungspflichtige Beschäftigungen missbraucht werden.

Laut einer Kurzstudie des IAB betrug der hochgerechnete Stundenlohn im Jahr 2021 bei mehr als 70 Prozent der Minijobs weniger als 12 Euro. Die Mindestlohnerhöhung und die damit verbundene Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze bei Mini- und Midijobs wird daher viele Arbeitsverhältnisse auf dem deutschen Arbeitsmarkt betreffen. Im Bereich der AVR Caritas wird sich hingegen bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen im Wesentlichen die Erhöhung der Geringfügigkeitsgrenze bemerkbar machen.

Gesetzgebung

Autor/-in: Nicolas Alexandre

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