Nach dem Ampel-Aus: Für Arbeitgeber im sozialen Bereich zählen jetzt Stabilität und Klarheit – und das schnellstmöglich
Das Ende der Ampelregierung führt zu einer erheblichen politischen Unsicherheit in Deutschland und markiert einen Wendepunkt, der die Arbeit der sozialen Träger maßgeblich beeinflussen wird. Als Rückgrat des sozialen Zusammenhalts kann der Bereich der sozialen Dienste seine Aufgaben nur dann vollumfänglich erfüllen, wenn er auf stabile und zukunftsorientierte Rahmenbedingungen bauen kann. Die Aussicht auf Neuwahlen im Frühjahr 2025 und die möglichen Koalitionsgespräche und Verhandlungen bis – so kann erwartet werden – weit in das Jahr 2025 hinein, bergen nicht nur Risiken, sondern schaffen auch Chancen für grundlegende Reformen.
Politische Unsicherheit und der lange Weg zur neuen Regierung
Die kommenden Monate versprechen neben einer Menge Wahlkampf auch eine intensive Phase politischer Verhandlungen. Aktuell ist absehbar, dass Neuwahlen nicht vor dem 23. Februar 2025 stattfinden werden. Doch auch danach wird es eine längere Phase der Unsicherheit geben, da Koalitionsgespräche und die Bildung einer neuen Regierung aufgrund einer erwartbar herausfordernden Zusammensetzung des Bundestags und komplexer Verhandlungen voraussichtlich einige Zeit in Anspruch nehmen werden. Der Blick auf die Dauer der letzten Regierungsbildungen deutet darauf hin, dass die Regierungsbildung im besten Fall bis Mai, möglicherweise aber auch erst bis Ende Juni 2025 abgeschlossen sein könnte. Für die Caritas-Dienstgeber wie für andere Akteure des sozialen Sektors, die auf planbare politische Entscheidungen angewiesen sind, bedeutet dies, dass es in der Übergangszeit an zukunftsorientierten Gesetzesvorhaben fehlen wird.
Gesetzesprojekte für Arbeitgeber und soziale Dienste – Blockaden und Verzögerungen
Infolge der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und der Ankündigung der Union, sich in der Übergangszeit nicht als „Mehrheitsbeschafferin“ für die geschäftsführende Regierung unter Olaf Scholz zur Verfügung zu stellen, sind zahlreiche sozialpolitische Gesetzesvorhaben gefährdet. Der Bundeskanzler betonte zwar das Ziel, noch vor den Neuwahlen möglichst viele unstrittige Gesetze zu verabschieden. Aus unserer Sicht bleibt festzustellen, dass zentrale Reformen, wie die lang erwartete Anpassung des Arbeitszeitgesetzes – dessen Entwurf von Bundesminister Hubertus Heil für November 2024 angekündigt wurde und laut einigen Stimmen ohnehin nicht die erforderliche Tiefenschärfe für notwendige Änderungen erreichen würde – kaum vor der Neuwahl und der darauffolgenden Regierungsbildung umgesetzt werden können. Aus Dienstgebersicht bleibt zu hoffen, dass im Bundestagswahlkampf einige dringend benötigte Themen aufgegriffen werden:
Planungssicherheit für Arbeitgeber als Grundlage der Weiterentwicklung
In Zeiten politischer Instabilität ist Planungssicherheit für Arbeitgeber im sozialen Sektor essenziell. Verzögerungen bei der Regierungsbildung und anhaltende Unsicherheit führen zu Investitionszurückhaltung und erschweren langfristige strategische Entscheidungen. Nur eine stabile politische Umgebung ermöglicht es sozialen Trägern, ihre Rolle als verlässliche Dienstleister zu erfüllen und auf die wachsenden Herausforderungen des demografischen Wandels und gesellschaftlicher Veränderungen vorbereitet zu sein.
Arbeitsmarktfähigkeit durch flexible und zeitgemäße gesetzliche Regelungen sichern
Die Caritas-Dienstgeber fordern seit Langem flexible gesetzliche Rahmenbedingungen zur Ausgestaltung von Arbeitszeitmodellen, um den spezifischen Bedürfnissen der sozialen Dienste gerecht zu werden. Die Umstellung auf eine wöchentliche (statt einer täglichen) Höchstarbeitszeit mit flexibilisierten Ruhezeiten zwischen zwei Arbeitstagen wäre eine zentrale Reform, um die Flexibilität und Effizienz in der Dienstplanung zu erhöhen. Ein Beispiel für solch flexibilisierte Arbeits- und Ruhezeiten wäre die Ermöglichung von sogenannten 24-Stunden-Diensten in bestimmten Bereichen der Altenhilfe oder Kinder- und Jugendhilfe – selbstverständlich mit entsprechender Entlohnung und langen Ruhezeiten vor und nach solchen Diensten. Die Arbeitgeber der Sozial- und Gesundheitsbranche könnten so den stetig wachsenden Bedarf an sozialen Dienstleistungen gezielter abdecken und gleichzeitig besser auf die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten und Klienten eingehen. Eine Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes ist insgesamt dringend notwendig, um attraktive Arbeitsplätze schaffen zu können und die Fachkräftesicherung in der Branche langfristig zu gewährleisten.
Die Abschaffung der Möglichkeit, sich telefonisch krankschreiben zu lassen, ist nach der Ausnahmesituation während der Covid 19-Pandemie dringend geboten und schafft eine verlässlichere Planungsgrundlage für Arbeitgeber im sozialen Bereich. Sie stärkt die Transparenz und gibt den Trägern die Möglichkeit, den Personaleinsatz präziser zu steuern und auf Krankheitsausfälle gezielt zu reagieren.
Finanzielle Stabilität für systemrelevante soziale Infrastrukturen sichern
In der anstehenden Übergangszeit und während der kommenden Regierungsbildung muss der soziale Sektor als systemrelevanter Bereich in den politischen Entscheidungen priorisiert Berücksichtigung finden. Eine stabile Finanzierung der sozialen Infrastruktur ist unverzichtbar, um die Versorgungsqualität und -sicherheit zu gewährleisten. Die Caritas-Dienstgeber setzen sich für Investitionen in Personalentwicklung und Digitalisierung ein, um den stetig wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Es ist unabdingbar, dass die Haushaltspolitik auch in der Übergangsphase verlässliche finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, um die systemrelevanten Dienstleistungen dauerhaft zu sichern.
Bürokratieabbau und regulatorische Entlastung – Effizienz und Flexibilität für soziale Träger
Die Träger im Bereich der sozialen Dienste sind auf eine umfassende Entlastung von bürokratischen und regulatorischen Verpflichtungen angewiesen, um ihre Effizienz und Anpassungsfähigkeit zu erhöhen. Ein gezielter Bürokratieabbau würde den Organisationen der Caritas und anderer sozialer Träger den nötigen Freiraum geben, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren und so auf neue gesellschaftliche Anforderungen flexibel zu reagieren. Die Entlastung von administrativen Verpflichtungen ist nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine strukturelle Notwendigkeit, um die Innovationskraft der sozialen Träger zu fördern und zu stärken.
Ein politischer Moment, der Reformen fordert
Das Ende der Ampelregierung und die bevorstehenden Neuwahlen eröffnen die Möglichkeit, die Bedürfnisse der sozialen Träger in den Mittelpunkt zu stellen und lang aufgeschobene Reformen auf den Weg zu bringen. Dabei müssen insbesondere auch die Zukunftsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme – insbesondere der Pflegeversicherung – sowie die Rahmenbedingungen für eine solide und auskömmliche Finanzierung sozialer Einrichtungen und Dienstleistungen in den Blick genommen werden. Hierzu gehört auch der notwendige Ausbau an Pflege- und Kitaplätzen. Eine klare Fokussierung auf die Themen der sozialen Dienste – von der gerade genannten Sicherstellung der Finanzierung über die Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes bis hin zur Entlastung durch Bürokratieabbau – würde es unserer Branche ermöglichen, ihre Aufgaben auch unter veränderten politischen Rahmenbedingungen stabil und nachhaltig zu erfüllen. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Politik rasch Klarheit schafft und den sozialen Sektor als zentrale Stütze des gesellschaftlichen Zusammenhalts anerkennt. Unser Appell an die politischen Entscheidungsträger lautet: Treffen Sie schnelle und zukunftsorientierte Entscheidungen, um die Handlungsfähigkeit der sozialen Träger in dieser kritischen Phase zu sichern. Nur durch stabile Rahmenbedingungen lässt sich die Qualität der sozialen Dienstleistungen in Deutschland aufrechterhalten. Die Caritas-Dienstgeber sind bereit, auch in Zeiten politischer Unsicherheit weiterhin ihren Beitrag mit einem breitgefächerten Angebot und attraktiven Arbeitsbedingungen zu leisten – doch dafür braucht es ein verlässliches politisches Fundament.
Text: Robin Lippa
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