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LAG Berlin-Brandenburg: Corona-Betretungs­verbot – Vergütungs­ansprüche unter dem Gesichtspunkt des Annahme­verzuges durch den Arbeitgeber

Der Arbeitgeber kann nicht ohne Konkretisierung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung unmittelbar über den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers disponieren.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche des Klägers unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges des Arbeitgebers.

Die Beklagte stellte ein Corona-Konzept auf. Nach diesem Konzept sollten die Arbeitnehmer beim Reisen in Risikogebiete zwingend in Quarantäne für einen Zeitraum von 14 Tagen nach der Rückreise. Eine PCR-Testung im Rahmen der Rückkehr aus einem Risikogebiet wird durch den Arbeitgeber nicht anerkannt.

Der Kläger befand sich bis zum 15. August 2020 im Urlaub. Das Reiseland war zum damaligen Zeitpunkt als sogenanntes Corona-Risikogebiet ausgewiesen.

Sowohl bei der Ausreise wie bei der Einreise am 15. August 2020 ließ der Kläger einen Corona-Test vornehmen, deren negative Ergebnis dem Kläger mitgeteilt wurden. Der Kläger war auch symptomfrei. Nach den gesetzlichen Regelungen und entsprechenden Verordnungen war der Kläger damit von der Pflicht zur 14-tägigen Quarantäne ausgenommen.

Der Kläger wurde jedoch nicht an den Arbeitsplatz gelassen, sondern am Werktor abgewiesen. Die Beklagte verwies auf die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen zur Verhinderung möglicher COVID-19 Infektionen und das Sicherheitskonzept.

Entscheidung

Der Kläger hat für den Zeitraum, in dem ihn die Beklagte im August 2020 nicht beschäftigte, einen Entgeltanspruch aus dem Arbeitsvertrag iVm. § 615 Satz 1 BGB, da sich die Beklagte iSd. §§ 293 ff. BGB im Verzug mit der Annahme der Arbeitsleistung des Klägers befand. Nach § 293 BGB kommt der Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Der Kläger hat die Arbeitsleistung ordnungsgemäß angeboten. Der Kläger war tatsächlich in der Lage und es war ihm rechtlich möglich, seine Arbeitsleistung zu erbringen.

Es bestand nach § 20 Abs. 3 SARS-CoV -2-Eindämmungsmaßnahmeverordnung eine Ausnahme von der häuslichen Quarantäne durch die Vorlage des negativen Tests. Die Anordnung der Arbeitgeberin durch das Hygienekonzept begründet anders als eine staatlich angeordnete Quarantänepflicht kein rechtliches Unvermögen.

Anders als bei der Auflage zum Maskentragen oder Testen, wo der Arbeitgeber lediglich geregelt hat, wie die Arbeitsleistung zu erbringen ist, hat der Beklagte hier die Erbringung der Arbeitsleistung untersagt und den gleichzeitigen Verlust des Entgeltanspruchs angeordnet. Dies ist vom Direktionsrecht nicht gedeckt. Der Arbeitgeber kann zwar zum Schutz seiner Beschäftigten vor einer Infektion mit dem Coronavirus die Art und Weise der Arbeitserbringung regeln, auch mit der Folge, dass derjenige Arbeitnehmer, der nicht bereit ist, seine Arbeitsleistung entsprechend der Festlegung zu erbringen, mittelbar unter Berücksichtigung der § 293 ff. BGB seinen Entgeltanspruch verliert. Er kann aber nicht ohne Konkretisierung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung unmittelbar über den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers disponieren.

Bewertung

Das Direktionsrecht umfasst nicht die Befugnis, das Entfallen des Entgeltanspruchs einseitig festzulegen. Die Anordnung einer Quarantänepflicht/eines Betretungsverbots mit gleichzeitigem Wegfall des Entgeltanspruchs konkretisiert nicht den Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung iSd. § 106 Satz 1 GewO und regelt auch nicht die Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb iSd. § 106 Satz 2 GewO, sondern regelt unmittelbar den Wegfall der Hauptleistungspflichten. Ohne Konkretisierung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung kann der Arbeitgeber jedoch nicht unmittelbar über den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers disponieren.

Die Revision wurde vom LAG zugelassen. Die Revision beim BAG ist anhängig unter 5 AZR 154/22.

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