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Dienstgemeinschaft als „caritatives Mehr“ leben

Ein Gespräch mit Matthias Färber

Langjähriges Mitglied der Dienstgeberseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas

 

DGS: Herr Färber, Sie blicken nun auf über 20 Jahre Tätigkeit als DGS-Mitglied zurück: Was waren für Sie die wichtigsten Entwicklungen, die Sie in diesem Zeitraum mit begleitet und auch mitgestaltet haben?

M. Färber: Eine bedeutende strukturelle Veränderung war die Regionalisierung der AK Caritas, mit der Einführung von Regionalkommissionen. Auch wenn ich bei der konkreten Umstellung nicht dabei gewesen bin, so konnte ich sie doch im Ergebnis mittragen. Die Vielfalt in der Trägerlandschaft der Caritas, mit sehr unterschiedlichen landesrechtlichen Rahmenbedingungen, musste sich auch in den Gremienstrukturen abbilden. Genau das leisten nun seit 2008 die Regionalkommissionen.

Als Tarifkommission der Caritas den Mut haben, eigene Wege zu gehen.

Ein Thema, das mich zuletzt besonders beschäftigte, waren die laufenden Verhandlungen zur Ärztevergütung. Hier zeigt sich der Anspruch des Dritten Weges: die Besonderheiten katholischer Krankenhäuser und Einrichtungen erklären und eigene Lösungen entwickeln.


In diesem Jahr steht die AK-Wahl für die nächste Amtsperiode an. Warum lohnt sich aus Ihrer Sicht ein Mitwirken auf der Dienstgeberseite?

Es ist eine vom Grundgesetz gegebene Freiheit, die arbeitsrechtlichen Bedingungen ein Stück weit selbständig und selbstverantwortlich zu regeln. Diese Möglichkeit müssen wir nutzen und dürfen die Verantwortung nicht von uns weisen – das möchte ich jedem Dienstgebervertreter als Gedanke und Motivation mitgeben.

Die grundgesetzlich verankerte Freiheit als Chance betrachten und diese Verantwortung aufgreifen.

Ich habe in meinem beruflichen Werdegang auch den Zweiten Weg erlebt, als Rechtssekretär bei der IG Metall. Daher weiß ich aus eigener Berufserfahrung: Der Dritte Weg bietet eine andere, verantwortungsvollere Form der Auseinandersetzung und Mitgestaltung.


Was sind Ihrer Meinung nach die Vorteile des Dritten Weges und mit welchen Herausforderungen wird der Dritte Weg in Zukunft konfrontiert?

Der große Vorteil des Dritten Weges liegt für mich im Willen zum Konsens. Wir setzen nicht auf Aussperrung oder Eskalation, nicht auf Druck und Gegendruck sondern auf das Mittel der Verständigung. Das funktioniert nur mit gegenseitigem Zuhören, mit Respekt und mit dem Mut, von eigenen Positionen auch mal abzurücken. Das ist mitunter auch persönlich sehr herausfordernd, aber es führt zu tragfähigeren Lösungen. Wir muten uns mit dem Dritten Weg etwas zu. Aber in diesem Zumuten steckt eben auch der Mut: der Mut, sich zusammenzusetzen, sich gemeinsam mit einem Thema auseinanderzusetzen und am Ende einen Kompromiss zu finden. Dafür muss man sich gedanklich frei machen. Frei vom Schubladendenken, vom Schwarzweiß-Denken.

Mit dem Dritten Weg muten wir uns etwas zu – aber in diesem Zumuten steckt auch der Mut zur gemeinsamen, sachlichen Auseinandersetzung.

In der politischen Wahrnehmung und Rechtsprechung wird das Modell des Dritten Wegs oftmals kritisch beäugt. Deshalb bleibt es eine wichtige Aufgabe, dem Erklärungsbedarf nachzukommen – eine solche Tariftreue, wie wir sie aufweisen, würde sich manch ein Tarifbereich wünschen.


Wie ist das in Ihrer Einrichtung, dem Herz-Jesu Krankenhaus in Fulda? Wie wirkt sich da die Dienstgemeinschaft im Dritten Weg auf das Betriebsklima aus? Was für Erfahrungen haben Sie gemacht?

Ich bin seit über 30 Jahren im kirchlichen Dienst und habe gelernt: Entscheidend ist, wie Führung gelebt wird. Dienstgemeinschaft gelingt dann, wenn Führungskräfte glaubwürdig, achtsam und wertschätzend agieren. In unserer Einrichtung sprechen wir vom „caritativen Mehr“ – ein bisschen mehr Geduld, ein bisschen mehr Aufmerksamkeit, mehr Bereitschaft, aufeinander zuzugehen. Das prägt unser Betriebsklima spürbar.

Dienstgemeinschaft als „caritatives Mehr“ leben.

Wir leben in unserer Einrichtung eine Willkommenskultur, unabhängig von Herkunft oder Religion. Dienstgemeinschaft bedeutet für uns, gemeinsame Verantwortung für das, was unsere Einrichtung ausmacht. Wenn wir es in einer Dienstgemeinschaft schaffen, den anderen so anzunehmen, wie er ist, dann gelingt ein wertschätzender, ja, ein liebevoller Umgang, miteinander, der dieses „caritative Mehr“ ausmacht. 


In der letzten Zeit hat Sie sicherlich vor allem die Krankenhausreform beschäftigt – wo stehen wir Ihrer Meinung nach in der aktuellen Phase und was müsste aus Ihrer Sicht folgen?

Die Reform beschäftigt uns seit langem und sie wirft zum aktuellen Zeitpunkt noch mehr Fragen auf, als sie bislang beantwortet. Die fehlende Rechtsverordnung zur Leistungsgruppenzuweisung behindert zum Beispiel die Krankenhausplanung massiv. Ohne diese Rechtsverordnung gibt es keine verlässlichen Grundlagen für die Bundesländer Krankenhausplanung zu betreiben. Ohne Planung keine Vorhaltefinanzierung: das ist die Kaskade und daher aktuell ein sehr drängendes Thema.

Die fehlende Auswirkungsanalyse in der Krankenhausreform war der Kardinalfehler.

Hieraus begründet sich der Vorwurf an die Politik, im Vorfeld keine Auswirkungsanalyse dieses Gesetzes vorgelegt zu haben. Dies ist aus meiner Sicht ein handwerklicher Fehler, ein Kardinalfehler, der sich nun durch alles durchzieht. Aber dieses Thema ist in seiner Komplexität ein Interview für sich.


Zum Abschluss wünschen wir Ihnen einen entspannten Start in den Ruhestand. Was werden Sie vermissen und auf was freuen Sie sich besonders?

Zum einen werde ich die vielen Kontakte mit liebenswerten Menschen vermissen, die mich gefordert und gefördert haben. Die Netzwerkarbeit, in der man sich zu fachlichen Themen ausgetauscht und voneinander gelernt hat. Unter anderem eben in der Arbeitsrechtlichen Kommissionsarbeit, die mir über den eigenen Horizont hinaus die Möglichkeit verschaffte, bundesweit Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Zum anderen die herausfordernden Situationen, die nicht nur belastend waren, sondern sich als bestes Gehirnjogging erwiesen.

Ich freue mich nun aber auch auf die Möglichkeit, mehr Zeit zu haben und mich in meiner neuen Heimat, der Rhön, radelnd und wandernd fortzubewegen.


Wir danken Ihnen für das Gespräch!

Das Interview führte Constanze Schira

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