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BAG: Betreuung durch entsandte ausländische Betreuungskräfte in Privathaushalten ist mindestlohnpflichtig

Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.08.2020 - 21 Sa 1900/19

Sachverhalt

Die bulgarische Klägerin mit bulgarischem Wohnsitz war mit bulgarischem Arbeitsvertrag bei der bulgarischen Beklagten durch ein Deutsches Unternehmen vermittelt im Haushalt einer 90jährigen Person tätig, wo sie auch ein Zimmer in der Wohnung gestellt bekam. Ihre Aufgaben bestanden in Haushaltstätigkeiten, sog. Grundversorgung wie Hilfe bei der Hygiene sowie soziale Aufgaben. Die Arbeitszeit war auf 30 Std. wöchentlich festgelegt, Samstage und Sonntage sollten arbeitsfrei bleiben. Als Netto-Vergütung waren 950 EUR monatlich vereinbart. Grundlage war ein Dienstleistungsvertrag zwischen der zu betreuenden Person und der Beklagten, in sich die Beklagte zur Erbringung der Leistungen durch eigenes Personal in der Wohnung der zu betreuenden Person verpflichtete.

Das ArbG hatte der Klägerin eine Bezahlung von 24 Stunden, auf die Berufung der Beklagten das LAG eine Bezahlung von 21 Stunden täglicher Arbeits- und Bereitschaftszeit zugesprochen und dieses auf die Anwendung des Mindestlohngesetzes gestützt.

Entscheidung

Das BAG bestätigt die Anwendung des Mindestlohngesetzes auf Fälle dieser Art der von dem Vermittlungsunternehmen ausdrücklich lediglich zur Marketingbezeichnung als 24-Stunden-Pflege bezeichneten Art von Tätigkeiten ausländischer entsandter Arbeitnehmer im Privathaushalt. Die Verpflichtung zur Zahlung des deutschen Mindestlohns trifft danach auch ausländische Arbeitgeber. Allerdings hebt das BAG die Entscheidung des LAG auf, weil dieses bei der Schätzung von 21 Stunden Arbeits- und Bereitschaftszeit sowohl die Ausführungen der Beklagten zur vereinbarten Arbeitszeit im Verhältnis zur vereinbarten Arbeitszeit als auch die Ausführungen der Klägerin zu einem Nichtvorliegen von drei freien Stunden ausreichend berücksichtigt hat. Ausdrücklich wird nach der Pressemeldung vom BAG allerdings der Ausgangspunkt der Beschreibung als „25-Stunden-Pflege“ als zutreffend angesehen.

Einordnung

Der Dienstleistungsvertrag umfasste in erheblichem Umfang hauswirtschaftliche Tätigkeiten, so dass eine Anwendung wohl schon allein deswegen des Pflegemindestlohns hier nicht erfolgte. Mit der Verpflichtung auch ausländischer Arbeitgeber auf den deutschen Mindestlohn ist zu erwarten, dass die vierseitigen Vermittlungsmodelle von zu pflegender Person, pflegender Person, ausländischem Arbeitgeber und inländischem Vermittler zugunsten unmittelbarer Vertragsverhältnisse ohne Vermittler wegen der zusätzlichen Kosten zurückgehen werden.

Die umfassende Bedeutung der Entscheidung auch für andere Modelle einer Pflege in der eigenen Privatwohnung liegt aber in der Beurteilung der Zeiten jenseits der unmittelbaren Tätigkeit als Bereitschaftszeit und damit nach der Rechtsprechung des EuGH als zu bezahlende Arbeitszeit. Hierzu finden sich in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG noch keine konkreten Hinweise. Allerdings wurde die Bezeichnung als „24-Stunden-Pflege“ bereits als ein maßgeblicher Hinweis benannt.

Gerade für Modelle, in denen unmittelbare Anstellungsverträge zwischen zu pflegender und pflegender Person getroffen werden, wird diese Abgrenzung der Bereitschaftszeit von Freizeit der wesentliche Punkt werden. Sollte, was sich abzeichnet, sich aus den Gründen der BAG-Entscheidung eine weitgehende Einordnung als Bereitschaftszeit ergeben, würde eine unter pflegerischen Gesichtspunkten wünschenswerte Pflege in der eigenen Wohnung künftig nicht mehr leistbar sein. Hier wird ein politisches Handeln im Sinne einer schon deshalb erforderlich werden, weil gerade bei den bestehenden unmittelbaren Verträgen eine Anwendung des Mindestlohns von vielen zu pflegenden Personen nicht zu leisten wäre. Eine aus der Pflegebedürftigkeit resultierende Privatinsolvenz der zu pflegenden Personen wird sich niemand wünschen.

Es bleiben die Entscheidungsgründe des BAG und die auf ihrer Basis erfolgende Entscheidung des LAG mit Spannung abzuwarten.

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