BAG-Urteile zur Einstandspflicht der Dienstgeber für Leistungsabsenkung durch die Pensionskasse der Caritas VVaG
Zu den beiden ersten Entscheidungen des BAG zur Einstandspflicht der Dienstgeber wegen der 2018 erfolgten Kürzung der Leistungen im Past-Service durch die Pensionskasse der Caritas VVaG (im Folgenden: PKC) liegen mittlerweile die Entscheidungsgründe vor. Über die Urteile selbst wurde auf der Basis eines Sitzungsberichts bereits hier berichtet. Die Entscheidungsgründe des Urteils vom 14.03.2023 Az. 3 AZR 176/22 können hier und des Urteils vom selben Tag Az. 3 AZR 197/22 hier heruntergeladen werden. Führende Sache beim BAG ist die Entscheidung zu 3 AZR 197/22. Soweit hier zitiert wird, bezieht sich dies ohne weiteren Hinweis auf die führende Sache.
1. Hintergrund: Leistungskürzung der Pensionskasse der Caritas VVaG in 2018
Zur Einordnung sei hier noch einmal auf die Problemlage hingewiesen. Im Jahr 2018 wurde eine schwierige Eigenkapitallage der PKC bekannt. Die BaFin hatte darauf der PKC den Neuabschluss von Versicherungen vorläufig untersagt und damit der Anwendung der VersO B für neue Beschäftigte die Grundlage entzogen. Eine von der Bundeskommission kurzfristig beschlossene Anpassung der VersO B dahingehend, dass statt bei der PKC bei ihrer Schwesterkasse, der Kölner Pensionskasse VVaG, zu versichern sei, lief nach einer entsprechenden Verfügung der BaFin auch gegenüber der Kasse ebenfalls ins Leere. In der Folge wurde für die nicht bei der KZVK versorgenden Dienstgeber die VersO C mit einer entsprechenden Partnerschaft mit der R+V geschaffen.
Aufgrund der Eigenkapitalsituation hatte die PKC sodann mit Beschluss der Mitgliederversammlung eine Kürzung der Leistungen aus dem Past-Service, also der bis dahin entstandenen Anwartschaften und Renten vorzunehmen. Diese war nach § 19 Nr. 5 der Satzung der PKC zulässig und wirkte auch gegenüber den Versicherten.
2. Inhalt der Urteile
In den beiden jetzt vom BAG abschließend entschiedenen Fällen hatten die beiden ehemaligen Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt der Absenkung der Leistungen durch die PKC nicht mehr im Dienst eines die AVR anwendenden Dienstgebers standen und auch bereits Leistungen von der PKC bezogen, auf Ausgleich der Leistungskürzung durch den früheren Dienstgeber geklagt. Die Dienstverträge enthielten jeweils die Bezugnahme auf Anlage 1 AVR sowie zur Zusatzversorgung auf Anlage 8 AVR. Die ehemaligen Mitarbeiter machten den Absenkungsbetrag nunmehr auf der Grundlage der Einstandspflicht des Dienstgebers nach § 1 Abs. 1 Satz 3 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) geltend. Die Berechtigung der PKC zur Absenkung der Leistungen auf der Grundlage ihrer Satzung stand außer Streit.
2.1. Bezugnahme auf VersO B enthält betriebsrentenrechtliche Zusage
In Frage stand zunächst, ob es sich bei der Anwendung der VersO B der Anlage 8 AVR überhaupt um eine arbeitsrechtlich relevante betriebsrentenrechtliche Zusage handelt, auf die das BetrAVG Anwendung findet. Die Beklagte hatte wie schon die Beklagten in früheren andere Pensionskassen betreffenden Gerichtsverfahren geltend gemacht, es handele sich um eine sogenannte reine Beitragszusage, die nicht die Leistung, sondern lediglich die Beiträge zur Versicherung zusage. Eine solche reine Beitragszusage unterfällt, sofern es sich nicht um eine Zusage im Rahmen eines Sozialpartnermodells nach §§ 21 ff. BetrAVG handelt, nicht dem Betriebsrentengesetz und könnte mithin auch keine Einstandspflicht begründen. Dem tritt das BAG durch Verweis auf die Systematik und die Wortlaute der AVR-Regelung insbesondere bei der Verpflichtung des Dienstgebers zur Zusatzversorgung und die Nutzung einer Pensionskasse als typisches und im BetrAVG ausdrücklich geregelten Durchführungswegs entgegen. Die Systematik und der Wortlaut zeigten eindeutig eine betriebsrentenrechtliche Zusage auf (BAG a.a.O. Rn. 30ff.). Dazu wendet das BAG im Sinne seiner ständigen Rechtsprechung zur Auslegung der AVR dieselben Grundsätze wie bei Tarifverträgen an.
Mit der Bezugnahme auf die Anlage 8 AVR im Dienstvertrag ist damit die Zusage erteilt, die bei der Anwendung der Anlage 8 AVR zum Tragen kommt. Dies wird vom BAG als Versorgungszusage mit Vertragsabschluss (und Beginn des Dienstverhältnisses) gewertet. Jedenfalls mit der Bezugnahme auf Anlage 8 AVR im Dienstvertrag, aber auch schon auf die Anlage 1 AVR wegen deren Abschnittes XIII, ist die Versorgungszusage erteilt (BAG a.a.O. Rn. 26).
2.2. Dynamische Bezugnahme auf PKC-Satzung umfasst nicht Leistungskürzungsrecht der Pensionskasse
Wegen der Bestimmung in § 2 Satz 2 VersO B Anlage 8 AVR, dass sich die Ansprüche der Versicherten nach der Satzung der PKC bestimmen, hatte die Beklagte argumentiert, dass diese dynamische Bezugnahme auch die Absenkung umfasse und deshalb keine Einstandspflicht entstanden sei. Dem tritt das BAG mit Verweis auf seine mittlerweile gefestigte Rechtsprechung (ausgehend vom BAG-Urteil vom 19.06.2012 - 3 AZR 408/10) entgegen. Zwar füllt die dynamische Verweisung auf die Satzung der Pensionskasse die arbeitsrechtliche Pensionszusage der Beklagten aus. Das gilt aber nur in Bezug auf die Bestimmungen, die das arbeitsrechtliche Grundverhältnis betreffen. Sie gilt nicht in Bezug auf Satzungsregelungen, die ausschließlich den Durchführungsweg betreffen. Es sind damit solche Bestimmungen nicht umfasst, die allein dazu dienen, den Zusammenbruch der Pensionskasse zu verhindern. Hierzu gehört insbesondere § 19 Nr. 5 der PKC-Satzung (BAG a.a.O. Rn. 36f.).
Ausdrücklich weist das BAG darauf hin, dass die Sanierungsklausel der PKC keine Einschränkung des Garantieversprechens [Anm. des Autors: des Dienstgebers] enthält, sondern sicherstellt, dass Leistungen der Pensionskasse auch wieder aufgestockt werden können (BAG a.a.O. Rn. 37 aE). Eine Anwendung auf das arbeitsrechtliche Grundverhältnis widerspricht betriebsrentenrechtlichen Wertungen. Der Dienstgeber kann sich der Einstandspflicht nicht entziehen. Die dynamische Verweisung auf die Satzung der Pensionskasse kann deshalb ein akzessorisches Recht der Beklagten zur Kürzung laufender Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht begründen (BAG a.a.O. Rn. 38 mit Bezug auf BAG 10.02.2015 - 3 AZR 65/14 – Rn. 57).
2.3. Anwendungspflicht der AVR führt nicht zu unzulässiger Einschränkung der Berufsfreiheit des Dienstgebers
Die verfassungsrechtlichen Argumente der Beklagten, die einen Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG monierte, werden vom BAG zurückgewiesen. Erfreulich deutlich und mit prägnanter Kürze gilt dies insbesondere für das Argument, die Beklagte habe keinerlei Einfluss auf die Regelung in den AVR nehmen können, sei aber gezwungen, diese anzuwenden. Diese zum Teil auch schon in Bezug auf Tarifverträge vorgebrachte Argumentation wird nun auch für den Dritten Weg unter Betonung der Anwendung des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen als falsch nachgewiesen. Das BAG verweist darauf, dass die Verpflichtung, die AVR zur Anwendung zu bringen, sich nicht aus staatlichem, sondern allenfalls aus kirchlichem Recht ergebe. Das Selbstbestimmungsrecht erfasst auch die Erstreckung auf die Arbeitnehmer karitativer Einrichtungen. Wörtlich: „Dieses Wirken als Ausdruck des christlichen Bekenntnisses gehört nach kirchlichem Selbstverständnis zu den eigenen Angelegenheiten im Sinne von Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 101 mwN, BAGE 143, 354)“ (BAG a.a.O. Rn. 43).
Die Arbeitsvertragsparteien übertragen die Regelung nicht in Hinblick auf die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Dritten, sondern in Vertrauen auf die Ausgewogenheit des Verhandlungsergebnisses. Die AK steht außerhalb des konkreten Dienstverhältnisses und gilt für eine Vielzahl von Dienstverhältnissen. Wörtlich: „Die Beklagte ist diesen Regelungen nicht ausgeliefert, sondern wird über die Dienstgeberseite paritätisch in der Kommission vertreten.“ (BAG a.a.O. Rn. 44).
Damit zeigt und stärkt die Entscheidung trotz des schwierigen Hintergrundes die Bedeutung des Dritten Wegs.
3. Was ist noch nicht abschließend geklärt?
Mit der Entscheidung des BAG steht nunmehr auch bei Anwendung der VersO der Anlage 8 AVR fest, dass im Grundsatz den Dienstgeber die Einstandspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG trifft für die Leistungsabsenkungen durch die PKC. Dennoch ist auf Besonderheiten der entschiedenen Fälle hinzuweisen.
3.1. Einstandspflicht für nach der Leistungskürzung entstandene Anwartschaften?
Beide Mitarbeiter befanden sich zum Zeitpunkt der Absenkung bereits im Ruhestand. Bei ihnen konnten über Anpassungsverpflichtungen hinaus keine neuen Anwartschaften aus neuen Beitragszahlungen mehr entstehen. Nun darf zwar die PKC keine neuen Mitglieder aufnehmen, da sie durch behördliche Maßnahme der BaFin sich im sog. „Run-Off“ befindet. Die VersO B der Anlage 8 AVR liefert deshalb auch keine Versicherungspflicht mehr für neue Dienstverhältnisse. Für die vorhandenen bei der PKC bereits versicherten Mitarbeiter läuft in der Regel das Versicherungsverhältnis aber fort und es werden auch weiterhin Pflichtbeiträge nach VersO B gezahlt. Es erwachsen also neue Anwartschaften bei der PKC, die aber nicht nach dem ursprünglichen Tarif bei Anmeldung, sondern zum veränderten, abgesenkten Tarif nach Leistungskürzung berechnet werden. Die Frage wird aber sein, ob den Dienstgeber für diesen Future-Service auch insoweit eine Einstandspflicht für die Differenz trifft.
3.1.1. Einstandspflicht erst beim Versorgungsfall
Das BAG hat bislang lediglich entschieden, dass es vor dem Eintritt des Versorgungsfalls keinen Anspruch auf einen Ausgleich gibt (BAG Urteile vom 12.05.2020, führend Az. 3 AZR 157/19). Grund ist, dass die Einstandspflicht nicht zu einem verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch, sondern zu einem verschuldensunabhängigen Erfüllungsanspruch führt. Dieser kann erst im Versorgungsfall greifen (BAG 3 AZR 157/19 Rn. 41). Das BAG hatte die Klage auf Zahlung zusätzlicher Beiträge durch den Arbeitgeber abgewiesen.
3.1.2. Anpassung der Tarife der PKC eventuell von dynamischer Bezugnahme erfasst?
Die Fallgestaltung war aber so, dass die Pensionskasse lediglich den Rechnungszins für Leistungen aus künftigen Beitragszahlungen im Rahmen von jährlichen Leistungsbausteinen abgesenkt hat. Das BAG hat deshalb auch ausgeführt, dass durchaus eine dynamische Verweisung auf die Satzung möglich ist, die veränderliche Rechnungszinssätze ermöglicht (BAG 3 AZR 157/19 Rn. 43). Es sei bei der notwendigen Prüfung der Verhältnismäßigkeit davon auszugehen, dass sich der Arbeitgeber mit einer dynamischen Verweisung auf die Satzung und die Richtlinien einer Pensionskasse nur solche Änderungen vorbehalten will, die den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen entsprechen. Deshalb sei eine dynamische Verweisung so zu verstehen, dass sich der Arbeitgeber lediglich die in diesem Rahmen zulässigen Änderungen vorbehält. Dies sei nach demselben Maßstab zu prüfen wie bei einer Direktzusage (BAG 3 AZR 157/19 Rn. 45), also in Anwendung des dreistufigen Prüfschemas.
Was dies bedeutet, hatte das BAG in dem Urteil aber nicht zu entscheiden. Insbesondere war offengeblieben, ob das Prüfschema auf die Verhältnisse der Pensionskasse oder des Arbeitgebers angelegt werden sollte. Gleichfalls ist offengeblieben, welche Schlussfolgerungen aus dem am Schluss gegebenen Hinweis zu ziehen sind, dass gegebenenfalls auch zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls der Arbeitgeber sich „auch noch darauf berufen [kann], dass hinsichtlich seiner ursprünglich erteilten Versorgungszusage wegen der Höhe der Versorgung, für die er einzustehen hat, eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) eingetreten ist“ (BAG 3 AZR 157/19 Rn. 49). Hinsichtlich der Störung der Geschäftsgrundlage hatte das BAG allerdings in einer ersten Folgeentscheidung bereits klargestellt, dass eine Veränderung der gesetzlichen Berechnungsgrundlagen keine solche Störung darstellt (BAG Urteil vom 08.12.2020 Az. 3 AZR 64/19; siehe DG-Brief 1/2021).
Für die Praxis bedeutet dies, dass hinsichtlich der aus nach der Anpassung der Tarife der PKC resultierenden Anwartschaften für den späteren oder bereits erfolgten Versorgungsfall die Beiträge dokumentiert sein sollten. Gegebenenfalls sollte dies auch die zum Zeitpunkt der Absenkung durch die PKC bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse des Dienstgebers umfassen, die die Absenkungsnotwendigkeit des Future-Service unterstützen würde. Gleichfalls sollte dokumentiert bleiben, dass die zur Absenkung führende Lage der PKC nicht allein durch die veränderten und mittlerweile nicht mehr bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Bildung einer sogenannten Zinszusatzreserve hervorgerufen wurde, sondern bei mindestens einem Tarif auch durch einen Berechnungsfehler der PKC in der Tarifgestaltung.
Ob hieraus gegebenenfalls ein Entfall der Einstandspflicht resultiert, lässt sich aber derzeit nicht abschätzen.
3.2. Folgen auf die Einstandspflicht bei künftigen Leistungserhöhung der PKC offen
Ein weiterer aus dem Zeitpunkt des Eintritts der Einstandspflicht resultierender Aspekt ist, dass die PKC derzeit eine wirtschaftliche Erholung zu verzeichnen hat. Dies ergibt sich aus dem gerade veröffentlichten Geschäftsbericht der PKC für das 2022, der hier verfügbar ist. Darauf weist der Blog „Leiter bAV“ hier hin. Dies führt derzeit zwar noch nicht zur Auskehrung von Überschüssen oder gar Wiederanpassungen von Leistungen nach oben. Erreichen diese wieder das Niveau, das bei den Anmeldungen der Versicherten zugesagt war, so wird dies auch Folgen für die Einstandspflicht der Dienstgeber haben. Dabei wird wiederum zu fragen sein, ob vor der Leistungsabsenkung der PKC ausgekehrte Überschüsse dabei zu berücksichtigen sind oder nicht.
4. Résumé: die Lage weiter beobachten
Im Ergebnis wird man feststellen müssen, dass durch die Urteile des BAG vom 14.03.2023 zwar die Grundfrage der Einstandspflicht der Dienstgeber für die Zusagen nach der VersO B der Anlage 8 AVR geklärt ist. Dennoch bleiben zu klärende Fragen und damit auch Potential für künftige gerichtliche Verfahren.
Rechtsprechung