Zum Hauptinhalt springen

LAG Hamm: Beginn der Freistellungs­phase der Altersteilzeit ändert Erfüllungsort für Entgeltzahlung nicht

In der Freistellungsphase der Altersteilzeit ist der Gerichtsstand der in der Arbeitsphase geltende einheitliche Erfüllungsort; dies gilt auch für eine Klage auf eine Inflationsausgleichsprämie

Sachverhalt

Die seit 1987 bei einem Unternehmen mit Sitz in München beschäftigte Klägerin war im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung vereinbarungsgemäß vom 1. April 2023 bis zum 31. März 2024 in der Freistellungsphase. Ihre Tätigkeit hat sie durchgängig – jedenfalls aber während der Arbeitsphase der Altersteilzeit – im Gerichtsbezirk des Arbeitsgerichts (ArbG) Herne ausgeübt. Mit ihrer seit dem 18. September 2023 beim ArbG Herne anhängigen Klage macht sie die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie geltend. Das ArbG Herne hat die Klage an das nach seiner Ansicht zuständige ArbG München verwiesen, nachdem es zwar der Klägerin noch eine Frist zur Stellungnahme gegeben, nach Eingang eines Schriftsatzes der Beklagten aber zwei Tage vor Ablauf der Frist die Verweisung beschlossen hatte. Das ArbG München wiederum hat sich sodann für unzuständig erklärt und das dafür zuständige Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm zur Bestimmung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichtes ersucht.

Entscheidung

Das LAG Hamm hat in seiner Entscheidung das ArbG Herne als zuständig erklärt. Das ArbG München hatte seine Entscheidung nach Ansicht des LAG Hamm richtigerweise zunächst damit begründet, dass es nicht an die Verweisung des ArbG Herne gebunden (§§ 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG) sei, da diese offensichtlich gesetzeswidrig erfolgt sei. Dieser Begründung stimmt das LAG Hamm zwar im Ansatz zu. Zwar würde auch bei fehlerhaften Verweisungsbeschlüssen die Bindungswirkung eintreten, nicht aber bei greifbar gesetzeswidrigen. Dies sei hier wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs der Fall. Der Verweisungsbeschluss sei somit krass rechtswidrig. Er entfalte für die Entscheidung des LAG auch keine partielle Bindungswirkung. Es könne über die Zuständigkeit entscheiden.

In der Sache war entscheidend, wo der Erfüllungsort liegt (§ 29 Abs. 1 ZPO). Da dies im Arbeitsverhältnis regelmäßig der Erfüllungsort für die Arbeitsleistung ist, verbindet sich dies mit der Frage, ob dies auch nach Ende der Arbeitsphase der Ort ist, an dem zuvor die Arbeitsleistung erbracht werden musste. Das wird vom LAG Hamm im Ergebnis bejaht. Grundsätzlich sei von einem einheitlichen Erfüllungsort für die Arbeitsleistung und Entgeltleistungen auszugehen. Während der Arbeitsphase war dies nach Versetzung der Klägerin unstreitig ein Ort im Gerichtsbezirk des ArbG Herne. Die Altersteilzeitvereinbarung stelle im Wesentlichen eine Vereinbarung über eine Verteilung der Arbeitszeit dar. Die im Blockmodell vereinbarte „Freistellung“ ist dann keine Freistellung im eigentlichen Sinne, nämlich dass eine Befreiung von der Arbeitspflicht bei Fortzahlung des Entgelts besteht, sondern die Arbeitsleistung wurde bereits erbracht und wird nur ausgeglichen. Dass andere Aspekte des Arbeitsverhältnisses geändert werden sollten, war nicht erkennbar.

Damit bleibt es beim Prinzip des einheitlichen Erfüllungsortes, der sich nach dem der Arbeitsphase der Altersteilzeit richtet.

Bewertung

Der Entscheidung des LAG Hamm ist zuzustimmen. Dies betrifft zunächst die Bewertung der Verweisungsentscheidung des ArbG Herne. Eine Beschlussfassung trotz noch nicht abgelaufener Frist zur Stellungnahme wird zwar in den meisten Fällen wegen der vermeintlichen Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses eher selten angegriffen. Aber das Prinzip des rechtlichen Gehörs ist Grundlage des fairen Prozesses.

Auch in der Sache ist dem LAG zuzustimmen. Ohne eine gesonderte Vereinbarung beschränkt sich eine Altersteilzeitvereinbarung auf die Regelung einer verkürzten Arbeitszeit, deren Verteilung und besonderer Vergütungsbestandteile. Wegen der Bildung der Wertguthaben ändert sich der Erfüllungsort für die Entgeltzahlung nicht. Dies gilt auch bei Anwendung der noch geltenden Anlage 17a AVR. Die enthält in § 7 zwar eine besondere Regelung zur Entgeltberechnung über die Bestimmung der Zu- und Abführungen zum und vom Wertguthaben. Ansonsten beschränkt sie sich bei den Bestimmungen aber auf die gerade benannten Punkte. Die nach der Rechtsprechung des BAG auch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit auszuzahlende sogenannte Inflationsausgleichsprämie nach Anlage 1c AVR stellt dazu auch keine außerhalb des Entgelts liegende Zahlungsverpflichtung dar.

Das Prinzip des einheitlichen Erfüllungsortes während der Arbeitsphase wird auch auf die Modelle der Wertguthabenvereinbarungen nach Anlage 5c AVR während der dort möglichen Phasen der Arbeitsbefreiung aus dem Wertguthaben zu gelten haben. Zwar können in diesen Modellen auch freiwillige Geldleistungen der Mitarbeitenden in die Wertguthaben eingebracht werden. Diese werden aber integriert in das auch Arbeitszeitfragen enthaltende Modell und begründen deshalb auch bei der Entnahme keinen anderweitigen Erfüllungsort.

Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm, Beschluss vom 04.01.2024; Az.: 1 SHa 21/23

Rechtsprechung

Autor/-in: Helge Martin Krollmann

Aktuelles aus der Rechtsprechung

Melden Sie sich zum Newsletter an

Seien Sie immer einen Schritt voraus:
Erhalten Sie regelmäßig Informationen zu tarifrechtlichen Entwicklungen sowie wichtige Praxishinweise in unserem Dienstgeberbrief!

 

Newsletter abonnieren