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BVerfG: Erfolglose Verfassungsbeschwerde einer Fernsehjournalistin wegen Lohndiskriminierung

Die Verfassungsbeschwerde einer Fernsehjournalistin wegen Verletzung des Rechts auf „Equal Pay“ wurde vom Bundesverfassungsgericht wegen inhaltlicher Mängel nicht zur Entscheidung angenommen.

Sachverhalt

Die Klägerin führt bereits seit Jahren einen medienwirksamen Kampf gegen ihre Arbeitgeberin, das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF), um die gleiche Vergütung zu erhalten, wie ihre männlichen Kollegen.

Im Jahr 2016 machte sie dafür vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Berlin gegen die Beklagte auf erster Stufe einen Auskunftsanspruch über den Verdienst vergleichbarer männlicher Kollegen und auf zweiter Stufe einen Anspruch auf Zahlung der gleichen Vergütung geltend. Das ArbG wies die Klage ab.

Während des Berufungsverfahrens vor dem Landgericht (LAG) Berlin-Brandenburg trat in Deutschland das Entgelttransparentgesetz (EntgTranspG) in Kraft. Trotz entsprechend umgestellter Klageforderung und geänderter Rechtslage, wies das LAG die Berufung zurück. Es führte aus, ein allgemeiner Auskunftsanspruch scheitere schon daran, dass die Klägerin keinen ersten Anschein für eine Benachteiligung dargelegt habe. Es genüge gerade nicht, dazulegen und zu beweisen, dass ihre Arbeitgeberin ihr ein niedrigeres Gehalt zahle als einem männlichen Kollegen, der eine gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichte. Sie müsse vielmehr auch den kausalen Zusammenhang zwischen der niedrigeren Vergütung und ihrem Geschlecht darlegen.

Ein Anspruch nach dem EntgTranspG scheide schon deshalb aus, da die Klägerin als freie Journalistin keine Arbeitnehmerin im Sinne des Gesetzes sei. Die dagegen eingelegte Revision vor dem BAG war insofern erfolgreich, als dass festgestellt wurde, dass bei europarechtskonformer Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs auch die Klägerin als arbeitnehmerähnliche Person in den Anwendungsbereich des EntgTranspG falle.

Die von der Beklagten schließlich erteilte Auskunft ergab, dass die Einkünfte männlicher Mitarbeiter in vergleichbaren Positionen im Jahr 2017 etwa 800 Euro monatlich höher lagen und auch gezahlte Zulagen für männliche Kollegen umfangreicher ausfielen.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügte die Beschwerdeführerin unter anderem die Verletzung ihres Rechts auf den gesetzlichen Richter.

Entscheidung

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführerin habe den Grundsatz der Subsidiarität des BVerfG nicht beachtet, ihre rechtlichen Möglichkeiten vor den Fachgerichten also nicht ausgeschöpft. Nachdem die Revision vor dem BAG im Wesentlichen erfolgreich war und sie Auskunft über das männliche Vergleichsentgelt erhalten habe, sei die Geltendmachung ihres Anspruchs auf Nachzahlung des Differenzentgelts bei den Arbeitsgerichten derzeit nicht ohne Aussicht auf Erfolg. Das BAG habe inzwischen klargestellt, dass ein die eigene Vergütung übersteigendes mitgeteiltes Vergleichsentgelt (Medianentgelt) die Vermutung begründe, es liege eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts vor. Dies führt zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, die wiederum dazu führe, dass die Beklagte darlegen und beweisen müsse, dass eine Abweichung vom Vergleichsentgelt aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist.

Im Übrigen sei die Verfassungsbeschwerde bezüglich der geltend gemachten Verletzungen auch nicht substantiiert begründet.

Bewertung

Die Entscheidung des BVerfG bietet Gelegenheit, noch einmal das Thema der Darlegungslast bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu beleuchten.

Das LAG hatte den allgemeinen Auskunftsanspruch ursprünglich deshalb zurückgewiesen, weil dieser nur dann bestehe, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf eine höhere Vergütung bestehe (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.02.2019 – 16 Sa 983/18). Zur Beurteilung des Vortrags der Klägerin zur geschlechterspezifischen Benachteiligung hat es die Rechtsprechung des BAG zum AGG herangezogen. Demnach muss grundsätzlich der Arbeitnehmer beweisen, dass eine Benachteiligung im Sinne des Gesetzes vorliegt. Da es in derartigen Situationen wohl lediglich Indizien und keine Beweise geben dürfte, enthält § 22 AGG eine Beweiserleichterung. Danach findet dann eine Beweislastumkehr zu Ungunsten des Arbeitgebers statt, wenn der Arbeitnehmer Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. An das Merkmal „vermuten lassen“ sind jedoch hohe Ansprüche zu stellen. Die schlichte Möglichkeit, dass die Indizien ursächlich für die Benachteiligung sind, reicht gerade nicht aus. Solange der Arbeitnehmer also keine Tatsachen vorträgt, die aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung auf einem in § 1 AGG genannten Grund beruht, greift die Vermutungsregelung aus § 22 AGG nicht (Vgl. etwa BAG, Urteil vom 11.08.2016 - 8 AZR 375/15, Rn 24 mwN). 

Liegt allerdings nach erteilter Auskunft durch den Arbeitgeber (etwa wie hier aufgrund des EntgTranspG) das mitgeteilte Vergleichsentgelt, das die männlichen Abreitnehmer erhalten, über dem an die weibliche Kollegin gezahlte, begründet das die von der Arbeitnehmerin zu widerlegende Vermutung, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfahren hat (BAG, Urteil vom 21.01.2021 – 8 AZR 488/19, Rn. 22).

In dem hier gegenständlichen Fall hat die Entscheidung des BVerfG noch einmal frischen Wind in die seit Jahren geführte Auseinandersetzung gebracht. Trotz der Niederlage vor dem BVerfG dürfte sich die Entscheidung positiv auf die Rechtsposition der Journalistin vor den Arbeitsgerichten auswirken. Eine entsprechende Klage auf Zahlung des Differenzlohns wurde wohl bereits im Dezember 2021 vor dem Arbeitsgericht Berlin erhoben.

Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 01.06.2022 – Az. 1 BvR 75/20

Rechtsprechung

Autor/-in: Yolanda Thau

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