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BAG: Vorab­entscheidungs­ersuchen – Urlaub, Alters­teilzeit­arbeits­verhältnis im Blockmodell, Mitwirkungs­obliegenheiten des Arbeitgebers

Der EuGH wird um die Beantwortung der Frage ersucht, ob das Unionsrecht den Verfall des Urlaubsanspruchs nach Ablauf des Urlaubsjahres auch dann gestattet, wenn der Arbeitnehmer von der Arbeits- in die Freistellungsphase seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses wechselt, ohne seinen aus demselben Kalenderjahr stammenden Urlaub – vollständig – genommen zu haben.

Sachverhalt

Der Kläger war vom 07.01.1986 bis zum 30.09.2019 bei der Beklagten beschäftigt. Mit Vertrag vom 05.12.2012 kamen die Parteien überein, ihr Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell fortzuführen. Im Nachgang vereinbarten die Parteien eine Arbeitsphase vom 1.2.2013 bis zum 31.05.2016 und eine Freistellungsphase vom 01.06.2016 bis zum 30.9.2019. Auf einen entsprechenden Antrag des Klägers gewährte die Beklagte ihm für den Zeitraum vom 4. bis zum 25.05.2016 13 Arbeitstage und damit den vollständigen Urlaub aus dem Jahr 2016. Im Zeitraum vom 11. bis zum 31.05.2016 war der Kläger krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Die Beklagte hatte ihn zuvor weder aufgefordert, seinen Urlaub zu nehmen, noch darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfallen kann.

Mit der Klage begehrt der Kläger unter anderem die Abgeltung von 2 ⅔ Arbeitstagen gesetzlichen Mindesturlaubs. Er hat die Auffassung vertreten, der Urlaub sei nicht verfallen, da die Beklagte es unterlassen habe, ihn rechtzeitig auf den drohenden Verfall hinzuweisen. Die Beklagte hat geltend gemacht, der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2016 sei mit Ablauf des 31.03.2017 erloschen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidung

Das BAG hat entschieden, dass es für die Entscheidung des Rechtstreits einer Klärung durch den EuGH bedarf, ob das Unionsrecht den Verfall des Urlaubsanspruchs nach Ablauf des Urlaubsjahres oder gegebenenfalls einer längeren Frist auch dann gestattet, wenn der Arbeitnehmer von der Arbeits- in die Freistellungsphase seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses wechselt, ohne seinen aus demselben Kalenderjahr stammenden Urlaub – vollständig – genommen zu haben.

Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob das Unionsrecht einem Verfall entgegensteht, wenn der Arbeitgeber seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten gegenüber einem Arbeitnehmer zwar nicht erfüllt hat, diesem aber antragsgemäß den noch bestehenden Urlaub gewährt hat und die – vollständige – Erfüllung des Urlaubsanspruchs nur deshalb nicht eintreten konnte, weil der Arbeitnehmer nach der Urlaubsbewilligung arbeitsunfähig erkrankte.

Der Senat neigt zu der Auffassung, dass die arbeitsvertragliche Vereinbarung von Altersteilzeit besondere Umstände begründet, die einen Verfall von Urlaub nach Ablauf des Urlaubsjahres, in dem die Arbeitsphase endet und der Urlaub hätte erfüllt werden können, bzw. des nach § 7 III BUrlG maßgeblichen Übertragungszeitraums gestatten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme und Gewährung von Urlaub erfüllt hat, indem er den Arbeitnehmer – erforderlichenfalls förmlich – aufgefordert hat, seinen Urlaub bis zum Ablauf der Arbeitsphase zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitgeteilt hat, dass der Urlaub in der Freistellungsphase mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht rechtzeitig beantragt.

Die Parteien bestimmen mit dem Abschluss eines derartigen Vertrags in Ausübung der ihnen zukommenden Vertragsfreiheit den Zeitraum, binnen dessen dem Arbeitnehmer Urlaub gewährt werden kann. Die Freistellungsvereinbarung als integraler Bestandteil einer Altersteilzeitvereinbarung war auch im Streitfall allein kausal dafür, dass die Beklagte außer Stande war, dem Kläger nach seiner Genesung Urlaub zu gewähren.

Sollte der Gerichtshof die erste Vorlagefrage verneinen, ist im Streitfall weitergehend fraglich, ob Art. 7 RL 2003/88/EG und Art. 31 II der Charta unter den in der Frage zu 1 genannten Umständen der Auslegung einer nationalen Regelung wie § 7 Abs. 3 BUrlG entgegen steht, der zufolge in der geschilderten Situation der bisher nicht erfüllte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub mit Ablauf des Urlaubsjahres oder zu einem späteren Zeitpunkt erlischt, wenn der Arbeitgeber – ohne zuvor seine Mitwirkungsobliegenheiten bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs erfüllt zu haben – dem Arbeitnehmer den gesamten Jahresurlaub antragsgemäß für einen Zeitraum unmittelbar vor Beginn der Freistellungsphase bewilligt hat, die Erfüllung des Urlaubsanspruchs aber – zumindest teilweise – nicht eintreten konnte, weil der Arbeitnehmer nach der Urlaubsbewilligung arbeitsunfähig erkrankte.

Bewertung

Man darf gespannt sein, was der EuGH antworten wird. Es ist zu hoffen, dass er die Auffassung des BAG teilt. Hinsichtlich der hilfsweisen Frage 2 sollte entscheidend sein, dass die Beklagte dem Kläger den von ihm beantragten Urlaub genehmigt hatte. Die Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit sollte spätestens dann geheilt sein, wenn der Arbeitnehmer im Laufe des Urlaubsjahres den Urlaub beantragt und ihn tatsächlich antritt. Dann sollte das Unionsrecht einem Verfall des Urlaubs nicht entgegenstehen, auch ohne, dass der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflicht formal erfüllt hat.

Bundesarbeitsgericht (BAG) Beschluss vom 12.10.2021 – 9 AZR 577/20 (A)

Rechtsprechung

Autor/-in: Marc Riede Florido Martins

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