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BAG: Kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts müssen schwerbehinderte Stellenbewerber nicht einladen

Kirchliche Arbeitgeber müssen auch als öffentlich-rechtliche Körperschaft keine schwerbehinderten Stellenbewerber zum Vorstellungsgespräch einladen. Sie sind kein öffentlicher Arbeitgeber.

Sachverhalt

Ein Kirchenkreis der Evangelischen Kirche Rheinland hatte am 4. April 2020 eine Vollzeitstelle in der Finanzbuchhaltung ausgeschrieben. Auf diese bewarb sich auch der schwerbehinderte Kläger, ein ausgebildeter Großhandelskaufmann. Er erhielt jedoch ohne eine Einladung zum Vorstellungsgespräch eine Absage. Er fühlte sich daraufhin wegen seiner Behinderung diskriminiert und verlangte eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern, insgesamt 7.500,00 Euro.

Er vertrat die Auffassung, der Kirchenkreis sei eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit als öffentlicher Arbeitgeber anzusehen. Er hätte daher zum Bewerbungsgespräch eingeladen werden müssen.

Entscheidung

Das LAG (Landesarbeitsgericht) Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21. Juli 2022 – Az. 5 Sa 10/22, siehe Urteilsbesprechung) wies die Klage ab. Auch die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung dargelegt. Eine solche kann nicht aufgrund der unterbliebenen Einladung zu einem Vorstellungsgespräch vermutet werden. Hierzu war der beklagte Kirchenkreis nicht verpflichtet. Die Einladungspflicht nach §165 Satz 3 SGB IX besteht zwar gemäß § 154 Abs.2 Nr. 4 SGB IX für Körperschaften des öffentlichen Rechts. Dies betrifft aber nach dem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Begriffsverständnis nur Körperschaften, die staatliche Aufgaben wahrnehmen. Kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts dienen demgegenüber primär der Erfüllung kirchlicher Aufgaben. Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts soll dabei die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgesellschaft unterstützen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Einladungspflicht auf kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts erstrecken wollte. Insoweit stehen sie den ebenfalls staatsfernen privaten Arbeitgebern gleich. Öffentliche Arbeitgeber sind nach § 165 SGB IX gesetzlich verpflichtet, dem Grunde nach geeignete Stellenbewerberinnen und -bewerber mit Schwerbehinderung zum Vorstellungsgespräch einzuladen. So soll den Bewerbern mit Behinderung im Wettbewerb mit Bewerbern ohne Behinderung die Chance geboten werden, den Arbeitgeber von ihren Vorzügen zu überzeugen. Kommt der öffentliche Arbeitgeber der Einladungspflicht nicht nach, sieht die ständige Rechtsprechung des BAG darin ein Indiz für eine Diskriminierung wegen der Behinderung. Der abgewiesene Bewerber kann dann eine Entschädigung verlangen. Als öffentlicher Arbeitgeber gelten danach etwa Bundes- und Landesbehörden aber auch „jede sonstige Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts“.

Die Evangelische Kirche, einschließlich ihrer Untergliederungen, ist jedoch kein öffentlicher Arbeitgeber, betonte das Gericht. Als öffentlicher Arbeitgeber seien vielmehr jene gemeint, die Staatsaufgaben wahrnehmen, in einer Staatsorganisation eingebunden sind oder als öffentliche-rechtliche Körperschaft einer staatlichen Aufsicht unterliegen. Dies sei bei dem Kirchenkreis nicht der Fall. Es handele sich bei ihm nicht um eine „staatsmittelbare“ Organisation oder Verwaltungseinrichtung. Die kirchliche Gewalt sei keine staatliche Gewalt. Daran ändere es auch nichts, dass der Kirchenkreis den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft innehabe.

Bewertung

Der Auffassung des BAG, das sich vollumfänglich der Auffassung des LAG angeschlossen hat, ist zuzustimmen. Durch die Zuerkennung eines öffentlich-rechtlichen Status wird die Kirche anderen öffentlich- rechtlichen Körperschaften iSd. § 154 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX nicht gleichgestellt. Der Beklagte war daher nicht nach § 165 Satz 3 SGB IX verpflichtet, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Der Nichteinladung kommt daher keine Indizwirkung iSd. § 22 AGG zu. Die Entscheidung ist auf öffentlich-rechtliche Körperschaften der katholischen Kirche zu übertragen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Januar 2024, 8 AZR 318/22

Rechtsprechung

Autor/-in: Marc Riede Florido Martins

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