Zum Hauptinhalt springen

BAG: Darlegungs- und Beweislast bei einer korrigierenden Rückgruppierung

Der Grundsatz, dass der Arbeitgeber bei einer korrigierenden Rückgruppierung die Fehlerhaftigkeit der bisherigen Eingruppierung darzulegen und zu beweisen hat, gilt auch, wenn die Neubewertung sich nicht unmittelbar auswirkt, aber einem Höhergruppierungsantrag die Grundlage entzieht.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Angestellte einer Ordnungsbehörde und verlangte von ihrer Arbeitgeberin nach EG 9a der EntgeltO (VKA) zum TVöD-VKA vergütet zu werden.

2015 hatte sich die Klägerin erfolgreich auf die intern ausgeschriebene Stelle „Sachbarbeiter/in Bürgerbüro“ beworben, die nach „Entgeltgruppe E 08 entspr. BAT-O/Bmt-G-o Vc/1b“ bewertet war. Im Rahmen der Ausschreibung einer gleichartigen Stelle, überprüfte die Beklagte die Eingruppierung im August 2016 und kam zu dem Ergebnis, dass für die Tätigkeit eine Eingruppierung nach der Vergütungsgruppe Vc/1a zutreffend sei. Die Bewertung der Stelle wurde daraufhin auf der Stellenbeschreibung handschriftlich in „VG Vc/1a“ geändert. Die Klägerin erhielt im März 2017 ein Exemplar der Stellenausschreibung – von deren Inhalt sie bis dahin keine Kenntnis hatte – ohne den handschriftlichen Zusatz. Im Mai 2017 stellte die Klägerin einen Antrag auf Höhergruppierung, da die Bewertung „VG Vc/1b“ nach der neuen Anlage zur Entgeltordnung der Entgeltgruppe 9a entsprach. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Hinweis auf die vorgenommene Neubewertung der Stelle, nach welcher die EG 8 TVöD-VKA zutreffend sei, ab. Die Klägerin verlangte daraufhin klageweise die rückwirkende Höhergruppierung und vertrat die Ansicht, dass es sich hier um eine korrigierende Rückgruppierung handle.

Die Vorinstanzen haben sich der Ansicht der Klägerin angeschlossen und der Klage stattgegeben, da die Beklagte der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen sei.

Entscheidung

Das BAG bestätigte die Entscheidungen von ArbG und LAG und wies die Revision der Beklagten zurück, da sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen lasse, aus welchen Gründen die Eingruppierung der Klägerin in VG Vc/1b fehlerhaft gewesen wäre. Zwar obliege es grundsätzlich der Beschäftigten, die tatsächlichen Voraussetzungen einer von ihr klageweise begehrten Eingruppierung im Prozess darzulegen und zu beweisen. Allerdings liege hier ein Fall der korrigierenden Rückgruppierung vor, da die Beklagte die Zuordnung der Klägerin zu einer niedrigeren als der bisher als zutreffend angenommenen Vergütungsgruppe beabsichtige. Die Darlegungs- und Beweislast für die objektive Fehlerhaftigkeit der bisherigen Eingruppierung liege daher bei der Beklagten. Die Klägerin könne sich insofern auf einen „begrenzten Vertrauensschutz“ berufen, den die Arbeitgeberin durch ihre Mitteilung der maßgebenden Vergütungsgruppe Vc/1b geschaffen habe. Die Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast bei der korrigierenden Rückgruppierung fänden auch dann Anwendung, wenn sich die Änderung der Bewertung der Tätigkeit – wie hier – nicht unmittelbar auf die Vergütung auswirke, durch diese aber einem Höhergruppierungsantrag die Grundlage entzogen würde.

Bewertung

Die Entscheidung reiht sich stringent in die Rechtsprechung des BAG zur korrigierenden Rückgruppierung ein und ist auch für die Eingruppierung nach den AVR-Caritas relevant. Nimmt ein Dienstgeber irrtümlich eine zu hohe Eingruppierung vor, ist eine Rückgruppierung zwar grundsätzlich möglich (siehe etwa § 5 der Anlage 1 III AVR, § 14 Abs. 4 der Anlage 31 und AVR sowie § 13 Abs. 4 der Anlage 33). Der Dienstgeber hat dann jedoch darzulegen und zu beweisen, dass die bisherige Eingruppierung objektiv fehlerhaft ist. Dass diese Beweislastregelung nicht daran geknüpft ist, dass der Arbeitgeber von der Rückgruppierung „unmittelbar“, und nicht erst durch eine ausgeschlossene künftige Höhergruppierung, betroffen ist, ist konsequent. Die Rechtsprechung des BAG zur korrigierenden Rückgruppierung stellt nicht auf eine Betroffenheit des Arbeitnehmers, sondern auf einen „begrenzten Vertrauensschutz“ ab. Der Arbeitnehmer darf darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht, die Eingruppierung sorgfältig und korrekt vorzunehmen, aufgrund seiner Sachnähe und Kompetenz nachkommt. Um Beweisprobleme in einem eventuellen Prozess zu vermeiden, ist die Frage der Eingruppierung der in Rede stehenden Tätigkeit daher sorgfältig zu prüfen, bevor der Dienstnehmer auf Basis der ihm mitgeteilten Eingruppierung seine Tätigkeit aufnimmt.

Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 27.04.2022 Az. 4 AZR 463/21

Rechtsprechung

Autor/-in: Yolanda Thau

Schlagworte

Aktuelles aus der Rechtsprechung

Melden Sie sich zum Newsletter an

Seien Sie immer einen Schritt voraus:
Erhalten Sie regelmäßig Informationen zu tarifrechtlichen Entwicklungen sowie wichtige Praxishinweise in unserem Dienstgeberbrief!

 

Newsletter abonnieren