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BAG: Arbeit auf Abruf – Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit ohne vertragliche Vereinbarung

Wurde Arbeiten auf Abruf vereinbart und dabei keine Festlegungen zur wöchentlichen Arbeitszeit getroffen, gilt nach § 12 Abs. 1 Satz 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich als vereinbart und ist auch bei Nichtabruf zu vergüten.

Sachverhalt

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte über die Revision zu dem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm vom 29. November 2022, Az. 6 Sa 200/22 zu entscheiden. Die Parteien streiten über die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit. Die Klägerin ist seit 2009 bei der Beklagten als „Abrufkraft“ beschäftigt, der Arbeitsvertrag enthält keine Regelung zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit. Die Klägerin wurde nach Bedarf und in unterschiedlichem zeitlichen Umfang zur Arbeit herangezogen. Ab dem Jahr 2020 wurde die Klägerin im Vergleich zu den unmittelbaren Vorjahren 2017 bis 2019 weniger durch die Beklagte zur Arbeit abgerufen; sie kam zuvor nach eigener Berechnung auf durchschnittlich 103,2 Stunden pro Monat. Die Klägerin meinte, dass sich durch ergänzende Vertragsauslegung ergebe, die durchschnittliche Arbeitszeit der Jahre 2017 bis 2019 sei auch die in den Jahren 2020 und 2021 zu vergütende Arbeitszeit. Sollte die Arbeitszeit nicht abgerufen werden, dann befinde sich die Beklagte im Annahmeverzug.

Das Arbeitsgericht hat basierend auf der gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG eine wöchentliche Arbeitszeit im Abrufverhältnis von 20 Stunden angenommen und damit der Klage nur im Umfang der dazu bestehenden Differenz stattgegeben. Die Berufung der Klägerin hiergegen hat das LAG Hamm zurückgewiesen.

Entscheidung

Das BAG hat sich den beiden Vorinstanzen angeschlossen und festgestellt, dass hier von einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden auszugehen sei. Sofern zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden vereinbart werde, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall erbringen, also auf Abruf arbeiten solle, so müsse in der entsprechenden Vereinbarung nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG grundsätzlich eine bestimmte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit festgelegt werden. Findet sich keine arbeitsvertragliche Regelung dazu, greife die gesetzliche Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG und es gelten 20 Wochenstunden als vereinbart.

Im Wege der ergänzenden vertraglichen Auslegung könne nur dann eine andere Arbeitszeit angenommen werden, wenn bei einem konkreten Arbeitsverhältnis diese Regelung nicht sachgerecht ist und auch objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Parteien bei Kenntnis der Regelungslücke im Vertrag eine andere Bestimmung getroffen und eine höhere oder niedrigere Wochenarbeitszeit vereinbart hätten. Dafür habe die Klägerin keine Anhaltspunkte vorgetragen.

Wird anfänglich keine Wochenarbeitszeit vereinbart, greift also § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG, können Arbeitgeber und Arbeitnehmenden später ausdrücklich oder konkludent eine andere wöchentliche Arbeitszeit vereinbaren. Das Abrufverhalten des Arbeitgebers in einem bestimmten, lange nach Beginn des Arbeitsverhältnisses liegenden Zeitraum reiche auch für eine konkludente Vereinbarung nicht aus. Denn aus dem jeweiligen Abrufverhalten lasse sich kein Bindungswille dahingehend ableiten, dass die Fiktion des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG nun zu Gunsten einer höheren Wochenarbeitszeit wegfallen soll. Dies gelte für den umgekehrten Fall der Bereitschaft des Arbeitnehmers ebenso.

Bewertung

Der Entscheidung wird zuzustimmen sein. Die Entscheidung ist auf Arbeitsverhältnisse nach AVR-Caritas übertragbar, § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG gilt für diese ebenfalls. In den AVR-Caritas findet sich keine eigene, geschweige denn eine abweichende Regelung zu der Fiktion des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG, daher ist bei Arbeitsverhältnissen, die Arbeit auf Abruf vorsehen und keine Vereinbarung zur Wochenarbeitszeit vorsehen, von einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden auszugehen, sofern nicht die oben beschriebenen Umstände greifen. Arbeiten auf Abruf sollte keineswegs mit den Sonderformen der Arbeit nach § 4 AT AVR verwechselt werden.

Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 18.10.2023, Az. 5 AZR 22/23

Rechtsprechung

Autor/-in: Laura Weber-Rehtmeyer

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