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ArbG Siegburg: Krankfeiern auf Party kann fristlose Kündigung rechtfertigen

Meldet sich eine Arbeitnehmerin für zwei Tage krank und nimmt in dieser Zeit an einer öffentlichen Party teil, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Sachverhalt

Die Klägerin war bei der Beklagten als Pflegeassistentin beschäftigt. An einem Wochenende Anfang Juli 2022 war sie am Samstag und Sonntag zum Spätdienst eingeteilt und meldete sich für beide Dienste krank. In der Nacht von Samstag auf Sonntag besuchte die Klägerin gemeinsam mit Arbeitskolleginnen eine „White Night Ibiza Party“. Auf dieser Party entstanden Fotos mit der Klägerin, die in ihrem WhatsApp-Status und auf der Homepage des Partyveranstalters veröffentlicht waren.

Am Montag meldete sich die Klägerin arbeitsfähig zurück zum Dienst und übergab der Beklagten eine am gleichen Tag ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) für das vergangene Wochenende. Einem Kollegen gegenüber behauptete die Klägerin, sich am Wochenende mit Grippesymptomen unwohl und fiebrig gefühlt zu haben. Nachdem die Beklagte von dem Partybesuch der Klägerin erfahren hatte, kündigte sie ihr fristlos, hilfsweise ordentlich.

Dagegen erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage. Sie erklärte, sie sei wegen psychischer Probleme krankgeschrieben gewesen. Es gebe keine Veranlassung für die Beklagte, die Feststellungen des bescheinigenden Arztes in Zweifel zu ziehen.

Entscheidung

Das ArbG Siegburg wies die Klage ab, da es die fristlose Kündigung für gerechtfertigt hielt. Die Klägerin habe über ihre Erkrankung getäuscht und damit das Vertrauen in ihre Redlichkeit zerstört. Damit liege ein wichtiger Kündigungsgrund vor. Der Beweiswert der AU-Bescheinigung sei dadurch erschüttert, dass Fotos die Klägerin an den Tagen ihrer angeblichen Arbeitsunfähigkeit bester Laune und – soweit erkennbar – bester Gesundheit auf einer Party zeigen. Zudem wurde die AU-Bescheinigung erst am Tag nach der behaupteten Arbeitsunfähigkeit ausgestellt. Für die Klägerin galt damit die volle Darlegungs- und Beweislast, dass sie an den beiden Tagen tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt war. Dies sei ihr nicht gelungen. Das ArbG glaubte der Klägerin die erst im Verfahren vorgetragene zweitägige psychische Erkrankung nicht. Es war der Überzeugung, die Klägerin neige dazu, die Unwahrheit zu sagen. Dies ergebe sich auch daraus, dass sie gegenüber ihrem Kollegen erzählt hat, sie habe an Grippesymptomen gelitten.

Bewertung

Die noch nicht rechtskräftige Entscheidung des ArbG Siegburg ist eine der eher seltenen, bei der ein Gericht den hohen Beweiswert einer ordnungsgemäß ausgestellten AU-Bescheinigung als erschüttert ansieht.

Grundsätzlich kann der Beweiswert einer AU-Bescheinigung erschüttert werden, wenn der Arbeitgeber Gründe vorträgt, die gegen die Richtigkeit dieser Bescheinigung sprechen. Die hier vorgetragenen Gründe (insbesondere auch die vorgelegten Fotos) reichten zusammen mit den widersprüchlichen Angaben der Klägerin dafür aus.

Bleibt ein Arbeitnehmer der Arbeit fern und lässt sich Lohnfortzahlung gewähren, obwohl es sich in Wahrheit nur um eine vorgetäuschte Krankheit handelt, kann dies einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB zur fristlosen Kündigung darstellen. Hier eine ausreichend schwere Vertragsverletzung anzunehmen, überzeugt schon deshalb, da in derartigen Konstellationen regelmäßig ein vollendeter Betrug des Arbeitnehmers zum Nachteil des Arbeitgebers vorliegen dürfte. Dass es sich hier um eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit handelte, sah das ArbG Siegburg als erwiesen an.

Tatsächlich hätte auch schon der Verdacht einer derart schwerwiegenden Pflichtverletzung unter Umständen einen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 BGB darstellen können. Dienstgeber müssen derartige Pflichtverletzungen also nicht unbedingt nachweisen können, sofern sie einen dringenden Verdacht haben, der auf konkrete, vom Dienstgeber ggf. zu beweisende, Tatsachen gestützt ist.

Wie immer gilt: Ob eine Kündigung gerechtfertigt ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes an sich stellt stets nur den ersten Schritt der Prüfung dar. In einem zweiten Schritt ist zu beurteilen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile (zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist) zumutbar ist oder nicht.

Arbeitsgericht (ArbG) Siegburg, Urteil vom 01.12.2022, Az. 5 Ca 1200/22

Rechtsprechung

Autor/-in: Yolanda Thau

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