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AVR erklärt – Alternative Arbeitszeitmodelle in Krankenhaus und Pflege

Auftakt zur Artikelserie „AVR erklärt“: Die Viertagewoche und andere Arbeitszeitmodelle sind zur Zeit in aller Munde – mit den AVR Caritas haben Dienstgeber bereits heute verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten, um Mitarbeitenden vor allem in der Pflege und im Krankenhaus alternative Arbeitszeitmodelle anzubieten.

Die Arbeitszeitgestaltung ist angesichts des Fachkräftemangels und der demographischen Umbrüche ein wesentlicher Faktor zur Bindung von Mitarbeitenden. Zudem können flexible und den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden entgegenkommende Arbeitszeitmodelle einen Anreiz für Teilzeitbeschäftigte setzen, ihre Stundenzahl zu erhöhen oder sogar Vollzeit zu arbeiten. Teilzeitbeschäftigte stellen in Zeiten des Fachkräftemangels ein wichtiges Arbeitskräftepotential dar, denn der Anteil der Teilzeitbeschäftigen in Deutschland beläuft sich auf 39,2 Prozent (vgl. Arbeitszeitrechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit). Das Caritaspanel 2022 hat bei der Befragung sogar eine Teilzeitquote von 62,0 Prozent ergeben, was auch daran liegen mag, dass der Frauenanteil der Dienstnehmerschaft 77,5 Prozent beträgt. Vor diesem Hintergrund ist es aufgrund der zahlreichen, möglichen Vorzüge flexibler Arbeitszeitmodelle gerade für Dienstgeber spannend und wichtig zu wissen, inwiefern entsprechende Flexibilisierungen im Bereich der AVR Caritas denkbar und umsetzbar sind. Soll Arbeitszeit flexibler gestaltet werden, müssen sich Dienstgeber insbesondere im Rahmen der AVR und der gesetzlichen Arbeitszeitregelungen bewegen. Im Folgenden wird ein Überblick über einige denkbare Flexibilisierungsmodelle und ihre Umsetzbarkeit gegeben.

Viertagewoche-Modelle – Vorteile, Grenzen und Risiken

Der Einführung der Viertagewoche steht in dem Fall, dass die Arbeitszeit von fünf auf vier Tage komprimiert wird, rechtlich nichts entgegen. Sie ist im Rahmen der AVR realisierbar. Eine Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich und reduzierter Arbeitszeit ist angesichts des Fachkräftemangels und des demographischen Wandels kein überzeugender Ansatz.

Welche Modelle gibt es? – Was bedeutet Viertagewoche?

Grundsätzlich wird zwischen drei Modellen unterschieden: Zum einen die Umsetzung als Teilzeitmodell, d.h. mit reduzierter Arbeitszeit und reduzierter Vergütung, zum anderen als Vollzeitmodell, bei dem entweder die Wochenarbeitszeit bei gleichbleibender Vergütung reduziert wird („bei vollem Lohnausgleich“) oder die Arbeitszeit bei gleichbleibender Wochenarbeitszeit und Vergütung auf weniger Tage konzentriert wird. Nachfolgend soll es vordergründig um die Umsetzbarkeit des letztgenannten Modells, der Komprimierung der Arbeitszeit auf vier Tage, gehen. Die Umsetzung der Viertagewoche als Teilzeitmodell ist geübte Praxis und wird daher nicht näher betrachtet.

Viertagewoche: Komprimierung oder „aus fünf mach vier Tage“ nach AVR realisierbar

Rechtlich steht dem Modell von vier Arbeitstagen pro Woche mit bis zu zehn Stunden Arbeitszeit nichts entgegen. Es sind die tägliche Höchstarbeitszeit und die Ausgleichszeiträume der AVR und der geltenden Arbeitszeitgesetze zu berücksichtigen.

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sieht einzuhaltende tägliche Höchstarbeitszeiten vor. Grundsätzlich soll die werktägliche Arbeitszeit – exklusive der Pausen – acht Stunden nicht überschreiten (§§ 2, 3 ArbZG). Sie kann auf bis zu zehn Stunden erhöht werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Der neue „freie“ Tag wird bei der Durchschnittsermittlung mitberücksichtigt, wodurch die durchschnittliche Arbeitszeit von acht Stunden pro Arbeitstag gewahrt wird. Damit wird der Ausgleich in der Regel bereits wöchentlich erreicht.

Je nachdem welche AVR-Anlage für die Mitarbeitenden einschlägig ist, beträgt die regelmäßige Wochenarbeitszeit für Mitarbeitende in Vollzeit durchschnittlich 38,5 bzw. 39 oder 40 Stunden. Im Rahmen der AVR ist eine Verteilung der Arbeitszeit auf unter fünf Tage möglich. Die AVR sehen in den Anlagen 30 bis 33 AVR zwar Verteilungsregelungen vor, diese sind aber nicht zwingend. Entsprechend der Anlagen 30 bis 33 AVR kann die Arbeitszeit auf fünf Tage, aus notwendigen dienstlichen oder betrieblichen Gründen auch auf sechs Tage, verteilt werden. In der Anlage 5 AVR findet sich keine Regelung zur Verteilung der Arbeitszeit innerhalb der Woche. Auch die vorhandenen Verteilungsregelungen verlangen jedoch nicht zwingend, dass die Arbeitszeit auf fünf bis sechs Tage zu verteilen ist – es handelt sich vielmehr um „Kann-Regelungen“ (vgl. § 3 Absatz 1 Satz 2 Anlage 30 bzw. § 2 Absatz 1 Satz 3 der Anlagen 31 bis 33 AVR).

Die AVR sehen neben den nach den Arbeitszeitgesetzen selbst geltenden auch eigene Zeiträume vor, innerhalb derer die Wahrung der durchschnittlichen Arbeitszeit überprüft wird. Dabei liegt die Betrachtung auf der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit und ist anders als im ArbZG nicht tagesbezogen. Der hierzu jeweils relevante Zeitraum richtet sich nach der einschlägigen Anlage und ist durchaus kürzer als im ArbZG. Er beträgt nach § 1 Absatz 1 Satz 2 Anlage 5 AVR 13 Wochen und kann nach Satz 3 aufgrund einer Dienstvereinbarung auf bis zu 52 Wochen verlängert werden. So können die in § 3 ArbZG vorgesehenen Zeiträume verlängert werden. Die Abweichung vom Gesetz durch Dienstvereinbarung ist hier zulässig, da die Öffnungsklausel des § 7 Absatz 1 Nummer 1 b) ArbZG für Tarifverträge und Betriebs- oder Dienstvereinbarungen aufgrund von Tarifverträgen gemäß § 7 Absatz 4 ArbZG auch für Tarifwerke des Dritten Wegs wie den AVR gilt. Für Mitarbeitende der Anlage 30 AVR ist als Ausgleichszeitraum ein Jahr zu Grunde zu legen. Bei Ärztinnen und Ärzten, die ständig in Wechselschicht arbeiten, kann ein längerer Zeitraum zu Grunde gelegt werden (vgl.§ 3 Absatz 2 Anlage 30 AVR). Dasselbe gilt auch für Mitarbeitende der Anlagen 31 bis 33 AVR – dort jeweils geregelt in § 2 Absatz 2.

Wenn die Arbeitszeit auf vier Tage verteilt wird, sind rechtliche Risiken zu berücksichtigen. Überstunden, die über bis zu zehn Stunden Arbeitszeit pro Tag hinausgehen, sind zu vermeiden und nicht anzuordnen. Bezüglich der täglichen Arbeitszeit ergeben sich Unterschiede je nach regelmäßiger Wochenarbeitszeit: dort wo 38,5 Stunden pro Woche geleistet werden sollen, besteht mehr Spielraum bis zur Höchstgrenze von zehn Stunden als bei 39 oder 40 Wochenstunden.

Die Anlage 30 AVR macht jedoch eine Ausnahme von dem Maximum von zehn Stunden Arbeitszeit pro Tag und ermöglicht auch Schichten von bis zu zwölf Stunden (vgl. § 3 Absatz 5). In den Anlagen 31 bis 33 AVR ist eine Überschreitung im Rahmen von Bereitschaftsdiensten ebenfalls möglich (§ 5 Absatz 2).

Weniger arbeiten bei vollem Lohnausgleich nicht zeitgemäß

Eine Viertagewoche, die auf Arbeitszeitverringerung bei gleicher Vergütung aufbaut, ist nicht nur im Sinne der Tarifeinheit nicht zu präferieren, sondern angesichts des schon existierenden Personalmangels abzulehnen. Das Modell ist aber durch einzelvertragliche Abbedingung möglich. Die Lösung ist jedoch angesichts des Fachkräftemangels und demographischen Wandels nicht zeitgemäß. Es würde auch unberücksichtigt bleiben, dass Arbeitnehmende in Deutschland schon heute im europäischen Vergleich weniger arbeiten, vgl. dazu die Arbeitsrechtliche Analyse der Geschäftsstelle Arbeitszeitgestaltung in Zeiten demographischer Umbrüche und die Studie des Roman-Herzog-Instituts Lebensarbeitszeit im internationalen Vergleich – Die Bedeutung der Silver Worker für die Fachkräftesicherung.

Das 7/7-Arbeitszeitmodell – eine gute Alternative zum Drei-Schichtsystem?

Eine ebenfalls im Rahmen der AVR und der gesetzlichen Arbeitszeitregelungen realisierbare Alternative ist das sogenannte 7/7-Arbeitszeitmodell in der Pflege, das beispielsweise bei der Deutschen Seniorenstift Gesellschaft (DSG) zur Anwendung kommt. Das Modell wird von der DSG als vorteilhaft sowohl für Dienstgeber und Mitarbeitende als auch für die Bewohner der Einrichtung beschrieben. Durch den anderen Schichtzuschnitt ermöglicht es den Wechsel zu einem Zweischichtsystem.

Zuverlässigerer Planungshorizont

Das Modell baut – wie die Viertagewoche – auf zehn Stunden Arbeitszeit pro Tag auf, dazu kommen zwei Stunden Pause. Die Mitarbeitenden arbeiten an sieben Tagen hintereinander, also 70 Stunden innerhalb einer Woche. Danach haben die Mitarbeitenden sieben Tage am Stück frei. Durch dieses Modell kann die Dienstplanung für den Dienstgeber erleichtert werden, denn es fällt nicht nur eine zu besetzende Schicht weg, sondern es wird durch den zweiwöchigen Rhythmus möglich, den Dienstplan langfristig, fast für das gesamte Jahr im Voraus, festzulegen. Der zweiwöchige Rhythmus senkt den Zeitaufwand für die Planung und laut den Erfahrungen von Trägern wie der DSG sollen auch kaum Dienstplankorrekturen erforderlich sein, was u.a. am geringeren Krankenstand liegen dürfte. Ein weit im Voraus feststehender Dienstplan, der selten angepasst werden muss, erzeugt in der Einrichtung für alle Beteiligten mehr Kontinuität. Die Verlässlichkeit betrifft nicht nur den Dienstplan und die Dienstzeiten, sondern auch die Informationsübergabe bei Schichtwechsel durch die überlappenden Zeiten. Die längeren Schichten und die Personalspitze durch den überlappenden Schichtwechsel haben auch für die Bewohner der Einrichtungen Vorteile. Da die Aufgaben über den Tag anders verteilt werden können, wird für beide Seiten der Zeitdruck gesenkt. Zudem stehen in bestimmten Phasen mehr Mitarbeitende zur Verfügung. Dieses Modell erspart den Mitarbeitenden – wie auch bei der Viertagewoche – Pendelzeiten und ermöglicht ihnen eine bessere Freizeitplanung. So sind sogar längere Urlaube in den Sommerferien durch die Kombination von Urlaub und planmäßig freien Wochen möglich.

7/7-Arbeitszeitmodell mit AVR vereinbar

Das Arbeitszeitmodell ist sowohl mit den Rahmenbedingungen der geltenden Arbeitszeitgesetze als auch mit den Vorgaben der AVR vereinbar und kann aus rechtlicher Perspektive ohne entgegenstehende Bedenken eingeführt werden.

Rechnerisch kommt dieses Modell jedoch aufgrund der auf zwei Wochen aufzuteilenden 70 Stunden auf eine regelmäßige Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche und führt damit zu einer Teilzeitbeschäftigung – verglichen mit der regelmäßigen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit nach den AVR von 38,5 bis 40 Stunden für eine Vollzeitstelle. Damit sind auf den ersten Blick Entgelteinbußen verbundenen, die jedoch zumindest teilweise durch Zeitzuschläge (§ 7 Absatz 1 Anlage 30 bzw. § 6 Absatz 1 der Anlagen 31 bis 33 AVR), die für die in diesem Modell regelmäßig vorkommende Sonntags- und Nachtarbeit anfallen, ausgeglichen werden können.

Ebenso zu beachten sind die Freizeitausgleichsregelungen des § 4 der Anlage 30 bzw. § 3 der Anlagen 31 bis 33 AVR, die für das 7/7-Arbeitszeitmodell jedoch kein Hindernis darstellen. Nach § 4 Absatz 3 der Anlage 30 AVR bzw. § 3 Absatz 3 der Anlagen 31 bis 33 AVR sind Mitarbeitenden zwei arbeitsfreie Tage innerhalb von zwei Wochen zu gewähren, wenn sie regelmäßig an Sonn- und Feiertagen arbeiten müssen. Das träfe auf Mitarbeitende im 7/7-Arbeitszeitmodell zu. Dadurch, dass die Mitarbeitenden die darauffolgende Woche frei bekommen, werden ihnen innerhalb von zwei Wochen zwei arbeitsfreie Tage gewährt. Es reicht hierzu aus, dass diese Tage ausdrücklich im Dienstplan als freie Ausgleichstage gekennzeichnet werden. Bei Ärztinnen und Ärzten ist dazu noch die Regelung des § 4 Absatz 4 Anlage 30 AVR zu beachten, die vor allem eine Dienstplanungsvorschrift darstellt und vorschreibt, dass Arbeitsleistungen nur an zwei Wochenenden im Kalendermonat angeordnet werden dürfen. Mit dieser dürfte es aber aufgrund des zweiwöchigen Turnus kaum zu Konflikten kommen.

Das 7/7-Arbeitszeitmodell steht auch nicht im Widerspruch mit dem Arbeitszeitkorridor in § 3 Absatz 7 Anlage 30 bzw. nach § 2 Absatz 6 der Anlagen 31 bis 33 AVR, der eine wöchentliche Arbeitszeit von bis zu 45 Stunden vorsieht. Bei dem Arbeitszeitkorridor handelt es sich selbst um ein Arbeitszeitmodell aufgrund einer Dienstvereinbarung, das die Ausdehnung der wöchentlichen Arbeitszeit ermöglicht, ohne dass innerhalb des Korridors Überstundenzuschläge oder Ansprüche auf Freizeitausgleich begründet würden. Dieser Zweck des Arbeitszeitkorridors steht im Kontrast zu dem 7/7-Arbeitszeitmodell, das einen zeitnahen Freizeitausgleich vorsieht.

Unterschied zu „echten“ 12-Stunden-Schichten

Wesentlicher Unterschied zu „echten“ 12-Stunden-Schichten ist, dass hier keine zwölf, sondern zehn Stunden Arbeitszeit geleistet und dazu zwei Stunden Pause pro Arbeitstag gewährt werden. Es geht in diesem Modell nicht um die Realisierung von mehr als 10 Stunden Arbeitszeit pro Tag. Während der zwei Stunden Pausenzeit dürfen beispielsweise keine Bereitschaftsdienste geleistet werden, es muss sich um echte Pausen handeln. Damit ist die dargestellte Alternative zum Drei-Schicht-System an weniger rechtliche Hürden geknüpft als „echte“ 12-Stunden-Schichten. Diese sind nur unter den Voraussetzungen des § 7 Absatz 1 und 2 ArbZG und damit nur aufgrund des § 2 Absatz 4, 7 und 9 der Anlagen 31, 32 und 33 AVR sowie des § 3 Absatz 4 und 8 Anlage 30 AVR möglich. Dies setzt aber nach § 7 Absatz 1 Nr.  1 a) ArbZG voraus, dass in die über die zehn Stunden werktäglich verlängerte Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienste fallen. Eine Arbeitszeitverlängerung über acht Stunden hinaus ist auch aufgrund einer Dienstvereinbarung unter den gleichen Voraussetzung nach § 8 Anlage 5 AVR möglich.

Mehr Urlaub für Eltern? – Ein Arbeitsmodell für jeden Lebensabschnitt

Eine Alternative zur Komprimierung der Arbeitszeit auf weniger Tage stellt ein Angebot des Klinikums Westfalen in Dortmund dar, das Vollzeitbeschäftigten gegen weniger Gehalt mehr Urlaubstage ermöglicht. Das Modell könnte insbesondere den Bedürfnissen der Mitarbeiten-den entsprechen, die Eltern von schulpflichtigen Kindern sind. Das Arbeitsmodell ist vor allem durch einzelvertragliches Entgegenkommen oder der Einrichtung und Durchführung von Ar-beitszeitkonten realisierbar.

Vollzeitbeschäftigung und trotzdem viel Zeit für die Kinder

Das Klinikum Westfalen in Dortmund bietet mit „FerienFreiZeit“ ein Modell an, das insbesondere für Eltern mit schulpflichtigen Kindern attraktiv ist. Zu dem Tarifurlaub von 30 Tagen können die Mitarbeitenden gegen 13 Prozent weniger Gehalt weitere 34 freie Tage erhalten, was den Ferientagen in NRW entspricht. Durch die zusätzlichen Urlaubstage können Eltern trotz Vollzeitbeschäftigung etwa alle Ferienzeiten mit ihren Kindern verbringen und sind dafür nicht auf Freiräume in der Dienstplanung und Teilzeitbeschäftigung angewiesen. Gleichzeitig können sie im Wesentlichen wie eine Vollzeitkraft eingesetzt werden.

AVR: einzelvertragliches Entgegenkommen oder Arbeitszeitkonten

Für Mitarbeitende nach den AVR ist dieses Modell bislang vor allem durch individuelles Entgegenkommen möglich. Es ist aber gerade für Mitarbeitende der Anlagen 31 bis 33 AVR auch eine Realisierung über entsprechende Arbeitszeitkonten denkbar.

Eine Einführung durch Dienstvereinbarung ist mangels erforderlicher Öffnungsklausel (§ 38 MAVO) in der Anlage 14 AVR derzeit nicht möglich. Die Anlage 14 AVR bietet aber in § 10 Eltern grundsätzlich die Möglichkeit des unbezahlten Sonderurlaubes, dem aber keine dringenden dienstlichen bzw. betrieblichen Belange entgegenstehen dürfen. Diese Hürde macht jedoch den graduellen Unterschied zu dem vorgestellten Modell aus, das den Eltern gerade keine derartige Darlegungspflicht auferlegt: Eltern sind nicht darauf angewiesen, einen Sonderurlaub zu beantragen und diesen zu begründen, der ihnen dann nicht bezahlt wird. Bei dem Mehrurlaubsmodell stehen ihnen vertraglich mehr Urlaubstage zu, deren Inanspruchnahme der Dienstgeber fördern soll. Diese gänzlich andere Situation zwischen Urlaubsanspruch und beantragbarem unbezahlten Sonderurlaub macht einen deutlichen Unterschied für Mitarbeitende aus. Damit können sich Dienstgeber als besonders familienfreundlich erweisen und den bei ihnen beschäftigten Eltern zeigen, dass sie – möglicherweise anders als die Konkurrenz – deren Bedürfnisse erkennen.

Einer Realisierung von freien Tagen durch die Vereinbarung von Langzeitkonten entsprechend der Anlage 5c AVR ist nicht zielführend, da es der Zielsetzung der Anlage 5c AVR widerspricht. Langzeitkonten sehen eine Anspar- und eine Freistellungsphase vor. Letztere soll einen längeren Zeitraum umfassen, der bei mindestens drei Monaten liegt (vgl. Arbeitsrecht der Caritas – Ein Praxiskommentar zu den Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes, Stand EL 3/2023, Anlage 5c Rn. 11). Zudem steht das Sozialversicherungsrecht nach § 7b Nr. 2 des Vierten Sozialgesetzbuchs (SGB IV) der Verwendung von Langzeitkonten im Sinne eines Mehrurlaubsmodells entgegen. Nach § 7b Nr. 2 SGB IV kann die für ein Langzeitkonto erforderliche Wertguthabenvereinbarung nicht mit dem Ziel der flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit abgeschlossen werden. Langzeitkonten nach Anlage 5c AVR könnten aber vereinbart werden, um den Mitarbeitenden für einen längeren Zeitraum eine Teilzeitbeschäftigung bei geringeren Lohneinbußen zu ermöglichen. Diese Verwendung sieht der § 7c Absatz 1 Nr. 1 c) SGB IV vor. Ebenso kommen die finanzielle Vorsorge für Eltern- oder Erziehungszeiten (§ 7c Absatz 1 Nr. 1 b) SGB IV) oder die Pflege von nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung (§ 7c Absatz 1 Nr. 1 a) SGB IV) in Betracht.

Durch die Einrichtung und konsequente Durchführung von Arbeitszeitkonten in rechtskonformer Anwendung der Regelungen nach § 3 Anlage 5b und § 9 der Anlagen 31 bis 33 AVR kann dem Ansinnen nach mehr freien Tagen besser Rechnung getragen werden.

Exkurs: Flex- oder Springerpools als Rekrutierungsmaßnahme und echte Alternative zur Leiharbeit

Flexpools sind eher ein Thema der Dienstplanung als eine arbeitsrechtliche Problemstellung und werden bereits in verschiedenen Caritasverbänden umgesetzt. Verschiedene Caritasverbände greifen bereits im Bereich der ambulanten wie auch der stationären Pflege auf das Instrument der Flex- oder auch Springerpools zurück – wie z.B. in Dortmund oder in Arnsberg-Sundern (vgl. Pressemitteilung DCV). Wesentlicher Vorteil für Dienstgeber ist, dass der Pool nur aus eigenen Mitarbeitenden besteht und damit die Qualität sichergestellt werden kann. Gleichzeitig ist ein Flexpool trotz gegebenenfalls anfallender Mehrkosten erheblich günstiger als ein Rückgriff auf Leiharbeitnehmende. Gegebenenfalls handelt es sich je nach konkreter Umsetzung um eine Teilzeitbeschäftigung oder ein Arbeiten auf Abruf nach § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Die rechtssichere Umsetzung von Flex- oder Springerpools hängt im Wesentlichen von der konkreten Ausgestaltung ab, es sind sehr verschiedene Umsetzungen möglich. Die rechtlichen und tariflichen Rahmenbedingungen müssen daher im Einzelfall genau geprüft werden.

Der Bundesrat hat am 2. Februar 2024 die Entschließung „Eindämmung der Leiharbeit in der Pflege“ gefasst, mit der die Bundesregierung u.a. um Prüfung von attraktiveren Rahmenbedingungen für die Einführung von Springerpools gebeten wird. Dem Bundesrat geht es dabei auch darum, die Leiharbeit wieder zu dem Ausnahmemittel zu machen, als welches sie ursprünglich angedacht wurde. Als dafür zielführende Maßnahmen hat der Bundesrat insbesondere die Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmenden mit der Stammbelegschaft identifiziert, daneben sollen u.a. auch Relationsgrenzen von Stammbelegschaft und Leiharbeitnehmenden eingeführt werden.

Fazit

Die AVR bieten bereits jetzt Möglichkeiten, Mitarbeitenden vor allem in der Pflege und im Krankenhaus alternative Arbeitszeitmodelle anzubieten und damit als Dienstgeber mehr auf die Bedürfnisse von (potentiellen) Mitarbeitenden einzugehen, um sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil in der (Fach-)Kräftegewinnung und -bindung zu sichern. Sowohl mit Blick auf potentielle Bewerber als auch auf Mitarbeitende bietet es sich an, den Bedarf bezüglich alternativer Arbeitszeitmodelle, die nach den Gegebenheiten und Anforderungen der Einrichtung angeboten werden können, zu ermitteln. Insbesondere bei Teilzeitbeschäftigten könnten die Modelle einen Anreiz zum Wechsel in die Vollzeitbeschäftigung bieten. Vollzeitbeschäftigte könnten in ihrer aktuellen Lebenssituation durch andere Arbeitszeitmodelle besser abgeholt werden, wodurch ihre Zufriedenheit gesteigert und ein Arbeitgeberwechsel vermieden werden könnte. Angesichts der gewandelten gesellschaftlichen Strukturen und Bedürfnisse wird dies zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen und notwendig sein, um Arbeitskräfte zu halten und eine Abwanderung in die Leiharbeit oder andere Branchen zu verhindern.

An dieser Stelle wird über neue Entwicklungen diesbezüglich berichtet.

Arbeitsrechtliche Analyse

AVR erklärt

Autor/-in: Laura Weber-Rehtmeyer

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