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Aktuelles aus der Pflege: Eigenanteile im stationären Bereich steigen trotz hoher Zuschüsse aus der Pflegeversicherung weiter

Die von den Pflegebedürftigen in der stationären Versorgung selbst zu tragenden Kosten sind nicht nur auf einem hohen Niveau, sie steigen weiter stark an. Die von der Solidargemeinschaft zu tragende Unterstützung kommt aber nur bei einem Teil der Pflegebedürftigen an und ist wenig zielgerichtet.

Am 6. November 2023 titelte die FAZ: „Sozialhilfe-Wunder in der Pflege – Dank neuer Zuschüsse brauchen weniger Heimbewohner das Sozialamt“. Hintergrund des Artikels und der beschriebenen Entwicklung sind aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Diese zeigen, dass immer weniger Menschen staatliche Unterstützung in Form der Grundsicherung benötigen, um ihre Pflege zu finanzieren. Da die einrichtungseinheitlichen Eigenanteile auch 2023 erneut gestiegen sind, steigt auch der Zuschussbedarf weiter. Im weiteren Verlauf werden die Zusammenhänge sowie die aktuelle Entwicklung der Eigenanteile näher betrachtet.

Zuschüsse erreichen nur einen kleinen Teil der Pflegebedürftigen

Die Sozialhilfequote, der Anteil der Hilfebezieher an allen Pflegebedürftigen, liegt aktuell bei 26,9 Prozent und befindet sich laut einer ergänzenden Auswertung des PKV-Verbands auf dem niedrigsten Stand seit der Jahrtausendwende. Der Hauptgrund für diese Entwicklung sind neue Zuschüsse der Sozialversicherung, die seit dem 1. Januar 2022 an alle Heimbewohner ausgezahlt werden, um im Stationären Bereich die Belastung der erhöhten Eigenanteile zu senken. Die Kosten für diese Zuschüsse belaufen sich auf 3,5 Milliarden Euro pro Jahr und werden von der Solidargemeinschaft der beitragspflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber getragen. Durch diesen Zuschuss werden aber nicht nur ärmere Menschen, sondern alle Heimbewohner gleichermaßen entlastet – auch jene, die die Kosten des Eigenanteils selbst tragen könnten. Besonders kritisch zu bewerten ist außerdem, dass nur ein geringer Teil der fast 5 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland – nämlich die Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen – durch diese Maßnahme entlastet wird. Mehr als 80 Prozent der Pflegebedürftigen werden weiterhin zu Hause – häufig unter Inanspruchnahme von Leistungen von ambulanten Pflegediensten – versorgt. Dieser Personenkreis profitiert nicht von der Bezuschussung der Eigenanteile in der stationären Pflege. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die Anzahl der Empfängerinnen und Empfänger von Hilfe zur Pflege außerhalb von Einrichtungen sogar um 2,4 Prozent zugenommen hat (www.destatis.de).

Steigende Löhne und steigende Eigenanteile sind zwei Seiten einer Medaille

Die Entwicklung der Eigenanteile wird wesentlich durch Lohnentwicklung in der Pflege beeinflusst. Diese ist weiterhin dynamisch und beschert den Beschäftigten in der Pflege schon seit einigen Jahren vergleichsweise hohe Gehaltssteigerungen. Laut den aktuellen Zahlen aus der aktuellen Entgeltstatistik der Bundesagentur für Arbeit, die bereits in einem früheren Beitrag dargestellt wurden, sind die Verdienste im Bereich der Altenhilfe (plus 8,6 Prozent) erneut deutlich stärker als in den anderen Branchen (plus 3,7 Prozent) gestiegen. Seit 2020 liegt damit auch das Medianentgelt für Fachkräfte in der Altenhilfe mit 3.611 Euro um 228 Euro über dem aller Fachkräfte. Langfristig, von 2015 bis 2022, ist das Medianentgelt in der Altenhilfe sogar um 40,6 Prozent gestiegen. Mehr hierzu in der ökonomischen Analyse: Steigende Löhne und steigende Eigenanteile sind zwei Seiten einer Medaille

Entwicklung der einrichtungseinheitlichen Eigenanteile

Der Anstieg der einrichtungseinheitlichen Eigenanteile (EEE) ist 2022 sogar noch stärker gewesen, als in der ersten Auswertung des Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) im Herbst 2022 zunächst festgestellt wurde. So sind die EEE zwischen 2021 und 2022 nicht nur um durchschnittlich 21 Prozent, sondern um 24,4 Prozent angestiegen. Auch 2023 setzt sich der Anstieg fort und beträgt laut der ersten Auswertung des WIdO 14 Prozent. Damit liegt die jährliche Kostensteigerung wieder im Bereich der Anstiege in den Jahren vor 2022. Die Entwicklung des EEE in den letzten fünf Jahren ist in der folgenden Abbildung dargestellt.

Abbildung: Anstieg der einrichtungseinheitlichen Eigenanteile (EEE) ohne Berücksichtigung der nach Wohndauer gestaffelten Leistungszuschläge (nach §43c SGB XI)

jeweils zum Stichtag 31. Dezember bzw. 30. September

In Euro ausgedrückt liegen die durchschnittlichen monatlichen pflegebedingten Kosten, die über den EEE von den Pflegebedürftigen zu tragen sind, aktuell zwischen 1.330 Euro in den ersten 12 Monaten und 420 Euro nach 36 Monaten. Hinzu kommen die Kosten für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von durchschnittlich 898 Euro sowie die Investitionskosten von durchschnittlich 480 Euro. Die monatlichen Kosten summieren sich damit auf 2.708 Euro in den ersten 12 Monaten und sinken durch die Zuschüsse bei einer Aufenthaltsdauer von mehr als 36 Monaten auf 1.798 Euro. Die tatsächliche Höhe der von Bewohnerinnen und Bewohnern durchschnittlich selbst zu tragenden Pflegekosten sind regional sehr unterschiedlich. Sie liegen ohne Berücksichtigung des Leistungszuschlags zwischen 2.216 Euro in Sachsen-Anhalt und 3.329 Euro im Saarland. Ebenfalls in der Spitzengruppe sind Baden-Württemberg mit 3.177 Euro und Nordrhein-Westfalen mit 3.000 Euro selbst zu tragenden Kosten für Pflege, Unterkunft und Verpflegung sowie den Investitionskosten. Weitere Zahlen sind auf der Homepage des WIdO verfügbar.

Fazit und Ausblick

Die dargestellten Entwicklungen zeigen, dass die von den Pflegebedürftigen in der stationären Versorgung selbst zu tragenden Kosten nicht nur auf einem hohen Niveau sind, sondern dass diese trotz der nun eingeführten Zuschüsse weiterhin stark ansteigen. Aufgrund dessen wird auch der Zuschussbedarf weiter zunehmen. Problematisch ist, dass die von der Solidargemeinschaft zu tragende Unterstützung nur bei einem Teil der Pflegebedürftigen ankommt und wenig zielgerichtet ist. So sind auch die mehr als 4 Millionen Pflegebedürftigen, die zu Hause von Angehörigen oder ambulanten Diensten versorgt werden, von den hohen Kostensteigerungen betroffen, erhalten aber weiterhin keine Zuschüsse. Von den rund 800.000 Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen haben hingegen alle – unabhängig von ihrer finanziellen Bedürftigkeit – Anspruch auf Zuschüsse. Dies erhöht den Zuschussbedarf unnötig zu Lasten der Solidargemeinschaft, führt nicht zu einer signifikanten Verbesserung der Pflege und unterstreicht erneut das früher schon häufig gezeichnete Bild der Pflegeversicherung als Erbenschutzversicherung (Gastbeitrag von Prof. Dr. Georg Cremer in der FAZ vom 8. Januar 2021). Eine zukunftsfähige und für alle Beteiligten tragbare Ausgestaltung der Pflegeversicherung bleibt also weiterhin Aufgabe der politischen Akteure. Dabei gilt es insbesondere auch die Belastung der Arbeitgeber im Blick zu behalten, deren Betragsanteil in der Pflegeversicherung zuletzt im Juli 2023 erneut gestiegen ist. Die schnelle Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen sowie die Einführung einer Lohnersatzleistung im Falle pflegebedingter Auszeiten sind hier nur zwei Beispiele.

Ökonomische Analyse

Autor/-in: Dr. Pascal Krimmer

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