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Löhne bei der Caritas steigen im März 2024 zweistellig – Aktuelle Kennzahlen zur gesamtwirtschaftlichen Lohnentwicklung

Hohe Inflation und hohe Tarifabschlüsse prägten das tarifpolitische Geschehen im Jahr 2023. Für die anstehenden Tarifrunden sind angesichts der veränderten Rahmenbedingungen mit schlechten Konjunkturaussichten und einer sich unter drei Prozent einpendelnden Inflationsrate wieder niedrigere Abschlüsse erforderlich.

Laut des tarifpolitischen Berichts „Konflikte ohne Partnerschaft?“ des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) war 2023 aus tarifpolitischer Sicht eines der konfliktreichsten Jahre. Der Ausgleich der hohen Inflationsraten war das zentrale Thema in den Tarifverhandlungen im vergangenen Jahr. Die Inflationsausgleichsprämie war ein bewährtes Instrument, das von den meisten Branchen in Anspruch genommen wurde und Ende des Jahres 2024 ausläuft. Im Bereich der Sozialwirtschaft war die Caritas an dieser Stelle Vorreiter mit einem Beschluss der Inflationsausgleichsprämie noch im Dezember 2022. Für die anstehenden Tarifverhandlungen sehen die Rahmenbedingung ganz anders aus: Die Inflationsrate ist rückläufig und liegt derzeit bei 2,4 Prozent (Februar 2024). Gleichzeitig zeigen sich die ersten Auswirkungen der kräftigen Lohnsteigerungen der letzten Jahre: sowohl Nominal- als auch Reallöhne steigen. Trotzdem sind die Forderungen der Gewerkschaften in aktuellen Tarifrunden noch immer hoch und die Tarifverhandlungen werden wie beispielsweise bei der Bahn mit harten Bandagen geführt. Im Folgenden werden verschiedene aktuelle Kennzahlen zur Lohnentwicklung für die Gesamtwirtschaft und den Bereich der Caritas betrachtet. In einem kurzen Exkurs erfolgt eine erste Einordnung einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) „Vor dem Kollaps? Beschäftigung im sozialen Sektor".

Tarifabschlüsse und Streikintensität 2023

Im tarifpolitischen Halbjahresbericht untersucht das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) zweimal jährlich die Tarifpolitik und das Konfliktverhalten in zwanzig ausgewählten Branchen. Im Jahr 2023 fanden in diesen zwanzig näher untersuchten Branchen 23 Tarifverhandlungen statt. Die maximale Eskalationsstufe lag auf einer Skala von 0 bis 7 bei einem Wert von 3,0; das ist der höchste Wert, der seit 2010 gemessen wurde. Die Konfliktintensität, die die im Laufe einer Tarifauseinandersetzung erreichten Eskalationsstufen summiert, erreichte auch einen Höchstwert von 15,0. Dieser Wert lag 2022 noch bei 5,5; das Jahr 2023 war also dreimal so konfliktreich.

Eine aktualisierte Übersicht zu den Tarifabschlüssen 2022 / 2023 finden Sie hier.

Tarifverdienste und Inflationsausgleichsprämie

Das Statistische Bundesamt veröffentlichte im März 2024 die neuesten Zahlen zu den Tarifverdiensten. Demnach sind die Tarifverdienste 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 2,4 Prozent ohne Sonderzahlungen und um 3,7 Prozent mit Sonderzahlungen gestiegen. Der deutliche Unterschied durch die Sonderzahlungen ist auf die Inflationsausgleichprämie 2023 zurückzuführen. Aktuellen Zahlen zufolge haben mehr als drei Viertel (77,9 Prozent) der Tarifbeschäftigten bereits eine Inflationsausgleichsprämie erhalten oder werden diese im Laufe des Jahres 2024 erhalten. Gemäß der Statistik der Tarifverdienste liegt der durchschnittliche Auszahlungsbetrag pro Person bei 2.761 Euro.

Die Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie variiert dabei in der durchschnittlichen Höhe als auch im Anteil der Tarifbeschäftigten. Die niedrigsten Prämien werden im Baugewerbe mit durchschnittlich 1.104 Euro ausgezahlt; anteilig profitierten 86 Prozent der Beschäftigten von einer Prämie. Die höchsten Beträge wurde unter anderem in den Wirtschaftsabschnitten Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung (2.999 Euro) sowie Erziehung und Unterricht (3.000 Euro) verzeichnet. Dieser mit Blick auf die Steuer- und Sozialabgabenfreiheit maximal mögliche Betrag wird auch im Bereich der Caritas ausgezahlt. Anteilig hatten hier 92,1 Prozent (Wirtschaftsabschnitten Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung) bzw. 90,4 Prozent (Erziehung und Unterricht) einen Anspruch auf die Inflationsausgleichsprämie. (Vgl. PM Nr. 080 vom 1. März 2024 und PM Nr. 100 vom 14. März 2024)

Nominal- und Reallohnentwicklung

Der Effekt der Inflationsausgleichsprämie schlug sich auch in der Nominallohnentwicklung nieder. Der Nominallohnindex bildet die Entwicklung der Bruttomonatsverdienste von Beschäftigten einschließlich Sonderzahlung ab. Dieser ist in 2023 um 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, so stark wie seit 2008 nicht mehr. Diese kräftigen Steigerungen sind vor allem durch die Zahlungen der Inflationsausgleichsprämie und der Mindestlohnanhebung auf 12 Euro pro Stunde im Oktober 2022 zurückzuführen. Daher profitierten vor allem die unteren Lohngruppen von überproportionalen Lohnsteigerungen. Unter den Vollzeitbeschäftigten wies das Fünftel mit den geringsten Verdiensten (1. Quintil) mit einem durchschnittlichen Nominallohnwachstum von 11,4 Prozent die stärksten Verdienststeigerungen im Jahr 2023 auf. Das 5. Quintil – die 20 Prozent mit den höchsten Nominallöhnen unter den Vollzeitbeschäftigten – wies ein Wachstum von 4,6 Prozent im Jahr 2023 unter dem Durchschnitt von 6 Prozent auf.

Die Verbraucherpreise stiegen 2023 im Durchschnitt um 5,9 Prozent. Der Reallohn ist im Jahr 2023 um 0,1 Prozent gegenüber 2022 gestiegen. Erstmals seit 2019 ist die Entwicklung wieder leicht positiv. Im Jahr 2020 führte der vermehrte Einsatz von Kurzarbeit zu einer negativen Nominal- und Reallohnentwicklung; in den Jahren 2012 und 2022 zehrte die hohe Inflation den Nominallohnanstieg auf.

Auch die Quartalsdaten für das Jahr 2023 zeigen eine eindeutige Tendenz auf. Seit Jahresbeginn war ein deutlicher Nominallohnzuwachs festzustellen. Im 4. Quartal erreichter dieser einen Wert von 5,4 Prozent. Laut Statistischem Bundesamt hat es seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2008 keine vier Quartale in Folge mit einem so deutlichen Nominallohnanstieg gegeben. In Kombination mit der geringeren Inflation (3,5 Prozent) führte dies zu einer Reallohnsteigerung im 4. Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 1,8 Prozent. Auch im Reallohnindex ist damit seit dem 2. Quartal 2023 ein kontinuierlicher Anstieg zu verzeichnen. (Vgl. PM Nr. 076 vom 29.02.2024)

Der Mindestlohn ist zum 1. Januar 2024 auf 12,82 Euro pro Stunde angehoben worden; auch erwarten viele Beschäftigte dieses Jahr die zweite Tranche der Inflationsausgleichsprämie und weitere Lohnsteigerungen aus den vergangenen Tarifbeschlüssen. Die Inflationsrate ist rückläufig – alles deutet auf weitere Reallohnsteigerungen hin.

Lohnentwicklung im Bereich der Caritas

Die Caritas hatte schon im Dezember 2022 als erster Wohlfahrtsverband in Deutschland entschieden, ihren über 650.000 Mitarbeitenden eine Inflationsausgleichsprämie zu zahlen. Unter Ausschöpfung der gesetzlichen Regelung der Steuer- und Abgabenfreiheit erhalten Vollzeitbeschäftigte aus allen Bereichen eine Auszahlung in Höhe von insgesamt 3.000 Euro in den Jahren 2023 und 2024. Inzwischen sind die meisten Akteure in der Sozialwirtschaft – nicht zuletzt auch die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes – diesem Beispiel gefolgt.

Zusätzlich zur Inflationsausgleichprämie wurden in der Tarifrunde 2023 Vergütungssteigerungen im zweistelligen Bereich für den Bereich der Caritas vereinbart, die nun zum 1. März 2024 umgesetzt wurden. Konkret wurden die Gehälter im März zunächst pauschal um 200 Euro erhöht und dann noch um 5,5 Prozent gesteigert. Insgesamt können sich die Beschäftigten der Caritas diesen Monat also über dauerhafte Lohnsteigerungen zwischen rund acht und knapp 17 Prozent – zusätzlich zur Inflationsausgleichsprämie – freuen. Wie aus Abbildung 1 hervor geht, dürfte die Tarifentwicklung im Bereich der Caritas damit ab 2024 wieder deutlich über der Entwicklung des Tarifindexes ohne Sonderzahlungen und des Verbraucherpreisindex („Inflationsrate“) liegen. Erste Prognosen der Forschungsinstitute gehen für 2024 mehrheitlich von einer Inflationsrate unter 3 Prozent aus (Übersicht der Prognosen bei Tagesschau.de vom 05.03.2024).

Einen Einblick in die Höhe der Vergütung von typischen Berufen im Bereich der Caritas geben die aktuellen Faktenblätter Vergütung, die bereits in der Version 2024 verfügbar sind. Die dort ausgewiesenen Vergütungen können sich auch im Vergleich zu anderen Branchen sehen lassen, wie eine früher veröffentlichte Auswertung der Zahlen aus der aktuellen Entgeltstatistik (Stand 31.12.2022) der Bundesagentur für Arbeit zeigt.

Exkurs: Aktuelle Studie „Vor dem Kollaps? Beschäftigung im sozialen Sektor“ – eine Einordnung

Die in einer Pressemitteilung auf Tagesschau.de vom 18.03.2024 gewählte Überschrift „Soziale Berufe werden deutlich schlechter bezahlt“ ist von daher sehr pauschal gewählt und wird weder der Realität noch der Pressemitteilung zugrunde liegenden Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) „Vor dem Kollaps? Beschäftigung im sozialen Sektor“ gerecht. Die darin als „Care Pay Gap“ bezeichnete Lohnlücke zwischen sozialem Sektor und anderen Branchen ist nämlich nur ein Aspekt in der ausführlichen Untersuchung der Situation in der Daseinsvorsorge in Deutschland. Die Studie endet mit einem 17-Punkte-Plan zur Verhinderung des Kollapses im Sozialen Sektor. Der Plan benennt sowohl Maßnahmen auf betrieblicher Ebene wie beispielsweise die Empfehlung, kreative Lösungen zur Gestaltung der Arbeitszeit zu finden und dadurch die Flexibilität und die Gesundheit der Beschäftigten zu fördern. Zum anderen richten sich elf Punkte an die Politik und fordern diese auf, unumgängliche Maßnahmen anzugehen, auch wenn diese unbequem sind. Der Katalog umfasst neben der fundierten Analyse und transparenten Darstellung des Mangels an Versorgungsangeboten auch Aufforderungen zur Verbesserung der finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen des sozialen Sektors. 

Ausblick

Die Löhne sind zuletzt kräftig gestiegen, die Inflation pendelt sich auf niedrigem Niveau ein und die Konjunkturaussichten sind aktuell schlecht. Für die anstehenden Tarifrunden sind daher verantwortungsvolle Tarifabschlüsse mit maßvollen Steigerungen das Gebot der Stunde. Dabei müssen insbesondere auch die Fach- und Leitungskräfte stärker in den Blick genommen werden. Auch Forderungen nach einer allgemeinen Verkürzung der Arbeitszeit sind u.a. angesichts des Arbeitskräftemangels als realitätsfern abzulehnen. Vielmehr muss es darum gehen, Raum für kreative und bedarfsgerechte Arbeitszeitmodelle zu schaffen. Die Rhetorik der Gewerkschaften, die weiterhin von erheblichem Nachholbedarf zum Ausgleich von Reallohnverlusten aus 2021 und 2022 ausgehen, lässt hingegen erneut hohe Forderungen befürchten. Es wird also spannend sein, wie sich die anstehenden Tarifrunden entwickeln werden. Im Bereich der Caritas steht – außer für die Ärztinnen und Ärzte – erst 2025 die nächste Tarifrunde an.

Ökonomische Analyse

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