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Ein Tarif ist wie ein Uhrwerk

Eine kritische Betrachtung des Jahrbuchs der Zeitschrift „Wohlfahrt Intern“.

Wohlfahrt Intern vergleicht jährlich die Vergütungsgruppen aller Wohlfahrtsverbände. In der aktuellen Ausgabe ihres Jahrbuchs hat die Zeitschrift viele Tarifdaten miteinander ins Verhältnis gesetzt und zahlreiche Annahmen getroffen. Dabei besteht die Gefahr, dass die vielen Parameter und Kategorien zu sehr vermischt werden. Das Ergebnis ist Stückwerk.

Kritische Hinterfragung

Beim Blick auf den Vergleich der Wohlfahrt Intern sind insbesondere folgende Annahmen kritisch zu hinterfragen:

  1. Der von Wohlfahrt Intern gewählte Stichtag 1. Januar 2024 ist willkürlich gewählt. Tariferhöhungen, die zu diesem Zeitpunkt zwar bereits beschlossen, aber noch nicht in Kraft waren, fallen aus dem Vergleich heraus. In der Folge wurden die in 2023 festgesetzten Tabellenerhöhungen der Caritas, die erst ab 1. März 2024 gelten, von Wohlfahrt Intern nicht berücksichtigt. Wären diese zweistelligen Tariferhöhungen (durchschnittlich 11,5 Prozent) bedacht worden, hätte sich ein völlig anderes Bild ergeben. Dieser Aspekt ist in diesem Jahr besonders relevant, da im Bereich der Caritas – wie auch in anderen Tarifbereichen – im Jahr 2023 keine Tariferhöhung stattgefunden hat.
  2. Der Redaktionsschluss für das Jahrbuch war der 23. Oktober 2023. Das heißt: Beschlüsse, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht veröffentlicht waren, wurden ebenfalls nicht beachtet.
  3. Generell berücksichtigt Wohlfahrt Intern bei der Berechnung keine einmaligen Zahlungen wie beispielsweise die Inflationsausgleichsprämie. Mit Blick auf die Jahre 2023 und 2024 jedoch, in denen Tarifsteigerungen in vielen Tarifwerken ausschließlich durch solche Prämien realisiert wurden, wäre dieser Tarifbestandsteil zumindest erwähnenswert.
  4. In vielen der betrachteten Berufe machen Zulagen für Schichtarbeit, Zeitzuschläge für die Arbeit zu ungünstigen Zeiten oder Vergütungen von Bereitschaftsdiensten oft einen erheblichen Teil des monatlichen Einkommens aus. Eine entsprechende Einordnung dieser wichtigen Vergütungskomponenten fehlt komplett.
  5. Und nicht zuletzt kommt es zu beachtenswerten Rechenfehlern. Nur ein Beispiel: Für Erzieherinnen und Erzieher in der (praxisintergrierten) Ausbildung wurde eine zu niedrige Ausbildungsvergütung nach Abschnitt D der Anlage 7 AVR (Gesundheitsberufe) zugrunde gelegt. Korrekt ist: Abschnitt A der Anlage 7 AVR.

Ein Rädchen greift ins nächste

Ein Tarifwerk ist sehr komplex. Deshalb sollten und können die AVR Caritas nicht punktuell mit den AVR der Diakonie oder Tarifwerken anderer Verbände verglichen werden – und das nicht nur wegen unterschiedlicher Laufzeiten oder Einmalzahlungen. Ein Tarifwerk ist wie ein Uhrwerk: meist schon sehr alt und sorgfältig zusammengesetzt. Ein Zahnrad greift ins andere. Es mag vor allem für Außenstehende unübersichtlich wirken, aber alle Zahnräder zusammen ergeben die Funktionstüchtigkeit, und nicht alle Strukturen des einen Werks sind mit denen eines anderen Werks vergleichbar. Was zählt, ist das Gesamtwerk, das zu seiner Zeit und in seinem Verbund funktioniert. Die Betrachtung von Einzelteilen, die mit anderen Einzelteilen anderer Tarifwerke verglichen werden, wie es im Jahrbuch von Wohlfahrt Intern geschieht, führt zu keinem belastbaren Ergebnis.

Wer legt hier die Kriterien fest?

Die Kategorien dieses Verbandsrankings sind nicht nachvollziehbar. Fest steht jedoch, dass die Arbeitsvertragsrichtlinien der Caritas dem Tarif der Rankingsiegerin Diakonie Deutschland in der Gesamtbetrachtung in nichts nachstehen. Wichtiger als das Erstellen eines solchen Verbandsrankings das auf kritikwürdigen Annahmen aufbaut ist allerdings, den Fokus auf das Wesentliche zu richten: In Deutschland kann jeder Wohlfahrtsverband seine eigenen Tarifverhandlungen führen. Diese Freiheit ermöglicht es den Arbeitgebern, sich voneinander abzugrenzen, und sorgt für einen gesunden Wettbewerb in der Sozialwirtschaft, der das notwendige ökonomische Gleichgewicht gewährleistet. Dabei wurde den letzten Jahren ein im Branchenvergleich beachtliches Vergütungsniveau erreicht. Dies zeigen die überdurchschnittlichen Steigerungsraten beispielsweise in den Pflegeberufen, die in der Entgeltstatistik der Bundesagentur für Arbeit jährlich auf Basis der Medianentgelte sozialversicherungspflichtig Beschäftigter veröffentlicht werden.

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