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BAG: Keine Anwendbarkeit der Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung

Es besteht kein Vertrauen auf eine noch vorzunehmende rechtliche Bewertung im Rahmen der Eingruppierung, insbesondere dann nicht, wenn die bisherige Bewertung für fehlerhaft gehalten wurde.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Klägerin für den Zeitraum vom 15. September 2017 bis zum 20. September 2022. Die Klägerin begehrt eine rückwirkende Höhergruppierung von EG 10 auf EG 11 TVöD/VKA. Die Klägerin war in diesem Zeitraum als Sachgebietsleiterin bei der Beklagten beschäftigt, wobei ihr sieben Beschäftigte unterstellt waren, bezüglich derer ihr die Dienst- und Fachaufsicht sowie Weisungsbefugnis zukam. Sie nahm Leitungsaufgaben sowie auch Grundsatz- und Sonderaufgaben wahr. Aufgrund dessen und der Arbeitsplatzbeschreibung ist die Klägerin der Auffassung, dass im streitgegenständlichen Zeitraum ihre Tätigkeit durch „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ aus der EG 9c TVöD/VKA herausgehoben und sie damit in EG 11 einzugruppieren gewesen sei. Weiter habe ihre Tätigkeit aus einem einheitlichen Arbeitsvorgang bestanden, bei dem im rechtserheblichen Ausmaß Tätigkeiten von „besonderer Schwierigkeit und Bedeutung“ angefallen seien. Deswegen habe sie aufgrund ihrer Eingruppierung darauf vertraut, dass sie jedenfalls zu einem Drittel der Gesamtarbeitszeit Arbeitsvorgänge mit solchen Tätigkeiten verrichte. Deswegen würde die Beklagte nach den Grundsätzen der korrigierenden Rückgruppierung die Darlegungs- und Beweislast tragen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das Landesarbeitsgericht die Berufung hiergegen zurückgewiesen.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat die Revision zurückgewiesen.

Die Klage sei nur teilweise zulässig – nämlich für den Teilzeitraum vom 1. September 2020 bis zum 20. September 2022, für den Zeitraum vom 15. September 2017 bis zum 31.08.2020 hatte die Klägerin ihre etwaigen Ansprüche unstreitig nicht innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist nach § 37 TVöD/VKA geltend gemacht.

Zudem sei die Klage unbegründet – der Klägerin stand in dem streitgegenständlichen Zeitraum kein Anspruch auf Eingruppierung und Vergütung nach der EG 11 TVöD/VKA zu. Die Eingruppierung richte sich nach § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 TVöD/VKA, wonach die Beschäftigte in die Entgeltgruppe einzugruppieren ist, deren Tätigkeitsmerkmale der gesamten von ihr nicht nur vorübergehend auszuübenden Tätigkeiten entsprechen. Dafür müssen nach ständiger Rechtsprechung zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale der entsprechenden Entgeltgruppe erfüllen. Damit sei Anknüpfungspunkt der Eingruppierung der Arbeitsvorgang. Dieser sei ein feststehender, abstrakter, von den Tarifvertragsparteien vorgegebener Rechtsbegriff, dessen Anwendung durch die Tatsachengerichte in der Revision vollumfänglich nachprüfbar ist.

Maßgeblich für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs sei das Arbeitsergebnis. Ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, ergebe sich aus der natürlichen Betrachtungsweise und der durch die Arbeitgeberin vorgenommenen Arbeitsorganisation. Eine Zusammenfassung von Einzeltätigkeiten sei dann nicht möglich, wenn die Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch getrennt sind. Die theoretische Möglichkeit, dass einzelne Arbeitsschritte bzw. Einzelaufgaben isoliert auf verschiedene Beschäftigte übertragen werden können, sei für die Frage, ob Einzeltätigkeiten nicht zusammengefasst werden können oder nicht, kein ausreichendes Argument. Einem Arbeitsvorgang könnten auch Zusammenhangsarbeiten zugeordnet werden. Zusammenhangsarbeiten sind solche, die aufgrund tarifwidriger Zerteilung von Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen. Bei der Tätigkeit der Klägerin handle es sich danach um einen einheitlichen Arbeitsvorgang.

Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass dieser einheitliche Arbeitsvorgang den tariflichen Anforderungen der EG 11 TVöD/VKA entsprechen würde, obwohl ihr die Darlegungs- und Beweislast für diese anspruchsbegründenden Tatsachen dem Grundsatz nach oblegen hätte. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei hier nicht zu machen. Denn die Beklagte habe keine korrigierende Rückgruppierung vorgenommen, die zur Umsetzung eines „begrenzten Vertrauensschutzes“ der Klägerin zu einer Änderung der Darlegungs- und Beweislast geführt hätte. Eine korrigierende Rückgruppierung hätte nur vorgelegen, wenn die Beklagte beabsichtigt hätte, die Klägerin in eine niedrigere Entgeltgruppe als bisher einzugruppieren, was hier nicht der Fall war.

Auch sei die zur korrigierenden Rückgruppierung entwickelte Rechtsprechung hier nicht entsprechend anzuwenden. Denn dies würde voraussetzen, dass sich aus der durch die Arbeitgeberin zunächst angenommenen Entgeltgruppe oder dem mitgeteilten Tätigkeitsmerkmal zwingend die tarifliche Voraussetzung der durch die Klägerin begehrten Entgeltgruppe ergibt, was hier gerade nicht der Fall war. Denn hier ist die Beklagte davon ausgegangen, dass mehrere Arbeitsvorgänge vorlagen, die die tarifliche Anforderung der „besonderen Schwierigkeit und Bedeutung“ ihrem zeitlichen Anteil von mehr als einem Drittel aber weniger als die Hälfte betrugen.  Zu dem für die begehrte Entgeltgruppe erforderlichen Zeitanteil von 50 Prozent käme es nur, wenn entweder die Arbeitsvorgänge durch die Beklagte fehlerhaft bestimmt wurden oder mindestens ein weiterer Arbeitsvorgang das Tarifmerkmal der „besonderen Schwierigkeit und Bedeutung“ erfüllt und diesbezüglich die Bewertung der Beklagten fehlerhaft war. Die Klägerin könne weder auf das Ergebnis der dann erforderlichen Neubestimmung der Arbeitsvorgänge noch auf die Prüfung, ob das Heraushebungsmerkmal vorliegt, vertrauen. Für ein solches schutzwürdiges Vertrauen fehle es bereits am Anknüpfungspunkt, gerade auch weil die Klägerin in Zweifel gezogen hat, dass die Beklagte die ursprüngliche Bewertung mit der erforderlichen Sorgfalt und Kompetenz vorgenommen hat.

Bewertung

Die Ausführungen und Wertungen dieser Entscheidungen sind auf die AVR übertragbar. In den AVR findet sich zu der Eingruppierungsvorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 des TVöD/VKA in Abschnitt I Absatz a und b Anlage 1 eine Parallelvorschrift. Auch bestehen bei den Vergütungsgruppen der AVR ähnliche Aufbaustrukturen mit „Heraushebungsmerkmalen“, exemplarisch dafür ist die Aufbaukette, auf der Vergütungsgruppe 3 Ziffer 12 der Anlage 2 beruht. Die „Normaltätigkeit“ findet sich hier in Vergütungsgruppe 5b Ziffer 56: „Mitarbeiter in der Verwaltung und Buchhaltung, deren Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbstständige Leistung erfordert“. Davon herausgehoben sind Mitarbeiter nach Vergütungsgruppe 4b Ziffer 33, „deren Tätigkeit sich […] dadurch heraushebt, dass sie besonders verantwortungsvoll ist“. Darauf baut sodann die Vergütungsgruppe 4a Ziffer 25 auf, Heraushebungsmerkmal ist die „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ zu Vergütungsgruppe 4b Ziffer 33. Mitarbeiter in Vergütungsgruppe 3 Ziffer 12 müssen zu Vergütungsgruppe 4a Ziffer 25 „durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung erheblich [herausgehoben]“ sein.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts finden Sie hier.

Zur Darlegungs- und Beweislast befasst sich das Urteil des BAG vom 27.04.2022 Az. 4 AZR 463/21, Infos dazu finden Sie hier.

Rechtsprechung

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