Kommentierung – Beschlüsse der BK 3/2023 vom 19. Oktober 2023
1. Einleitung
Am 19. Oktober 2023 hat die Bundeskommission Beschlüsse zu den Themen Tarifrunde Teil III, Tarifpflege, Stufenlaufzeiten und Schlichtungsverfahren gefasst.
2. Beschluss Tarifrunde Teil III
Der Beschluss zur Tarifrunde Teil III enthält Regelungselemente zu ganz unterschiedlichen Themen – namentlich die Erhöhung der Zulage für Betreuungskräfte und des Urlaubsgelds für Auszubildende, die Klarstellung über die Erhöhung des Wertguthabens für Mitarbeitende der Anlage 30 AVR in Altersteilzeit, die Stufenvorweggewährung für Beschäftigte der Anlagen 2 und 31 bis 33 AVR sowie die Öffnung für Dienstvereinbarungen (z.B. für Springerdienste).
2.1. Weitere Erhöhungen
Zum 1. März 2024 werden sowohl die Zulage in der Anlage 2 AVR Anmerkung 150 als auch das Urlaubsgeld für Auszubildende nach § 7 Abs. 1 c der Anlage 14 AVR um 11,5 Prozent erhöht.
Die Zulage in Anmerkung 150 der Anlage 2 AVR betrifft insbesondere die Vergütungsgruppe 10 Ziff. 18 und 19 – und damit in erster Linie die Betreuungskräfte. Die Erhöhung um 11,5 Prozent bedeutet eine Erhöhung der Zulage (derzeit 120,00 Euro) um 13,80 Euro auf 133,80 Euro. Die Kostensteigerung liegt dabei bei 176,30 Euro pro Jahr (13,80 x 12,7751) und Betreuungskraft, was einem Arbeitgeberbrutto von etwa 220,00 Euro pro Jahr entspricht.
Bei der Erhöhung des Azubi-Urlaubsgeldes handelt es sich um die erste Erhöhung seit dem Jahr 2011. Sie betrifft ausschließlich die Auszubildenden, die nach § 7 Abs. 1c Anlage 14 AVR Anspruch auf Urlaubsgeld haben – also Auszubildende in den Berufen der Anlage 2 AVR. Die Erhöhung um 11,5 Prozent entspricht hier einer Erhöhung um 30,08 Euro auf 291,65 Euro. Die Erhöhung berechnet sich wie folgt: 261,57 Euro x 1,115 = 291,65 Euro. Die Kostensteigerung liegt damit pro Azubi bei etwa 37,60 Euro Arbeitgeberbrutto.
2.2. Stufenvorweggewährung
Die Möglichkeiten der Stufenvorweggewährung bei Neueinstellung oder im laufenden Dienstverhältnis für Mitarbeitende der Anlagen 2 sowie 31 bis 33 AVR wurden durch den Beschluss zur Tarifrunde Teil III erheblich erweitert. Da in den betroffenen Anlagen teilweise bereits Regelungen zur Vorweggewährung von Stufen enthalten sind, wurden entweder neue Regelungen geschaffen oder die bereits vorhandenen um die neuen Regelungsinhalte ergänzt. Im Übrigen bleiben die bereits vorhandenen Regelungen zur Stufenvorweggewährung in den Anlagen 31 und 32 AVR (jeweils § 13 Abs. 2) und in Anlage 33 AVR (§ 11 Abs. 2) unverändert.
Die Möglichkeit der Stufenvorweggewährung ist ein Instrument, mit dem Dienstgeber flexibel auf Entwicklungen reagieren können, sofern sie die Notwendigkeit dafür sehen und die jeweiligen Voraussetzungen vorliegen.
2.2.1. Stufenvorweggewährung bei Neueinstellungen
Die bezüglich der Stufenvorweggewährung bei Neueinstellungen bereits bestehenden Regelungen in den Anlage 31 bis 33 AVR bleiben unverändert und werden dem Wesen nach auf die Anlage 2 AVR übertragen.
Es existieren somit die folgenden höheren Stufenzuordnungen bei Neueinstellungen in den verschiedenen Anlagen:
- In Anlage 2 AVR erfolgt bei mindestens zwei Jahren einschlägiger Berufserfahrung die Zuordnung in Stufe 2, bei mindestens vier Jahren einschlägiger Berufserfahrung die Zuordnung in Stufe 3.
- In den Anlagen 31 und 32 AVR erfolgt weiterhin bei mindestens einem Jahr einschlägiger Berufserfahrung die Zuordnung in Stufe 2, bei mindestens drei Jahren einschlägiger Berufserfahrung die Zuordnung in Stufe 3.
- In Anlage 33 AVR erfolgt weiterhin die Zuordnung in Stufe 2 ebenfalls bei mindestens einem Jahr einschlägiger Berufserfahrung, die Zuordnung in Stufe 3 bei mindestens vier Jahren einschlägiger Berufserfahrung.
Zudem gilt in allen genannten Anlagen nun gleichermaßen, dass der Dienstgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs sämtliche Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit bei der Stufenzuordnung berücksichtigen kann, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit „förderlich“ ist. Die förderliche Tätigkeit ist dabei erheblich weiter zu verstehen als die einschlägige Tätigkeit und eröffnet Dienstgebern einen recht weiten Argumentationsspielraum. Die MAV ist wie gewohnt zu beteiligen.
2.2.2. Stufenvorweggewährung im laufenden Dienstverhältnis
Für Stufenvorweggewährungen im laufenden Dienstverhältnis wurde eine einheitliche Regelung für alle Mitarbeitenden der Anlagen 2 sowie 31 bis 33 AVR geschaffen. Nach dieser können Dienstgeber Gruppen von Mitarbeitenden oder einzelnen Mitarbeitenden zur regionalen Differenzierung, zur Deckung des Personalbedarfs oder zur Bindung von qualifizierten Fachkräften ein um bis zu zwei (Anlagen 31 und 33 AVR) bzw. bis zu drei (Anlage 1 AVR) Stufen höheres Entgelt vorweggewähren. Die unterschiedlichen Höchstangaben wurden gewählt, um bei unterschiedlichen Stufenlaufzeiten insgesamt einen vergleichbaren Zeitraum abzudecken. Dieser Zeitraum liegt für Mitarbeitende der Anlage 2 AVR bei sechs Jahren, für Mitarbeitende der Anlagen 31 und 32 AVR bei zwischen fünf und sieben Jahren und bei Mitarbeitenden der Anlage 33 AVR bei zwischen sieben und acht Jahren.
Im Falle von Mitarbeitenden, die bereits die vorletzte oder letzte Stufe ihrer Entgeltgruppe erreicht haben, kann der Dienstgeber eine Entgelterhöhung von bis zu 20 v.H. der zweiten Stufe der jeweiligen Entgeltgruppe gewähren.
Gruppen von Mitarbeitenden können z.B. Fachbereiche und Fachabteilungen sein. Auch nach dieser Änderung bleibt es jedoch bei dem Grundsatz, dass die Stufenzuordnung der Mitarbeitenden durch dieses erhöhte Entgelt nicht berührt wird. Daher ist beispielsweise im Falle einer Höhergruppierung über die Gewährung des um bis zu zwei Stufen höheren Entgelts neu zu entscheiden.
Durch Beschluss der BK 4/2023 vom 8. Dezember 2023 wurde die Gültigkeit dieser neuen Regelung für die Beschäftigten in Anlage 2e AVR klargestellt. Dafür wurde eine bestehende Anmerkung zur Stufenvorweggewährung in den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppen 4b bis 8 des Abschnitts IV Unterbuchstabe B ergänzt.
Die Vorweggewährung kann grundsätzlich zeitlich befristet erfolgen und ist jederzeit widerruflich. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BAG (sie u.a. BAG, Urteil vom 7. Juli 2011, Az. 6 AZR 151/10; BAG, Urteil vom 13. April 2011, Az. 9 AZR 113/09) ein Widerrufsvorbehalt für den Mitarbeiter nur zumutbar ist, wenn der Widerruf nicht grundlos erfolgen soll, sondern z.B. wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig ist. Auch muss sich aus der Regelung selbst ergeben, dass der Widerruf nicht ohne Grund erfolgen darf. Die Voraussetzungen eines Widerrufs müssen möglichst konkretisiert werden. Dies bedeutet für die Praxis, dass bei Gewährung einer "widerruflichen" Zulage zur regionalen Differenzierung die Gründe für einen möglichen Widerruf aus Transparenzgründen in der Vereinbarung selbst genannt sein müssen.
Der Dienstgeber kann zudem bestimmen, ob und wie die Zulage im Falle eines Stufenaufstiegs des Mitarbeiters abgeschmolzen wird oder nicht und was bei einer Höher- oder Herabgruppierung geschieht (siehe BAG, Urteil vom 15. Juli 2021, Az. 6 AZR 561/10).
3. Erweiterung der beispielhaften Aufzählung in Entgeltgruppe P 8 der Anlage 31 AVR (schwierige Tätigkeiten)
Die Anmerkung Nr. 4 Buchst. b zu den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppen P 4 bis P 9 und 9b bis 12 in Anhang D der Anlage 31 AVR wird um die Wahrnehmung einer der folgenden besonderen pflegerischen Aufgaben außerhalb von Spezialbereichen nach Buchstabe a auf die Tätigkeit auf einer Stroke-Unit-Station, auf einer Intermediate-Care-Station und bei den Begleitenden Psychiatrischen Diensten (BPD) erweitert. Dadurch sind in Zukunft auch Pflegefachkräfte, die überwiegend auf einer Stroke-Unit, einer Intermediate-Care-Station oder im BPD eingesetzt werden, in die Entgeltgruppe P 8 einzugruppieren. Damit sind in Buchstabe b nun folgende besonderen pflegerischen Aufgaben außerhalb von Spezialbereichen geregelt:
- Wundmanager
- Gefäßassistent
- Breast Nurse/Lactation
- Painnurse
- auf einer Stroke-Unit-Station
- auf einer Intermediate-Care-Station
- bei den Begleitenden Psychiatrischen Diensten (BPD)
4. Mitnahme der Stufenlaufzeit bei Anschlussdienstverhältnis
Nach dem Beschluss der Bundeskommission erfolgt eine Mitnahme der bereits absolvierten Stufenlaufzeit für alle Beschäftigten der Anlagen 2 sowie 31 bis 33 AVR bei einem unmittelbaren Wechsel des Dienstverhältnisses innerhalb der AVR oder im Tätigkeitsbereich der Katholischen Kirche. Die Änderungen erfolgen in § 3 Abschnitt III A der Anlage 1 AVR sowie in § 13 der Anlagen 31 und 32 AVR sowie § 11 der Anlage 33 AVR. Sie treten zum 1. Oktober 2023 in Kraft.
Nach den bisherigen Regelungen in den AVR haben Mitarbeitende, die im Tätigkeitsbereich der Katholischen Kirche oder im Geltungsbereich der AVR-Caritas im unmittelbaren Anschluss vor der Einstellung tätig waren, einen Anspruch auf Berücksichtigung ihrer vorhergehenden ununterbrochenen Tätigkeit im kirchlichen Dienst bei der Stufenzuordnung. Für den Geltungsbereich der Anlagen 31 bis 33 AVR gilt das auch für Vortätigkeiten bei der Evangelischen Kirche und Diakonie. Mit den nun beschlossenen Änderungen wird die bisherige „Kann-Regelung“ hinsichtlich der Berücksichtigung bereits absolvierter Stufenlaufzeiten fest in den AVR verankert. Konkret bedeutet dies, dass nun auch die im vorhergehenden Dienstverhältnis erreichte Stufenlaufzeit im Anschlussdienstverhältnis fortzuführen ist.
5.1. Inhalt und Hintergrund der Regelung
In § 22 AT AVR wurde ein neuer Absatz 3a eingefügt:
1Die Schlichtungsstellen nach den Absätzen 1 bis 3 sind auch für die Entscheidungen bei Streitigkeiten über die ordnungsgemäße Einbeziehung der AVR nach Art. 9 Absatz 5 Satz 1 2. Alternative GrO zuständig. 2Die Mitgliedschaft in der Arbeitsrechtlichen Kommission kann keinen Ausschlussgrund für die Wahrnehmung einer Aufgabe in einer Schlichtungsstelle darstellen. 3Der Erlass oder die Änderung einer Schlichtungsordnung bedarf der Zustimmung der Bundeskommission mit der Mehrheit ihrer Mitglieder gemäß § 16 Absatz 2 Satz 1 AK-O.
Zudem wurde er durch eine drei Punkte umfassende Anmerkung ergänzt:
- Die Bundeskommission kann die Entscheidung nach Absatz 3a auf einen beschließen-den Ausschuss übertragen, der mit der Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses Be-schlüsse fasst.
- 1Absätze 1 bis 3 wirken für Meinungsverschiedenheiten zwischen Dienstgebern und Mitarbeitern, wenn die Zustimmung zu ab dem 1. Januar 2023 erlassenen oder geänderten Schlichtungsordnungen nach Absatz 3a Satz 3 erfolgt ist. 2Für bis zum 19. Oktober 2023 erlassene oder geänderte Schlichtungsordnungen finden diese bis zu einer Beschlussfassung über die Zustimmung nach Absatz 3a Satz 3 Anwendung.
- Das in Absatz 3a beschriebene Verfahren wird von der Bundeskommission bis spätestens zum 31. Oktober 2026 evaluiert.
Die Bundeskommission reagiert damit auf die vom VDD beschlossenen und an die Diözesen zur Umsetzung versandten Musterschlichtungsordnungen (hier zum Download angeboten), mit denen insbesondere auch Art. 9 Abs. 5 Grundordnung des kirchlichen Dienstes (GrO) Geltung verschafft werden soll. Es war aber umstritten, ob und welche Mitwirkungserfordernisse der KODAen und insbesondere wegen der vielfach durch die Diözesancaritasverbände beschlossenen und eingeführten Schlichtungsordnungen für die bei Ihnen angesiedelten Schlichtungsstellen der Arbeitsrechtlichen Kommission des DCV bestehen.
Hierzu schafft die Bundeskommission ausgehend von ihrem Verständnis der arbeitsrechtlichen Regelung des schon bisher bestehenden § 22 AT AVR Klarheit. Gleichzeitig wird die auch in den Musterschlichtungsordnungen des VDD benannte Zuständigkeit der Schlichtungsstellen für die durch Beschluss zu erfolgende Feststellung einer unzulässig abweichenden Einbeziehung der AVR in den Dienstverträgen festgestellt.
5.2. § 22 AT AVR beinhaltet dienstvertragliche Verpflichtung
Wesentlicher Kern der Regelung des § 22 AT AVR ist die dienstvertragliche Verpflichtung von Mitarbeitenden und Dienstgebern, bei Meinungsverschiedenheiten die zuständige Schlichtungs-stelle anzurufen. Dies gilt unbeschadet der nach § 22 Abs. 3 AT AVR weiter bestehenden Möglichkeit, fristwahrend vor den weltlichen Arbeitsgerichten zu klagen.
In den Absätzen 1 bis 3 werden dafür abhängig vom jeweiligen Dienstgeber die zuständigen Schlichtungsstellen aufgeführt. Soweit nicht Dienstverhältnisse mit den DiCVen und dem DCV bestehen, sind dies die (zum Teil gemeinsam mit den Diözesen errichteten) Schlichtungsstellen bei den Diözesancaritasverbänden (§ 22 Abs. 1 AT AVR). Ist ein Diözesancaritasverband beteiligt, ist die Zuständigkeit der beim DCV errichteten Zentralen Schlichtungsstelle gegeben (§ 22 Abs. 2 Satz 2 AT AVR), der auch von den diözesanen Schlichtungsstellen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgelegt werden können. Für Dienstverhältnisse der DCV-Mitarbeitenden wird unter Vermittlung des Erzbischofs von Freiburg eine besondere Schlichtungsstelle gebildet (§ 22 Abs. 3 AT AVR).
Bei der Anrufungspflicht handelt es sich um eine arbeitsrechtliche Verpflichtung der Dienstvertragsparteien, die auch der Gestaltung durch die Arbeitsrechtlichen Kommissionen unterliegt. Wie schon bisher ist aber auch nach dem Beschluss der Bundeskommission zwischen dieser arbeitsrechtlichen Verpflichtung der beiden Dienstvertragsparteien und dem dafür zur Verfügung gestellten Schlichtungsverfahren einschließlich der Aufstellung der Schlichtungsstellen selbst zu unterscheiden. Sie werden in § 22 AT AVR vorausgesetzt.
Die wesentliche Frage, die die Neuregelung klärt, bezieht sich damit auf die Fragestellungen, welchen Anforderungen eine Schlichtungsordnung genügen muss, um diese dienstvertragliche Verpflichtung zur Anrufung der aus ihr resultierenden Schlichtungsstelle zu erzeugen. Allein diese sind Inhalt der Aufgabenstellung der Arbeitsrechtlichen Kommission als Regelung von Rechtsnormen über Inhalt, Abschluss und Beendigung von Dienstverhältnissen im Sinne des § 1 Abs. 4 AK-Ordnung i.V.m. Art. 9 Abs. 1, 6 GrO.
Dieses Verständnis kommt in dem für die Regelung zentralen Satz 1 der Anmerkung Nr. 2 deutlich zum Ausdruck, die sich auf den gesamten § 22 AT AVR bezieht.
5.3. Diözesane Zuständigkeit zum Erlass von Schlichtungsordnungen und Errichtung von Schlichtungsstellen
Es verbleibt nach dem Beschluss der Bundeskommission bei den Zuständigkeiten zum Erlass einer Schlichtungsordnung und auf ihrer Grundlage der Errichtung von Schlichtungsstellen. An den grundsätzlichen diözesanen Zuständigkeiten hat auch die Einführung des Art. 9 Abs. 5 GrO nichts geändert, der vornehmlich das Instrument als Element der Dienstgemeinschaft beschreibt.
Mit Ausnahme der Zentralen Schlichtungsstelle, die beim DCV angesiedelt ist, besteht der Grundsatz, dass diözesane Schlichtungsstellen zuständig sind. Aus dem Blickwinkel insbesondere der Organisation und Kostentragung von Schlichtungsstellen ist dies auch aus dem Grundsatz der diözesanen Rechtssetzung zwangsläufig. Arbeitsrechtlich kann einem gegenüber dem Dienstverhältnis Dritten keine Organisations- und Kostenlast auferlegt werden. Insoweit wird auch bei Anwendung des Grundsatzes der möglichen Abwendung von Gerichtsverfahren der Cann. 1713 ff. CIC eine Verpflichtung zur Stellung von Schiedsrichtern (auf eigene Kosten) nicht erwartet werden können.
Dies gilt im Grundsatz auch für die Errichtung der Zentralen Schlichtungsstelle beim DCV sowie die besondere Schlichtungsstelle. Soweit der DCV selbst das Verfahren zur Verfügung stellt, wird es auch in § 22 AT AVR als zu nutzen festgelegt werden können. Hinsichtlich der besonderen Schlichtungsstelle ist die bischöfliche Beteiligung notwendig.
Die arbeitsrechtliche Verpflichtung insbesondere der Mitarbeiter, die eben nicht der unmittelbaren bischöflichen Gewalt unterliegen, zur Nutzung dieser Verfahren bestimmt dann aber die Arbeitsrechtliche Kommission, die dafür auch bestimmte Grundsätze als Voraussetzung benennen kann.
5.4.1. Entscheidungen über ordnungsgemäße Einbeziehung der AVR (§ 22 Abs. 3a Satz 1 AT AVR)
In Art. 9 Abs. 5 GrO ist – nicht zuletzt wegen der weltlich-rechtliche Abweichungen zulassenden Rechtsprechung des BAG – ein besonderes Schlichtungsverfahren angesprochen. Es soll gewährleistet werden, dass der Dienstgeber seiner Verpflichtung aus Art. 9 Abs. 4 Satz 3 GrO zur vollständigen und unveränderten Einbeziehung der für ihn nach Art 9. Abs. 4 Satz 2 GrO unmittelbar und zwingend geltenden Beschlüsse nachkommt – im Caritasbereich also der Einbeziehung der AVR. Dieses Verfahren vor den Schlichtungsstellen ist gegenüber den bisherigen auf gemeinsame Annahme ausgelegten Schlichtungsverfahren mit der Möglichkeit der nicht-konsensualen Beschlussfassung ausgestaltet und wird in den Musterschlichtungsordnungen des VDD beschrieben.
Durch den neuen § 22 Abs. 3a Satz 1 AT AVR wird diese Zuständigkeit auch noch einmal arbeitsrechtlich in den AVR verankert. Sie betrifft alle drei möglichen Zuständigkeiten von AVR-Schlichtungsstellen, die gegebenenfalls schon aus dem Zwecke der Regelung in der GrO entsprechend angepasst werden müssen, um das besondere Verfahren zur Verfügung zu stellen.
5.4.2. Beisitzerfähigkeit von AK-Mitgliedern
Um zu einer Verpflichtung der Dienstvertragsparteien zur Anrufung einer Schlichtungsstelle zu kommen, darf in der zur Anwendung kommenden Schlichtungsordnung kein Ausschluss von Mitgliedern der AK von einer Mitgliedschaft in der Schlichtungsstelle selbst (i.d.R. als „Beisitzer“ bezeichnet) erfolgen. Soweit dies in diözesanen Schlichtungsordnungen oder auch der Schlichtungsordnung des DCV bislang der Fall war, bedarf dies der Änderung, um die Anrufung zu diesen Schlichtungsstellen weiterhin als verpflichtend im Sinne der Absätze 1 bis 3 des § 22 AT AVR sehen zu können.
5.4.3. Zustimmung der Bundeskommission
Nach § 22 Abs. 3a Satz 3 AT AVR bedürfen die Schlichtungsordnungen der Zustimmung durch die Bundeskommission, die mit einfacher Mehrheit ihrer Mitglieder beschlossen wird.
Der Beschluss war durch die Aufforderung zur Umsetzung der Musterschlichtungsordnungen durch den VDD veranlasst. Deshalb stellt Anmerkung 2 zu § 22 AT AVR diese Zustimmungsbedürftigkeit zunächst nur für Erlasse oder Änderungen ab dem 1. Januar 2023 fest. Die in Satz 1 der Anmerkung 2 angesprochene Wirkung der dienstvertraglichen Anrufungspflicht auf der Grundlage zuvor beschlossener Schlichtungsordnungen ist dagegen nicht berührt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur insoweit, als entgegen § 22 Abs. 3a Satz 2 AT AVR AK-Mitglieder von der Mitwirkung in der Schlichtungsstelle ausgeschlossen sind.
Für zwischen dem 1. Januar 2023 und dem 18. Oktober 2023 erlassene oder geänderte Schlichtungsordnungen gilt die Nicht-Wirkung ohne Zustimmung nicht, solange nicht die Zustimmung durch die Bundeskommission verweigert wird. Es handelt sich damit um eine faktische Widerspruchslösung.
Die Bundeskommission kann entsprechend Anmerkung 1 zu § 22 AT AVR ihren Beschluss zur Zustimmung auf einen Ausschuss übertragen. Sie hat diesen Ausschuss auch durch weiteren Beschluss am 19. Oktober 2023 bereits eingerichtet und entsprechend beauftragt. Er wird mit den entsprechenden Zustimmungen die dienstvertragliche Verpflichtung auf der Basis der jeweiligen Schlichtungsordnung feststellen.
5.4.4. Schlichtungsordnung ohne Zustimmung
Die Bundeskommission hat mit ihrem Beschluss nicht in die diözesanen Rechtssetzungen zur Errichtung, Zusammensetzung und zum Verfahren von Schlichtungsstellung eingegriffen. Zwar spricht die Regelung von Zustimmungsbedürftigkeit durch die Bundeskommission. Satz 1 der Anmerkung 2 macht aber deutlich, dass dies im Ergebnis die Geltung der dienstvertraglichen Verpflichtung zur Anrufung der Schlichtungsstelle betrifft.
Wurde der Erlass oder die Änderung vorgenommen, ohne dass eine Zustimmung der Bundeskommission vorliegt (soweit nicht vor 1. Januar 2023), dann ist dennoch die Schlichtungsordnung selbst gültig. Obwohl keine Verpflichtung besteht, kann dennoch auf ihrer Basis auch ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden. Allerdings könnte sich der Dienstgeber bei einer solchen Schlichtungsordnung nicht darauf berufen, der Mitarbeitende hätte die Schlichtungsstelle anrufen müssen. Entsprechendes gilt bei einem Ausschluss von AK-Mitgliedern auch durch eine vor dem 1. Januar 2023 erlassenen Schlichtungsordnung.
5.4.5. Zustimmungsverfahren
Der von der Bundeskommission beauftragte Ausschuss wird in einem ersten Schritt zunächst Standards herausarbeiten, bei deren Vorliegen in der entsprechenden Schlichtungsordnung die Zustimmung erteilt bzw. verweigert wird.
Dabei soll durch Bitten an die Diözesancaritasverbände zur Übermittlung auch vorhandener Ordnungen ein Bild über die bestehenden Schlichtungsstellen erreicht werden. Sollten in den DiCVen derzeit Änderungen oder Neufassungen – insbesondere auf der Basis der Musterschlichtungsordnungen des VDD – beabsichtigt sein, empfiehlt sich ein Austausch mit dem Ausschuss der Bundeskommission vor einer abschließenden Entscheidung zum Erlass.