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Union-Vorstoß zur Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts wohl chancenlos

Der Antrag der CDU/CSU wurde nach inhaltlicher Ablehnung durch die Ampel-Fraktionen in die Ausschüsse verwiesen.

Die Fraktion der CDU/CSU hat einen Beschlussantrag zur Flexibilisierung der Arbeitszeit in den Bundestag eingebracht. Die Bundesregierung wird durch diesen zur Vorlage eines Gesetzesentwurfs aufgefordert, vgl. BT DRS. 20/10387. Am 14. März 2024 fand im Bundestag eine Aussprache zu dem Antrag statt, vgl. BT-Plenarprotokoll 20/157, S. 20187A-20197A. Nun soll eine weitere Beratung in den Ausschüssen stattfinden.

CDU/CSU fordern Betrachtungswechsel von der Tageshöchstarbeitszeit zur Wochenhöchstarbeitszeit

Derzeit gilt im deutschen Arbeitszeitrecht der Grundsatz des Acht-Stunden-Tages (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG)). Nach dem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird durch den Grundsatz des Acht-Stunden-Tags nicht in dem Maße eine flexible Arbeitszeitgestaltung ermöglicht, wie sie von vielen Arbeitnehmenden gewünscht werde. Durch die Veränderungen der Arbeitswelt und verbesserten digitalen Gegebenheiten bestehe ein starker Trend zur Nutzung flexibler Arbeitszeiten. Dieser Trend werde durch die Erfahrungen der Arbeitnehmenden während der Corona-Pandemie verstärkt. Flexible Arbeitszeiten würden erheblich zur Zufriedenheit am Arbeitsplatz beitragen, da sie gerade für Familien mit kleinen Kindern oder zu pflegenden Angehörigen bei der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf helfe. Die EU-Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) gewähre Mitgliedstaaten im Arbeitszeitrecht mehr Spielraum, als Deutschland derzeit durch das Arbeitszeitgesetz nutze. So hätten Länder wie Österreich, Dänemark, die Niederlande, Irland, Tschechien und Slowenien von der Möglichkeit des Art. 22 der EU-Arbeitszeitrichtlinie Gebrauch gemacht und würden nun gelegentliche Wochenarbeitszeiten von über 48 Stunden ermöglichen. Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion sieht nicht weniger als den Betrachtungswechsel von der Tageshöchstarbeitszeit zur Wochenhöchstarbeitszeit vor.

Kontroverse Debatte im Bundestag: Ampel-Koalition befürchtet längere Arbeitszeiten

Der Antrag von CDU/CSU wurde am 14. März 2024 im Bundestag beraten. Im Anschluss erfolgte trotz kontroverser Diskussion und Ankündigungen der Antragsablehnung eine Verweisung an die Ausschüsse. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales soll bei den weiteren Beratungen die Federführung übernehmen.

In der Aussprache im Bundestag wurde die Forderung der CDU/CSU-Fraktion durch Vertreter der anderen Bundestagsfraktionen stark kritisiert. Im Zentrum der Kritik stand die Befürchtung, dass unter dem Vorwand der Flexibilität eine Verlängerung der Arbeitszeiten angestrebt wird, was zu Lasten der Arbeitnehmergesundheit und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehen könnte. So würden die bestehenden Gesetze bereits ausreichend Flexibilität bieten. Auch wurde vor der Aushöhlung des Achtstundentags sowie des Arbeitsschutzes gewarnt.

Axel Knoerig (CDU/CSU) eröffnete die Diskussion. Arbeitnehmende hätten das Bedürfnis nach mehr Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung. Er erinnerte die Bundesregierung daran, dass sie dies auch im Koalitionsvertrag vereinbart und bislang nicht eingelöst habe. Es bestehe Handlungsbedarf und diesem könne durch Anpassung an das EU-Recht Rechnung getragen werden durch den Wechsel vom Tagesmaximum zu den wöchentlichen Arbeitszeiten. Die Arbeitsmarktforschung zeige, dass flexiblere Einteilung der Arbeitszeiten zu mehr Gesundheit und Zufriedenheit führe. Die heutigen Arbeitnehmer wollten für sich selbst entscheiden. Durch die einzuhaltenden hohen Standards im Arbeitsschutz finde keine einseitige Verschiebung zu Gunsten der Arbeitgeber statt. Die Flexibilität zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebern soll nicht vorgeschrieben werden, sondern als Angebot ermöglicht werden. Als Christlich-Soziale fänden sie es außerdem richtig, wenn die Sozialpartner und die Betriebe bei der konkreten Umsetzung sich in der Mitbestimmung wiedersähen und das gemeinsam entsprechend aufsetzten; denn sie wüssten am besten, was vor Ort nötig und möglich sei.

Jan Dieren (SPD) verglichden Antrag mit einem „trojanischen Pferd“. Der Union ginge es darum, unter dem Deckmantel von Freiheit und Flexibilität eigentlich eine Verlängerung der Arbeitszeiten zu erreichen. Nur ein geringer Prozentsatz der Beschäftigten wolle tatsächlich nach 18 Uhr arbeiten. Die bestehenden Gesetze böten bereits genügend Flexibilität, was die hohe Zahl an Überstunden belege. Echte Freiheit und Flexibilität erforderten Schutz und klare Regeln, um die Interessen der Arbeitnehmenden gegenüber den Arbeitgebern zu wahren. Flexible Arbeitszeiten brauchten auch Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge. Die SPD und ihre Koalitionspartner setzten sich für Arbeitszeitverkürzung und nicht für längere Arbeitszeiten ein.

Norbert Kleinwächter (AfD) stellte sich entschieden gegen den Antrag und warnte vor den Gefahren der Überarbeitung sowie der Unterminierung des familiären Zusammenlebens. Er betonte die Bedeutung des Achtstundentags und kritisierte die Europäische Union für ihren Einfluss auf nationale Arbeitszeitgesetze.

Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen) fehlte es dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion an konkreten Vorschlägen anstelle der allgemeinen Forderungen nach Flexibilität. Es bestünde die Notwendigkeit, echte Zeitsouveränität zu schaffen, die es Arbeitnehmern erlaubt, selbst über ihre Arbeitszeit zu bestimmen. Frau Müller-Gemmeke warnte davor, die Tür für überlange Arbeitstage zu öffnen, denn geregelte Arbeitszeiten gewährleisteten auch Gesundheits- und Arbeitsschutz.

Pascal Kober (FDP) kritisierte am Antrag, dass dieser wenig konkretisiert und auch keine Ideen beispielsweise für die Mindestruhezeit bei wöchentlicher Höchstarbeitszeit enthalte. . Das Thema Arbeitszeit sei wichtig, hier habe sich die Lebenswelt der Menschen geändert. Viele wünschen sich mehr Flexibilität.

Wilfried Oellers (CDU/CSU) betonte, der Antrag sei auf die Wünsche der Bürger nach mehr Flexibilität im Arbeitsleben ausgerichtet. Er stellte klar, dass das Ziel nicht die Verlängerung der Arbeitszeit sei, sondern die Ermöglichung einer flexibleren Verteilung der Arbeitsstunden innerhalb der Woche, um den Anforderungen moderner Arbeits- und Lebensmodelle besser gerecht zu werden. Es bestünden praktische Bedürfnisse der Arbeitnehmer, wie die Möglichkeit, Arbeitszeiten den familiären Verpflichtungen anzupassen. Der Antragsinhalt werde in der Diskussion verzerrt. Der Antrag sehe explizit die Beibehaltung des deutschen Arbeitsschutzstandards und der maximalen Wochenarbeitszeit vor. Die ablehnende Haltung gegen den Antrag verwehre den Menschen die Möglichkeit auf mehr Selbstbestimmung und Flexibilität im Berufsleben.

Mathias Papendieck (SPD) warf der Union vor, sie würde eher die Interessen der Unternehmer als die der Arbeitnehmenden vertreten. So wünschten sich Arbeitnehmende weniger Arbeitszeit, der Antrag sei aber eigentlich auf mehr Arbeitszeit ausgerichtet. Die Union würde aber in jüngster Zeit das Gegenteil verfolgen, u.a. weil Vertreter der Union die Einschränkung im Streikrecht für bestimmte Bereiche fordern. Die SPD setze sich dafür ein, dass Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen als Mittel für eine gerechte Arbeitszeitgestaltung gestärkt werden.

Janine Wissler (Die Linke) kritisierte den Vorschlag der Union, denn er führe nicht zu mehr Freiheit der Arbeitnehmenden. Dem Arbeitszeitgesetz fehle es nämlich nicht an mehr Flexibilität, sondern an Stabilität und Planbarkeit. Gerade Familien benötigten verlässliche Arbeitszeiten. Diese wünschten sich eher die Viertage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Der Achtstunden-Tag stelle eine historische Errungenschaft dar, die es zu schützen gelte.

Jana Schimke (CDU/CSU) führte aus, bei dem Antrag ginge es darum, Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen. Schon jetzt werde die Arbeitszeit in Deutschland immer geringer, der Schnitt liege bei 34,7 Stunden im Vergleich zum europäischen Durchschnitt von 37 Stunden. In der Praxis bestehe Bedarf für flexiblere Arbeitszeiten sowohl bei Arbeitnehmenden als auch Arbeitgebern.

Appell

Die Ampel-Fraktionen sollten den Antrag der CDU/CSU zum Anlass nehmen, sich um gesetzliche Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeitlösungen zu bemühen. Der Achtstunden-Tag sollte in diesem Prozess nicht als unumstößliche Institution behandelt werden.

Gesetzgebung

Autor/-in: Laura Weber-Rehtmeyer

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