Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Indikatoren – Rückblick 2023 und Ausblick 2024
Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem Transformationsprozess. Sie steht vor den Herausforderungen des demografischen Wandels, der fortschreitenden Digitalisierung und der Dekarbonisierung. Weltweit sind Entwicklungen zur De-Globalisierung zu beobachten. Nach einem wirtschaftlich schwierigen Jahr 2023 rechnen Fachleute mit einem leichten Aufschwung für die deutsche Wirtschaft im Jahr 2024. Es erfolgt ein Überblick über wichtige Indikatoren zur Beurteilung des gesamtwirtschaftlichen Umfelds.
Konjunktur
Nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes ist das Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorjahr um 0,3 Prozent (preis- und kalenderbereinigt 0,1 Prozent) gesunken. Die Erholung der deutschen Wirtschaft setzte sich nach dem Krisenjahr der Corona-Pandemie 2020 damit nicht fort. Die Europäische Zentralbank hatte seit Sommer 2022 den Leitzins schrittweise angehoben. Im September 2023 wurde dieser zum zehnten Mal in Folge erhöht und liegt nun bei 4,5 Prozent. Seit Juli 2022 sind daher entsprechende steigende Marktzinsen zu verzeichnen. Damit verbunden war aber auch ein Anstieg der Finanzierungskosten, was die wirtschaftlichen Aktivitäten beeinträchtigte. Die nach wie vor hohen Preise auf allen Wirtschaftsstufen dämpften die Konjunktur. Während sich im produzierenden Gewerbe die hohen Energie- und Baukosten und der Druck des Fachkräftemangels negativ auf die Konjunktur niederschlugen, konnten die meisten Dienstleistungsbereiche ihre wirtschaftliche Aktivität im Vergleich zum Vorjahr erneut ausweiten und so die Wirtschaft stützen. Der Anstieg fiel jedoch schwächer aus als in den beiden vorangegangenen Jahren. Der Bereich Erziehung und Gesundheit konnte leicht um 1 Prozent zulegen. Bedingt durch die hohen Preise war auch die Kaufkraft der privaten Haushalte geschwächt. Im Vergleich zum Vorjahr nahm der private Konsum um 0,8 Prozent ab. Die verhaltene weltwirtschaftliche Entwicklung führte zu einer schwachen Auslandsnachfrage und belastete die deutsche Exportwirtschaft zusätzlich zu den gestiegenen Energiekosten. Da die Importe ( -3,0 Prozent) stärker sanken als die Exporte (-1,8 Prozent) stützte der positive Außenbeitrag auch 2023 das BIP. Die konjunkturelle Prognose für 2024 ist vor diesem Hintergrund nur verhalten optimistisch. (Vgl. Pressemitteilungen des Statistischen Bundesamtes Nr. 019 vom 15. Januar 2024 und Nr. 038 vom 30. Januar 2024)
Inflation
Durch die restriktive Zinspolitik der Europäischen Zentralbank war die Inflation seit Sommer 2023 rückläufig. Die Inflationsrate lag für das Jahr 2023 im Durchschnitt bei 5,9 Prozent; das ist der zweithöchste Jahreswert seit der Wiedervereinigung. Nach fünf Rückgängen in Folge im zweiten Halbjahr 2023 ist der Anstieg der Inflation auf 3,7 Prozent im Dezember 2023 auf einen Sondereffekt zurückzuführen: Im Dezember 2022 hatte der Staat einmalig die monatlichen Energiekosten für Erdgas und Fernwärme der privaten Haushalte übernommen. Diese Entlastung entfiel im Dezember 2023. Daher war die Inflation – im Vergleich zum Vormonat – wie erwartet wieder höher. Die langfristige Tendenz zeigt jedoch weiter nach unten. (Vgl. Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes Nr. 020 vom 16. Januar 2024)
Arbeitsmarktentwicklung
Auch auf dem Arbeitsmarkt spiegelt sich die schwache Konjunktur wider. Im Jahresdurchschnitt waren 2.609.000 Menschen arbeitslos; das ist ein Plus von 191.000 gegenüber dem Vorjahr. Die Arbeitslosenquote lag im Jahresdurchschnitt bei 5,7 Prozent, was einen Anstieg von 0,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Und dennoch sind Beschäftigung und Erwerbstätigkeit so hoch wie nie zuvor. Auch 2023 zähle zu den Jahren mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung, so die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles.
Mit einem jahresdurchschnittlichen Bestand von 761.000 gemeldeten Arbeitsstellen bei Arbeitsagenturen und Jobcentern, lag die Arbeitskräftenachfrage 2023 um 84.000 niedriger als im Jahr 2022. Damit setzte sich ein Trend fort, der schon ab der zweiten Jahreshälfte 2022 zu beobachten war. Hinzu kommt, dass auch die Stellenzugänge, die ein besserer Indikator für die aktuelle Einstellungsbereitschaft der Betriebe sind, aufgrund der schwachen Konjunktur zurückgingen. In der Jahressumme wurden 1.633.000 Stellen zur Besetzung neu ausgeschrieben. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum waren das 13 Prozent (251.000) weniger Stellenzugänge. Dennoch ist der Arbeitskräftebedarf im langjährigen Vergleich weiterhin hoch. Es zeigen sich erneut deutliche Anspannungen und Engpässe vor allem in Pflegeberufen, im Bereich der medizinischen Berufe, in Bau- und Handwerksberufen und in IT-Berufen. Auch Berufskraftfahrerinnen sowie Erzieher werden stark gesucht. (Vgl. Monatsbericht zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt – Dezember und Jahr 2023)
Laut KfW-ifo-Fachkräftebarometer ist der Anteil der Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit durch Fachkräftemangel behindert sehen, durch die Konjunkturabschwächung bis zum vierten Quartal 2023 zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder unter die 40-Prozent-Marke gefallen. Der Fachkräftemangel habe sich vor allem in der Industrie erheblich verringert. Trotz der Abschwächung sei der Fachkräftemangel im historischen Vergleich immer noch sehr hoch. Ab 2025 werde der Fachkräftemangel in eine neue Phase eintreten. Die Zahl der Erwerbstätigen werde – aufgrund des beginnenden Renteneintritts der geburtenstarken Jahrgänge – zu schrumpfen beginnen, so die Experten. (Vgl. KfW-ifo-Fachkräftebarometer Dezember 2023)
Ende November 2023 meldete das Statistische Bundesamt, dass auch im dritten Quartal die Reallöhne einen Zuwachs verzeichneten. Die Löhne stiegen nominal um 6,3 Prozent und die Verbraucherpreise um 5,7 Prozent. Daraus ergab sich ein Reallohnsteigerung um 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Zur Lohnsteigerung trugen auch die in vielen Bereichen bezahlte Inflationsausgleichsprämie und der erhöhte Mindestlohn bei. Die höchste Steigerung war daher bei Geringverdienern zu beobachten. Unter den Vollzeitbeschäftigten verzeichnete das Fünftel mit den geringsten Verdiensten (1. Quintil) mit einem durchschnittlichen Nominallohnwachstum von 10,3 Prozent zum Vorjahreszeitraum die stärksten Gehaltssteigerungen. Geringfügig Beschäftigte kamen im dritten Quartal mit 7,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal auf ein überdurchschnittliches Plus. Dies sei vor allem auf die seit dem 1. Oktober 2022 gültige Erhöhung der Minijob-Verdienstgrenze von monatlich 450 Euro auf 520 Euro sowie auf die Mindestlohnerhöhung von 10,45 Euro auf 12 Euro im Oktober 2022 zurückzuführen. Vollzeitkräfte erhielten eine Lohnsteigerung von insgesamt 6,3 Prozent. Für das oberste Fünftel mit den höchsten Verdiensten unter den Vollzeitbeschäftigten (5. Quintil) blieb der Nominallohnanstieg mit 5,6 Prozent etwas hinter der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (6,3 Prozent) zurück und knapp unter der Preisentwicklung (5,7 Prozent). Die Nominallöhne von Teilzeitbeschäftigten stiegen im Vergleich zum Vorjahresquartal um 6,4 Prozent. (Vgl. Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes Nr. 456 vom 29. November 2023)
Ausblick für 2024
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) rechnet im Laufe des Jahres mit der Erholung der Konjunktur und erwartet ein Wachstum des BIP von 0,7 Prozent. Aufgrund steigender Lohnstückkosten und steigender privater Konsumausgaben wird mit einer jahresdurchschnittlichen Inflationsrate von 2,6 Prozent und einer Kerninflationsrate (Teuerung aller Güter ohne Energie und Nahrungsmittel) von 3,2 Prozent gerechnet. Wegen der schwachen Konjunktur und der rückläufigen Inflation im Euro-Raum werden keine weiteren Erhöhungen des Leitzinses erwartet. (Vgl. Jahresgutachten 2023/24)
Auch die Deutsche Bundesbank rechnet mit einer Erholung der Wirtschaft im Verlauf des Jahres 2024. Laut ihrer Projektion wachse das reale Bruttoinlandsprodukt kalenderbereinigt 2024 um 0,4 Prozent; in den Jahren 2025 und 2026 um 1,2 Prozent und 1,3 Prozent. Dabei stütze sich der Expansionspfad auf zwei Säulen: Infolge wachsender Nachfrage auf den Absatzmärkten der deutschen Exporteure werden die Ausfuhren steigen; zweitens werden sich die Konsumausgaben der Privathaushalte ausweiten. Der Arbeitsmarkt bleibe robust, die Löhne sind kräftig gestiegen und die Inflation sei rückläufig. Die im Jahr 2023 vereinbarten Tarifabschlüsse fielen nochmals höher aus als die bereits kräftigen Ergebnisse des Jahres 2022. Dabei spielte der Ausgleich vorheriger Reallohnverluste weiter eine wesentliche Rolle. Weit verbreitet sei dabei eine Kombination von spürbaren steuer- und abgabefreien Inflationsausgleichsprämien und hohen dauerhaften Tarifanhebungen gewesen. Gemäß Projektion ist für 2024 ein Lohnwachstum in den Tarifverdiensten um 5 Prozent zu erwarten; ein Nachlassen des Lohnwachstums werde erst ab 2025 erkennbar. (Vgl. Monatsbericht Dezember 2023)
Fazit
Dass sich Konjunktur und Inflation positiv entwickeln, ist auch für den Bereich der Caritas positives Signal. Eine große Herausforderung bleibt aber die Entwicklung am Arbeitsmarkt. Hier sind die Einrichtungen und Dienste der Caritas quasi doppelt betroffen: Die Zahl der Arbeitskräfte (und damit auch der Fachkräfte) sinkt und gleichzeitig steigt aufgrund der alternden Bevölkerung die Nachfrage in den großen Bereichen Alten- und Gesundheitshilfe. Gemäß der Pflegekräftevorausberechnung des Statistischen Bundesamtes wird der Bedarf an erwerbstätigen Pflegekräften ausgehend von 1,62 Millionen im Vor-Corona-Jahr 2019 voraussichtlich um ein Drittel (+33 Prozent) auf 2,15 Millionen im Jahr 2049 steigen. Damit werden bis zum Jahr 2049 zwischen 280 000 und 690 000 Pflegekräfte fehlen. Hinzu kommt genau in diesen Bereichen eine sich verschärfende Finanzierungssituation, die sich schon jetzt in vielerorts schwieriger werdenden Refinanzierungsverhandlungen manifestiert. Vor diesem Hintergrund ist es dringend geboten, dass den Reformankündigungen der Politik zeitnah Taten folgen.
Ökonomische Analyse