Telearbeit (Homeoffice) am ausländischen Wohnort – Sozialversicherung am Sitz des Arbeitgebers
Wer erinnert sich nicht gerne an die Werbung eines großen, in der Vergangenheit öffentlich-rechtlichen Kommunikationsunternehmens, in der die Mitarbeitenden ihre Arbeit vom Rand oder auf einem Schwimmbecken irgendwo auf der Welt erledigten. Spätestens bei der Meldung von tagesschau.de vom 25. Juli 2023, dass Grenzgänger mehr im HomeOffice arbeiten können, nährt sich dieses Bild erneut ein wenig.
Aber die Rechtslage ist etwas komplizierter. Hier sei zunächst auf die vom Bericht angesprochenen sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen hingewiesen.
Rechtsgrundlage: VO (EG) Nr. 883/04 und Rahmenvereinbarung
Grundlage der für Deutschland geltenden Rechtslage für Grenzgänger ist ein multilaterales Abkommen, das auf der Basis von Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit von dieser abweichende Regelungen für die Telearbeit bei Grenzgängern getroffen hat. Darin treffen die Vertragsstaaten eine Vereinbarung, wie bei grenzüberschreitender Telearbeit Abweichungen vom in der Verordnung enthaltenen Grundsatz der Sozialversicherung in nur einem Vertragsstaat genehmigt werden. Sie gilt im Verhältnis zu allen Nachbarstaaten Deutschlands außer Dänemark, aber auch darüber hinaus (zu den Vertragsstaaten siehe hier).
Hauptfall in Deutschland: Grenzgänger
Hier wird deshalb nur der Fall der bei einem (einzigen) deutschen Arbeitgeber beschäftigten Grenzgängerin mit einem Wohnsitz in einem Vertragsstaat (unabhängig von der Staatsangehörigkeit) angesprochen. Fälle mehrerer Arbeitgeber und Fälle einer temporär dauerhaften Telearbeit im Ausland oder unmittelbarer Entsendung unterliegen anderen Rechtgrundlagen und Behandlungen, die gegebenenfalls bei Überschreiten der nachfolgenden Kriterien greifen. So kann gegebenenfalls auch eine Entsendung vorliegen, wenn Blöcke der Telearbeit gebildet werden.
Begriff Telearbeit
Das Abkommen bezieht sich auf grenzüberschreitende Telearbeit. Dabei ist ein allgemeiner Begriff gemeint, der weiter ist als der im deutschen Recht genutzte Begriff des Telearbeitsplatzes (§ 2 Abs. 7 ArbStVO). Voraussetzung ist lediglich, dass die Tätigkeit ortsunabhängig, aber auch in den Räumen des Arbeitgebers erbracht werden kann, sich auf IT stützt, um zur Aufgabenerfüllung mit der Arbeitsumgebung des Arbeitgebers (nicht zwingend dauerhaft) in Verbindung zu bleiben und tatsächlich in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt wird. Damit sind die klassischen Fälle des sogenannten Homeoffice umfasst, was auch das ausdrückliche Ziel des Rahmenabkommens ist.
Volumen der Telearbeit, Antragserfordernis und Dauer der Vereinbarung
Der Anwendungsbereich ist eröffnet, wenn die Telearbeit im Wohnstaat zwischen 25 Prozent und unter 50 Prozent der Beschäftigung ausmacht. Es darf kein dritter Staat involviert sein und die entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitgeber muss im Interesse des Arbeitnehmers liegen. Dann sind die Rechtsvorschriften des Sitzstaates des Arbeitgebers anzuwenden.
Allerdings erfolgt dies nur dann, wenn dies auch bei der zuständigen Stelle im Sitzstaat des Arbeitgebers beantragt wurde, im hier behandelten Fall also in Deutschland. Der Antrag ist elektronisch dem GKV-Spitzenverband, DVKA, zu übermitteln. Es ist ein bestimmtes Verfahren einzuhalten.
Liegt das Volumen der Telearbeit unter 25 Prozent, so gilt auch ohne die Ausnahmevereinbarung das Recht des Sitzstaates des Arbeitgebers. Ab 50 Prozent wird das Sozialversicherungsrecht des Wohnsitzstaates zur Anwendung kommen. Auszugehen ist von dem voraussichtlichen durchschnittlichen Volumen der folgenden 12 Kalendermonate. Ob dabei eine größere Blockbildung möglich ist, müsste im Einzelfall anhand beider nationaler Sozialversicherungsrechte geprüft werden.
Die Vereinbarung darf zudem nur für drei Jahre geschlossen werden, wobei aber Verlängerungen auf Antrag möglich sind.
Arbeitsrechtliche Aspekte und Besteuerung beachten
Das Vorgesagte betrifft die sozialversicherungsrechtliche Behandlung der grenzüberschreitenden Telearbeit von Grenzgängern. Zu beachten und mit großem Augenmerk zu betrachten ist aber die arbeitsrechtliche Behandlung der so beschriebenen Telearbeit. Zunächst wird dabei davon auszugehen sein, dass vertraglich deutsches Arbeitsrecht Anwendung findet. Dies gilt im Grundsatz hinsichtlich der Arbeitsschutzvorschriften. Dennoch wird aber zu prüfen sein, ob gegebenenfalls die nationalen Regelungen einen höheren Schutz gewähren, der dann auch zur Anwendung kommen müsste. Ebenso wird gegebenenfalls eine Entgeltfortzahlung bei Feiertagen gesondert zu vereinbaren sein, da im Ausland durch deutsche Feiertage kein Arbeitsausfall entsteht, andererseits bei ausländischen Feiertagen kein Ausfall durch gesetzliche deutsche Feiertage gegeben ist, für die das EFZG greift.
Ausgehend von einem Wohnsitz des Mitarbeiters im Ausland im Sinne eines gewöhnlichen Aufenthaltes (vgl. § 9 AO) wird zudem die Frage der Besteuerung der Einkünfte zu klären sein. Außerhalb der EU-Mitgliedstaaten (Besteuerung am Wohnsitz) sind für deutsche und ausländische Mitarbeitende die abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen zu beachten.
Resümee
Mit der Rahmenvereinbarung wird für die meisten Fälle der Arbeit im Homeoffice die Frage der Lokalisation der Sozialversicherungspflicht geklärt sein. Dass eine auseinandergehende Sozialversicherung für die Zeiten von Anwesenheitszeit und Telearbeit angestrebt wird, ist unwahrscheinlich. Auch der (wiederum auf Antrag mögliche) Fall, dass die Sozialversicherung auch bei weniger als 50 Prozent Telearbeit den Regelungen des Wohnsitzstaates unterliegen sollen, wird nicht häufig gegeben sein. Zu beachten sind aber die übrigen rechtlichen Auswirkungen auf das Dienstverhältnis.
Ausführliche Information zur sozialversicherungsrechtlichen Behandlung finden Sie hier bei der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA), unter anderem auch eine Gebrauchsübersetzung der Rahmenvereinbarung sowie Hinweise zum Antragsverfahren. Einen guten Überblick auch unter Einbeziehung von arbeitsrechtlichen Fragen finden Sie auf Seiten der IHK wie zum Beispiel hier bei der IHK Düsseldorf.
Arbeitsrechtliche Analyse